PROLOG
Was war der Aufschrei groß, als herauskam wer den von Lee Child erdachte und bis jetzt in 17. Roman auftretenden ehemaligen Militärpolizisten Jack Reacher spielen sollte: Tom Cruise. Der Tenor war dabei immer der gleiche: Wie soll es Tom Cruise mit seinen „nur“ 170cm an Körpergröße fertig bekommen den mit 195cm und 110kg massigeren Jack Reacher zu verkörpern? Tom Hardy z. B. wäre doch eine viel bessere Wahl.
Dabei wurden zwei wichtige Elemente vergessen: 1. Tom Hardy ist gerade mal 5cm größer als Tom Cruise; und 2. Sagte sogar Lee Child selber, dass es eigentlich egal ist wie groß der Schauspieler für die Rolle ist, solange er die wirklich wichtigen Punkte der Figur trifft: Seine Intelligenz, seine Willensstärke und der Glaube daran den Schwächeren zu helfen. Außerdem hat Cruise des öfteren eindrucksvoll bewiesen, dass er Ärsche treten kann!
Außerdem möchte ich noch eine weitere Frage in den Raum werfen: Wer hat denn wirklich die Romane gelesen und kannten die Figur Jack Reacher vorher? Ich gebe zu, dass ich die Romane vorher nicht kante, mich aber auch nicht an der Körpergrößen-Diskussion beteiligt habe. Für mich passte Cruise ganz gut in das Bild der Figur und ich wollte mich überraschen lassen.
Zudem bewies Regisseur Christopher McQuarrie schon mit The Way of the Gun aus dem Jahr 2000, dass er ein Händchen für solche Filme hat. Da konnte ich über seine letzten Arbeiten als Drehbuchautor gerne hinwegsehen.
REVIEW
Wer einfach nur eine leichte Änderung der bekannten Tom Cruise-Rolle in den Mission: Impossible-Filmen erwartet, könnte enttäuscht werden, denn Jack Reacher ist nicht Ethan Hunt. Reacher braucht keine Gadgets, sondern benutzt seinen Kopf und seine Hände/Fäuste um zu bekommen, was er möchte. Der Ton ist grimmiger, der Humor trockener und wenn ich ganz ehrlich bin: Mir persönlich gefiel Cruise in der Rolle des Jack Reacher irgendwie besser als in der Rolle des Ethan Hunt.
Die Story ist nicht besonders anspruchsvoll, wird aber in den knapp über 2 Stunden sehr strikt und auf den Punkt erzählt: Jack Reacher hat ein Ziel und dieses Ziel wird stur angesteuert. Hier hat Regisseur und Drehbuchautor Christopher McQuarrie wirklich gute Arbeit abgeleistet. Dabei verkommt Reacher aber niemals zum Sprüche klopfenden Schläger, wie man es vielleicht erwarten könnte, sondern hat eine strikte Moralvorstellung, die die Rechtsanwältin Helen Rodin dadurch mitbekommt, dass sie sich mit den Familien der Opfer treffen muss, um sich besser in die Situation versetzen zu können.
Aber auch in Sachen Action kann der Film durchaus überzeugen, obwohl er für ein Film seines Genres schon sehr Dialoglastig ist, was aber nicht zu seinem Nachteil ist. Ein besonderes Schmankerl bekommt der Zuschauer mit einer Sequenz serviert, in der sich Jack Reacher eine Verfolgungsjagd mit einigen Polizisten durch Pittsburgh liefert. Denn es handelt sich nicht etwa um eine typische CGI-/Schnittgewitter-Sequenz wie zuletzt z. B. in Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben, sondern eine sehr realistisch gedrehte, harte Verfolgungsjagd bei der man wirklich sieht, dass Autos Schaden nehmen und in deren Verlauf man eine Mischung aus Spannung und einer gewissen Art von Humor serviert bekommt. Oder um es einfach auf den Punkt zu bringen: Man hat das Gefühl, dass Nicolas Winding Refn da Gastregie geführt hat. Auch die schon aus dem Trailer bekannte „Zwei rennen eh immer weg“-Szene ist verdammt gut und hat durchaus einen größeren Sinn für den kompletten Film.
Was die schauspielerischen Aspekte des Filmes angeht, wechseln sich Licht und Schatten ab: Tom Cruise verleiht Jack Reacher das nötige Charisma und zeigt sich auch in den Kämpfen noch sehr fit. Rosamund Pike konnte in der Rolle der Rechtsanwältin keine besonderen Akzente setzen und war sogar leicht nervtötend. Richard Jenkins als Bezirks-Staatsanwalt und David Oyelowo als Detective spielen ihre Rollen souverän, wobei ich von Jenkins nichts anders erwartet habe. Das gleiche gilt für Robert Duvall, der im letzten Drittel auftaucht. Der ganz große Schwachpunkt im Cast ist aber leider der große Werner Herzog als Oberbösewicht The Zec, denn hier merkt man, dass Herzog einfach kein Schauspieler ist: Sowohl im OT als auch in der Syncro hört er sich so an wie in seinen Dokus; und das ist in der Syncro noch viel schlimmer, weil man permanent denkt: Irgendwie klingt das alles seltsam. Er spricht die Figur fast schon künstlich und das versaut sie komplett, da man einfach keine wirkliche Angst vor The Zec bekommt, obwohl man sie eigentlich haben sollte.
Wie schon gesagt, ist die Regie von McQuarrie vollkommen solide und auch sein Drehbuch ist nicht schlecht. Positiv erwähnen möchte ich als Score-Laie die musikalische Untermalung von Joe Kraemer, die ich als sehr stimmig und passend empfand. Das gleiche gilt für die Kameraarbeit von Caleb Deschanel, die vor allem in oben erwähnter Drive-Sequenz voll zur Geltung kommt. Aber auch den großen Showdown hat er echt gut in Szene gesetzt.
EPILOG
Jack Reacher ist ein fast schon altmodischer Thriller, wie wir sie aus den 70ern Jahren durch Filme wie Dirty Harry und Bullit kennen und lieben geschätzt haben. Tom Cruise überzeugt in der Titelrolle und kann gerne ein weiteres Mal die Lederjacke überstreifen und Gerechtigkeit um jeden Preis walten lassen. Nur wäre es schön, wenn man beim nächsten Mal einen besseren Gegenspieler aus dem Hut zaubert.
USA – 2012 – 2 Std. 10 Min.
Regie: Christopher McQuarrie
mit Tom Cruise, Rosamund Pike, Richard Jenkins, David Oyelowo, Werner Herzog, Joseph Sikora, Robert Duvall, Jai Courtney und Michael Raymond-James
Genre: Action, Drama, Thriller