„12 Years a Slave“ ist der dritte Spielfilm des renommierten britischen Regisseurs Steve McQueen und zugleich auch die dritte Zusammenarbeit mit seiner männliche Muse Michael Fassbender, der wieder einmal zeigen kann, warum er einer der talentiertesten Darsteller Hollywoods ist und endlich mit einer Oscarnominierung bedacht worden ist, die er schon für „Hunger“ und „Shame“ verdient gehabt hätte.
„12 Years a Slave“ basiert auf der wahren Geschichte von Solomon Northup, der von 1841 bis 1853 am Red River in Louisiana als Sklave gehalten wurde, nachdem man ihn in Washington DC unter Drogen setzte und entführte. Nach seiner Befreiung verfasste er gemeinsam mit David Wilson seine Memoiren mit dem Buch Twelve Years a Slave. Er war der einzige Mann, der als freier Bürger gekidnappt und in die Sklaverei verkauft wurde, der dieser Situation schließlich entfliehen und darüber schreiben konnte.
Es ist nicht das Einzelschicksal was einem den Atem verschlägt, sondern die brachiale Gewalt auf physischer und psychischer Art gegenüber allen versklavten Schwarzen in der Länge von über 2 Stunden, die sich ins Mark brennen. Die Versklavung der Menschen als „Vieh“ zum Arbeiten ist keine Vergangenheit, wie Steve McQueen auch in einem Interview sagt, sie ist immer noch allgegenwärtig. Daher ist der Film auch für mich kein Einzelportrait, sondern ein Ausschnitt aus einer dunklen Zeit, über die in den USA lieber geschwiegen wird. Bisher war es nur für die Leute leichter, den Bösewicht im deutschen Nazi zu sehen statt in sich selber.
Inszenatorisch und schauspielerisch wird hier ganz großes Kino geboten. Der Kontrast der Szene, in der Salomon minutenlang mit einer Schlinge um den Hals an einem Baum hängt und um sein Überleben auf Fußspitzen umherkreist, während im Hintergrund gespielt und gelacht wird, ist absolut beklemmend. Solche Szenen preschen auf den Zuschauer zu Hauf ein und ich bin sehr dankbar darum. Andere Regisseure hätten hier viel schneller abgeblendet, nicht so Steve McQueen. Minutenlang wird auf die Sklaven eingedroschen bis sich die Haut am Rücken blutüberströmt abblättert. Herausragend hier Lupita Nyong´o, die eine Tour-De-Force Performance abliefert. Von stiller Rebellion, Verzweiflung, über Erlösung im Tod vermag sie das meiste über ihre Mimik ausdrücken, wie nur die ganz großen Schauspielgrößen. So bizarr das alles ist, aber ausgerechnet der sadistische Sklavenbrecher Mr. Epps sich zu ihr hingezogen fühlt, welches auch seiner Ehefrau (ebenfalls herausragend Sarah Paulson) nicht verborgen bleibt und sie Patsey besonders entmenschlicht und ihren Mann dazu zwingt sie mit besonderer Härte zu behandeln. In einer gerechten Welt würde es für sie für die Szene, in der es um ein Stück Seife geht, um ihren bestialischen Gestank loszuwerden, schon den Oscar geben. Titelheld Chiwetel Ejiofor steht ihr schauspierisch indes in nichts nach. Auch andere Nebendarsteller wie Benedict Cumberbatch, Paul Dano, Afre Woodward und Paul Giamatti leisten hier großartiges in ihrer geringen Screentime.
Es dauert sehr lange als Solomons Lebensgeist gebrochen wird und als es dann soweit war, hat Kameramann Sean Bobbit unerträglich schöne Bilder dafür gefunden. Es kommt sowieso einer Schande gleich, dass dieser für die herausragende Kameraarbeit am Ende dann doch nicht auf der Nominierungsliste der Academy aufgetaucht ist, denn die zum größtenteils am Computer entstandenen Bilder von „Gravity“ können in ihrer visuellen Kraft und Bedeutung „12 Years a Slave“ nicht das Wasser reichen. I am really sorry! Auch großartig und ungewürdigt ist die Tonarbeit, die bis ins Mark vordringen und noch lange nach den Szenen nachwirken.
Komponist Hans Zimmer neigt dazu die Filme mit seinem Bombastscore zuzukleistern, anfangs auch hier, leisere Töne tun es auch. Zum Glück dominieren eher sanfte Streicher das Werk, auch wenn er sich vergangener Motive bedient, fügt sich der Score gut ins Gesamtbild ein. Noch stärker sind allerdings die Songs aus dem Film, indem besonders „Roll Jordan Roll“ heraussticht und Chiwetel Ejiofors Performance absolut oscarwürdig erscheinen lässt. Sowieso ist seine Darstellung von Solomon Northup von Anfang bis Ende die reinste Tortour und bekommt mir viel zu wenig Aufmerksamkeit von den ganzen Kritikerpreisen mal angesehen. Anscheinend muss man sich herunterhungern oder viel fett anfressen um in der Gunst der Guilden ganz oben zu stehen.
Womit viele Kinobesucher ein Problem haben dürften, ist die Erzählweise von „12 Years a Slave“, denn er bricht das übliche Muster gängiger Drehbücher und hat keine leicht zu folgender Dramaturgie, die einen Erholungsphasen gönnen, sowie Höhepunkt und Wendepunkt markieren. Ich persönlich finde, dass hätte auch gar nicht in die Geschichte gepasst und bin froh, dass damit fast gänzlich auf Hollywoodklischees umgangen wurden. Für mich der einzige Schwachpunkt des Films ist Produzent Brad Pitt, der sich anscheinend unbedingt als „weißer rettender Engel“ in den Film einbringen musste. Er wirkte mit seinem Starappeal wie aus einer anderen Welt. Trotz dieses Wermutstropfen und der enormen Erwartungshaltung an den Film, die er nicht komplett befriedigen konnte, ist „12 Years a Slave“ ein herausragender Film geworden, der zurecht als Favorit für den „Besten Film des Jahres“ ins Rennen geht, stellt er einen sehr wunden Punkt in der amerikanischen Geschichte dar und es bleibt zu hoffen, dass damit Sklaverei wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen geführt wird, denn die Sklaverei gibt es auch heute noch, nur ist sie in vielen Orten nicht so präsent. Sklaverei wird heute outgesourced. Unsere Kleidung nähen Kinder in Bangladesch. Schokolade ernten Kinder im Senegal. In Nigeria werden für unsere Smartphones und Laptops seltene Erden abgebaut – unter widrigsten Bedingungen. In China werden für unserer stylishen Stonewashed-Jeans ganze Flüsse verseucht, die Krankheiten verursachen. Die Liste könnte ewig fortgesetzt werden. So etwas zeigt uns Hollywood (noch) nicht, aber „12 Years a Slave“ hat das Zeug unser Bewusstsein zu schärfen und den Stein in die richtige Richtung zu bewegen.
USA – 2013 – 2 Std. 13 Min.
Regie: Steve McQueen
mit Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Lupita Nyong´o, Sarah Paulson, Paul Giamatti, Alfre Woodward, Paul Dano, Brad Pitt
Genre: Drama
3 Oscars:
- Bester Film
- Bestes adapt. Drehbuch (John Riley)
- Beste Nebendarstellerin (Lupita Nyong´o)
6 weitere Nominierungen:
- Beste Regie (Steve McQueen)
- Bester Hauptdarsteller (Chiwetel Ejiofor)
- Bester Nebendarsteller (Michael Fassbender)
- Bestes Kostümdesign (Patricia Norris)
- Beste Austattung
- Bester Filmschnitt