Bekanntermaßen gab es schon des Öfteren hitzige Diskussionen unter unseren Autoren, gerade was die punktuelle Bewertung von Filmen anbelangt. Ich selbst messe immer innerhalb des jeweiligen Genres und finde, dass jeder gern die Benotung erteilen darf, die ihm beliebt, solange er es entsprechend begründen kann. Im Zuge dessen habe ich mir in den letzten Tagen Gedanken darüber gemacht, wie viele Kinoproduktionen eigentlich von mir die Höchstpunktzahl bekommen würden… Qualitativ hochwertige Prädikate, die zwischen 7,5 und 8,5 pendeln, gab es natürlich relativ häufig. Zuletzt erhielt „Blue Jasmine“ von mir eine 9/10 und gerade dieses Beispiel verdeutlicht, dass ich eine derartige Wertung vergebe, um eine unverkennbare, gesamtheitliche Perfektion wiederzuspiegeln – bis zum Maximum fehlte aber „etwas“, wenn auch eben nur eine minimale Nuance.
Um aber exakt dies zu erreichen, muss mich ein Werk auf allen Ebenen überzeugen, d.h. sowohl meinen Kopf, meine Augen, meine Ohren als auch mein Herz ansprechen. Erstaunlicherweise gab es seit dem Millennium gerade einmal etwas mehr als eine Handvoll Filme, denen ich zweifelsohne die angesprochene „Nuance mehr“, also eine 10/10, bescheinigen möchte. Diese reihen sich somit in eine (wohlgemerkt: ebenfalls ganz subjektive) Liste mit absoluten Klassikern wie „Vom Winde Verweht“, „Die Erbin“, „Endstation Sehnsucht“, „Der Löwe Im Winter“, „Gefährliche Liebschaften“, „Das Schweigen Der Lämmer“ sowie „Titanic“ ein. Um diese angemessen zu würdigen und vielleicht bei dem ein oder anderen wieder in Erinnerung zu rufen, möchte ich nun auf ebenjene sechs Werke zu sprechen kommen, die – so klischeehaft es auch klingen mag – mein Leben verändert haben. (Als besonders interessant empfinde ich, dass gleich in der Hälfte derer lesbische Sujets eine mehr oder weniger gewichtige Rolle spielen. :))
Moulin Rouge (OT: Moulin Rouge!)
Baz Luhrmanns dritte Kinoproduktion „Moulin Rouge“ ist schätzungsweise einer dieser Musikfilme, an welchem sich das Modewort „polarisieren“ erklären lässt. Es gibt jene, die ihn als opulente, ansonsten aber lediglich nette Unterhaltung deklarieren, aber auch andere – wie mich – welche ihn als stimmiges Gesamtkunstwerk betrachten, das keinerlei Wünsche offen lässt, was sowohl Liebhaber von Musicals, Komödien oder großen, substanzhaltigen Liebesdramen einschließt. Dieses vermag es, den kontextuell wichtigen, revolutionären, heutzutage übertrieben wirkenden Zeitgeist der Bohème in Paris an der Schwelle zum 20. Jahrhundert eindrucksvoll, prunkvoll und facettenreich wiederzuspiegeln, darüber hinaus aber auch, mithilfe von wohldosierten, teils urkomischen Momenten zu amüsieren und zum Mitsingen zu animieren.
Die in vielerlei Hinsicht tragische, operesk aufgebaute Geschichte der Liaison zwischen einer schönen Kurtisane und einem ambitionierten, aber völlig mittellosen Schriftsteller, die durch einen vermögenden Nebenbuhler erschwert wird, hat schon bei der allerersten Ansicht des Filmes mein Herz im Sturm erobert. Der Wechsel von Temporeichtum und Sensibilität trug dazu maßgeblich bei. In Bezug auf Nicole Kidman und Ewan McGregor stimmte, was für die Seele des Musicals von entscheidender Bedeutung war, die Chemie in jeder Sequenz, unabhängig davon, ob sie nun sangen, tanzten oder verbal agierten. Neben meines Erachtens hervorragenden, gesanglichen Leistungen ist es zudem beiden gelungen, darstellerisch zu überzeugen und beim Zuschauer nahezu jede Form von Emotion sicht- und nachfühlbar zu machen. Vor allem Kidman hatte sich ihre erste Oscarnominierung redlich verdient und auch der Sieg über Berry wäre absolut in Ordnung gegangen! Hinzu kamen ebenfalls fantastische Nebendarsteller, allen voran Broadbent und Roxburgh als widerlicher Bösewicht, deren Rollen intendiert überspitzte Eigenschaften besitzen.
Auch die oscargekrönten, aufwendigen Requisiten und die wunderschönen Kostüme, für welche die diesjährig erneut siegreiche Catherine Martin verantwortlich war, setzten schlichtweg neue Maßstäbe von atemberaubend qualitativem Detailreichtum, die seitdem nicht übertroffen worden sind. Ein echter Augenschmaus! Hinzu kommt eine fesselnde Kameraführung, welche einem das Gefühl gibt, direkt im zeitweiligen Gewühle zu sein sowie ein fabelhafter Song-Score. Im Gegensatz zu vielen anderen Personen liebe ich gerade die musikalische Untermalung, welche sich aus zeitgenössischen Songs der letzten vierzig Jahre speist, jedoch nicht nur bloß übernommen, sondern in einen ganz eigenen, zeittypischen Stil umgewandelt worden sind. Besonders das Police-Cover „Roxanne“ hat auch nach dreizehn Jahren nichts von seiner Intensität und Ausdruckskraft eingebüßt, doch auch das speziell für den Film komponierte, überaus emotionale Lied „Come What May“ rundet das Gesamtbild tränenreich ab.
Für mich ist der achtfach oscarnominierte „Moulin Rouge“ nicht nur eine Musicalverfilmung unter vielen, sondern eine Sternstunde des Genres, für die ich Luhrmann ewig dankbar sein werde. Ein rasantes und vielseitiges Erlebnis, das trotz der oft kritisierten Überdrehtheit vor allem eins sichtbar macht, und zwar, dass das Leben ohne Liebe, wenig Wert hat. Auch, nachdem ich in bereits rund dreißig Mal gesehen habe, fällt mir nichts ein, das ich kritisieren könnte. Das ist es wohl, was filmisch-subjektive Perfektion ausmacht… Und mal ganz ehrlich: Hat man jemals in der Filmgeschichte einen Mann dermaßen herzzerreißend und noch dazu glaubhaft vor Trauer aufschreien sehen? Ich denke nicht!
AUS / USA / UK – 2001 – 2 Std. 03 Min.
Regie: Baz Luhrmann
mit Nicole Kidman, Ewan McGregor, Jim Broadbent, John Luguizamo, Richard Roxburgh, Caroline O’Connor, Kylie Minogue
Genre: Musical / Drama
The Hours – Von Ewigkeit Zu Ewigkeit (OT: The Hours)
„The Hours“ zählt zu den für mich besten, inspirierendsten und berührendsten Werken der Filmgeschichte – das dürfte mittlerweile weitläufig bekannt sein. Dies liegt daran, dass er in jeder Hinsicht überzeugt, nicht zuletzt wegen seiner grenzenlosen Symbolkraft, einer vortrefflichen Rahmenhandlung und einer beinahe beängstigenden Gegenwartsbedeutung. Insofern ist die jetzige Vergabe von 10 Punkten nur Formsache. Daldry, der bisher einen erstklassigen Film nach dem nächsten inszenierte, schuf vor zwölf Jahren ein klassisches, dennoch in seiner Form einzigartiges Frauendrama, das bis in die allerkleinsten Nebenrollen hochkarätig besetzt worden ist.
Gerade den Umstand, dass die Protagonistinnen in sämtlichen Lebensbelangen miteinander verflochten sind, obwohl sie in den Jahren 1923, 1951 und 2001 ihr Dasein fristen, finde ich großartig. „Die eine Frau schreibt das Buch, die andere liest es, die dritte lebt es.“ So könnte man die Handlung vereinfacht beschreiben, doch auch das klingt bereits wundervoll. Das adaptierte Drehbuch von David Hare kann nur als Sensation betitelt werden, die ihresgleichen vergeblich sucht. Punktierte, sich dauerhaft ins Gedächtnis einbrennende Mono- und Dialoge durchziehen das Skript von Anfang bis Ende und lassen den Zuschauer, sofern er sich dafür öffnet, noch tiefer als ohnehin in die Psyche der handelnden Personen eindringen und werden mit Aspekten voller Melancholie wie Versagensängste, Aufopferungsbereitschaft und dem quälenden Gefühl, nicht mehr weiter machen zu können, konfrontiert. Sowohl die sichtbare Inszenierungsart, d.h. Szenenbild, Kostümdesign, Maske, Kamera und Schnitt als auch die Einbindung korrekter, historischer Fakten über Virginia Woolf sind ohne jeden Ansatz eines Makels umgesetzt worden. Die grandiose, oscarnominierte Filmmusik von Philip Glass ist jedoch über alle übrigen Gestaltungsmittel erhaben. Die intensiven, einprägsamen Klänge passen immer perfekt zu den jeweiligen Sequenzen und treiben einem jedes Mal aufs Neue die Tränen literweise in die Augen. Etwas derart Schönes ist eine trotz vieler großartiger Komponisten eine echte Rarität und bedarf keiner weiteren Worte.
Bis zum heutigen Tag ist es mir ein unerschließbares Mysterium, dass dieses Meisterwerk in acht von neun Kategorien leer ausgegangen ist, gerade weil man sich schon fragen muss, warum die Academy-Mitglieder (den opulenten, aber oberflächlichen) „Chicago“ als den vermeintlich besseren Film erachtet haben. Unverzeihlich! Schließlich bietet „The Hours“ Schauspiel vom Aller-Allerfeinsten! Catherine Zeta-Jones würde ich in der Tat am liebsten sofort ihren Oscar von 2003 entreißen und persönlich an Julianne Moore liefern, denn das, was sie in der Rolle der Laura Brown gezeigt hat, ist trotz ihrer enormen Subtilität absolut einmalig, facettenreich und sie ist in jeder Sekunde präsent. Nicole Kidman wurde zu Recht mit dem (leider einzigen!) Oscar ausgezeichnet, denn sie hat die Aufgabe gemeistert, komplett mit der extravaganten, psychisch labilen Schriftstellerin zu verschmelzen. Speziell die „Bahnhof-Szene“ sehe ich als einen der ganz großen Momente der Filmgeschichte! Und auch Meryl Streep wartet in „The Hours“ mit einer ihrer authentischsten Performances ihres Lebens auf. In darstellerischer Hinsicht gibt es nicht eine Schwachstelle, weil auch Dillane, Collette, Richardson und ganz besonders Harris als gebrochener AIDS-Kranker durchgängig brillieren.
Selten, um nicht zu sagen niemals zuvor, wurde dem Publikum das Sujet weiblicher Selbstbestimmung in Verbindung mit deren Grenzen in ihrer jeweiligen Zeit besser und nachfühlbarer präsentiert. „The Hours“ ist schon fast kein Film mehr, sondern reine Kunst, welche keinesfalls krampfhaft gefallen will und für beinahe jedes Individuum unangenehme, allerdings unvermeidbare, existentielle Fragen aufwerfen könnte. Besser geht es einfach nicht!
USA – 2002 – 1 Std. 54 Min.
Regie: Stephen Daldry
mit Nicole Kidman, Julianne Moore, Meryl Streep, Stephen Dillane, Miranda Richardson, Ed Harris, Toni Collette, Allison Janney, Claire Danes, John C. Reilly, Margo Martindale
Genre: Drama / Literaturverfilmung
Tagebuch Eines Skandals (OT: Notes On A Scandal)
Was für ein Film! Speziell ist er, keine Frage! Regisseur Richard Eyre, ebenfalls verantwortlich für die überaus gelungene Filmbiographie „Iris“ hat es auf einem oftmals klischeehaft realisierten Terrain bewerkstelligt, das beeindruckende und gleichzeitig schockierende Bild einer gealterten, verbitterten, eigentlich psychisch kranken Frau zu zeichnen, welche aufgrund sozialer Konventionen nie zu sich und ihrem inneren Begehren stehen konnte und ihren Selbsthass nun exzessiv auf eine Lehrerkollegin, welche einen fatalen Fehler begeht, projiziert. Klischees werden hier mitnichten bedient. Auch die nüchterne, unbeschönigende, gleichwohl wirklichkeitsnahe Darstellung des Schullebens gefiel mir über die Maßen gut. Gleiches trifft auf die messerscharfe und gewissermaßen grundehrliche Drastik der Wortwahl zu, über die ich sehr dankbar bin. Das Drama will provozieren, aber nicht um des bloßen Selbstzweckes willen.
Eine seltsame, erotisierende Spannung zieht sich durch die gesamten anderthalb Stunden, gerade in Bezug auf die verbotene Liebschaft. Man weiß nicht, ob man angewidert von dem Geheimnis der Frauen, dem Tatbestand, dem „Skandal“ sein soll oder, ob einem etwas Ähnliches nicht auch durchaus selbst widerfahren könnte. Die Balance zwischen der Realitätsnähe, welche vor allem heimliche Fantasien so mancher Menschen in sich trägt sowie denkbarer Fiktion lässt den Film zu einem intrigant-kriminalistisch anmutenden Seelenstriptease avancieren, dessen Bilder von den Kameramännern hervorragend eingefangen worden sind. Erneut muss auch Philip Glass explizit erwähnt werden, der ein weiteres Mal auf ganzer Linie brillieren kann. Er schuf eine Filmmusik, die den in „The Hours“ verwendeten Klängen zwar nicht unähnlich ist, doch sie wird so effektvoll eingesetzt, dass es einem schaudert. Insgesamt ist der Score sehr viel düsterer – und genau dies passt perfekt zur Handlung. Diese Arbeit untermauert in meinen Augen seine Stellung als „Gott der Filmmusik“. (Traurigerweise hat er trotz dreier Oscarnominierungen noch immer keine Trophäe erhalten.)
„Tagebuch Eines Skandals“ wartet vielleicht nicht mit einem riesigen Allstar-Ensemble auf, aber gerade hieran zeigt sich, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss, wenn der Fokus anders gelegt wird. Die beiden Hauptdarstellerinnen Judi Dench und Cate Blanchett zeigen hier einfach alles, was sie können. Der Ausdruck „beängstigend gut“ passt wie die Faust aufs Auge. Der Verlauf der bizarren Freundschaft kommt durch ihren Facettenreichtum besonders eindrucksvoll zum Tragen. Blanchett agiert hier meisterhaft, fast genau so gut wie in „Blue Jasmine“ und hätte dafür gern auch mit dem Oscar ausgezeichnet werden dürfen. Und in Bezug auf Dench würde ich ebenfalls von einer Karrierebestleitung sprechen wollen, welche mir weit mehr gefiel als die oscarprämierte Rolle von Helen Mirren. Die Szene, in welcher Sheba die Tagebuchaufzeichnungen entdeckt, ist einfach nervenzerreißend gut. Auch Andrew Simpson, welcher gleich mit seinem Schauspieldebüt eine beachtliche Vorstellung abliefert – und Bill Nighy als hintergangener Ehemann kann ich nur mit anerkennenden Worten bedenken.
Jedes Mal, wenn ich mir „Tagebuch Eines Skandals“ zu Gemüte führe, habe ich erneut mehrfach eine Gänsehaut am ganzen Körper und brauche anschließend Zeit, um wieder zu mir zu kommen. Zwar erhielt er vier Oscar-Nominierungen in wichtigen Kategorien, konnte jedoch keinen Preis gewinnen. Deswegen halte ich den rundum perfekten Film in der Gesamtheit für viel zu wenig gewürdigt. Ein psychotisches Schauspielduell der Extraklasse!
GB – 2006 – 1 Std. 31 Min.
Regie: Richard Eyre
mit Judi Dench, Cate Blanchett, Bill Nighy, Juno Temple, Andrew Simpson, Michael Maloney, Joanna Scanlan, Phil Davis
Genre: Drama / Thriller
Zeiten Des Aufruhrs (OT: Revolutionary Road)
Auch mein nächster „10-Punkte-Film“ basiert auf einer fantastischen Romanvorlage, welche kaum besser auf die große Leinwand gebracht werden hätte können. „Zeiten Des Aufruhrs“ lässt einen in mehrfacher Hinsicht hilflos und des Weiteren beeindruckt zurück – nicht nur wegen des dramatischen Schlussaktes und der idealen Besetzung des einstigen Titanic-Traumpaares. Im Zentrum steht die Familie Wheeler, welche in den 1950ern eine nach außen hin scheinbar perfekte Lebensgemeinschaft führt. Doch aufgrund konträrer Bedürfnisse und Existenzvorstellungen, welche sich beide jedoch nicht eingestehen können oder wollen, wird die Verbindung auf eine harte Probe gestellt. Schnell offenbart sich, dass eine Ehe aufgrund von selbst aufgezwungenen, gesellschaftlichen Konventionen zur blanken Hölle mutieren kann – auch wenn man sich noch so innig lieben mag.
Sam Mendes hat mit diesem Film aus dem Jahr 2008 eine Glanzleistung vollbracht, die in meinen Augen sogar in ihrer Gesamtheit noch um Einiges intensiver ist als der allseits geliebte „American Beauty“. Ein nuanciertes Drehbuch mit beklemmenden, allerdings authentischen Dialogen sowie die Zeichnung einer idyllischen, spießbürgerlichen Wohnumgebung als symbolhafter Gegensatz zum „Innenleben“ der Hauptdarsteller tragen dazu bei, dass man das Drama lange nicht vergessen wird. Zuerst wird dem Zuschauer die Makellosigkeit suggeriert, der wiederum schnell erkennen muss, dass diese Geschichte sich nicht auf ein Happy-End, also den Umzug in ein neues, vermeintlich besseres Leben, zuläuft. Zu einem großartigen Handlungsverlauf voller überraschender Wendungen und zutiefst nahegehender Rückschläge gesellen sich zudem ein tolles Kostümdesign sowie eine erneut stimmige, extrem auf die Mimik der Schauspieler fokussierende Kameraarbeit von Roger Deakins. Auch Thomas Newmans Kompositionen können sich nicht nur hören lassen, sondern sie bilden die wohl gelungenste filmmusikalische Untermalung der letzten Jahre voller Emotionalität und Sanftheit. Mehr Gefühl kann man in Melodien sicherlich nicht hineinpacken. In dieser Kategorie hätte der zu oft übergangene Newman schlicht und ergreifend nominiert und ausgezeichnet werden müssen!
Sowohl von Winslet als auch von DiCaprio habe ich weder davor noch im Anschluss eine genialere Leistung gesehen! Sie zeigen hier zweifelsohne ihre jeweiligen Karrierehöhepunkte, die honoriert hätten werden sollen. Ich bleibe entschieden dabei, dass es gerechter gewesen wäre, Winslet den Oscar für diesen Film zu geben – und nicht für ihre ansprechende, aber viel weniger intensive Performance als Hanna Schmitz. Als April Wheeler zeigte sie nämlich, wie enorm vielseitig sie ist! Man fühlte einfach jede Silbe und war von jeder Aktion gefesselt. Das war eine absolute Punktlandung, welcher DiCaprio jedoch ebenso gekonnt standzuhalten vermochte. Auch er spielt hier oscarreif und überzeugt sowohl mit Subtilität, Emotion als auch Beherztheit, gerade, was die Szenen der immer exzessiveren Streitigkeiten anbetrifft. Die gesprochenen Sätze und rigorosen Worte wurden bewusst gewählt und wirken außergewöhnlich lange nach, zeugen von einer ganz eigenen Ungeschöntheit und lassen das harmonische Kartenhaus mit solcher Heftigkeit zusammenbrechen, dass der Zuschauer nach Fassung ringen muss. Doch auch Michael Shannon meistert seine anspruchsvolle Rolle, die eines psychisch Kranken, welcher ironischerweise der Einzige ist, der die Fassade der Wheelers durchschaut, mit Bravour! Und Kathy Bates sehe ich ohnehin stets als filmische Bereicherung.
„Zeiten Des Aufruhrs“ erachte ich aus diesen Gründen als eines der empfehlenswertesten, tiefgreifendsten Liebesdramen aller Zeiten, das auf ganzer Linie überzeugt und einen Beitrag dazu leistet, den entsetzlichen Konformitätsdruck und die Ausübung von Gewalt gegenüber dem Partner zu überdenken. Sozusagen zwingt es das Publikum, beziehungsrelevante, unangenehme Fragen an sich selbst zu stellen. Hervorragend!
USA / UK – 2008 – 1 Std. 59 Min.
Regie: Sam Mendes
mit Kate Winslet, Leonardo DiCaprio, Kathy Bates, Michael Shannon, Kathryn Hahn, David Harbour, Zoe Kazan
Genre: Ehe-Drama
Black Swan
„Ein abgefahrener, psychosexueller Thriller“ – so lautete damals das Urteil vieler Kritiker in Bezug auf „Black Swan“, dem ich mich uneingeschränkt anschließen kann. Darren Aronofsky ist zwar nicht mein favorisierter Regisseur, gerade weil mir „The Wrestler“ nicht besonders gut gefallen hatte, doch mit seinem fünften Spielfilm hat er all meine vorherigen Erwartungen bei Weitem übertroffen. „The King’s Speech“ sowie „Rabbit Hole“ waren die anderen von mir favorisierten Werke der Oscarsaison 2010/2011, doch „Black Swan“ überflügelte nicht nur sie, sondern nahezu alles, was in dem gesamten Jahrzehnt veröffentlicht worden ist.
Das Potential der mit in der Tat nichts in Relation zu setzenden Story wurde vollends ausgeschöpft. Wohl bewusst startet der Thriller in ruhiger Erzählweise, sodass wir die Protagonisten kennenlernen können. Alle anderen handelnden Personen bleiben jedoch gezielt schemenhaft und schwer durchschaubar. Nina erlebt nach und nach, bedingt durch Versagensängste, Neid sowie dem in der Branche allgegenwärtigen Konkurrenz- und Altersdruck einen wahren Alptraum und steigert sich in die Obsession, als zweigesichtige Schwanenkönigin perfekt sein zu wollen. Beim ersten Kinobesuch dachte ich noch daran, dass man nur dem gewahr wird, was ihr auch wirklich widerfährt – gerade das erhöhte die Spannung ins Unermessliche. Schlussendlich wird jeder zu einem von ihr erdachten Feind – vor allem aber sie selbst. Dass hier, abseits aller Verwirrungen, ein interpretierbares Ende präsentiert wird, erscheint endlich einmal plausibel genau wie die Dialogstruktur, die sich auf das Notwendige, jedoch durchgängig auf den Punkt Gebrachte, beschränkt. Das Aufzeigen der Entfremdung zu Ninas Filmmuter durch die erdachte Transformation in den lasziven, schwarzen Schwan wurde ebenfalls gekonnt bewerkstelligt, was auch auf die Einfügung der sexuellen Elemente zutrifft, welche im Sinne eines Befreiungsschlages eine extravagante Symbolkraft erhalten.
Besonders beeindruckt hat mich die hypnotische Wirkung der Aufnahmen mit Hilfe von Handkameras, welche einem fortwährend das Gefühl gegeben haben, ganz nah an Nina dran zu sein. Hinzu kommen des Weiteren ein aus meiner Sicht perfekter Schnitt sowie Kostüme und Masken, welche ebenfalls einer Nominierung würdig gewesen wären. Auch die Synthese von Tschaikowskys weltberühmten Klängen mit den Kompositionen von Clint Mansell schuf eine dramatische Untermalung des Geschehens. Hier lässt sich auch der wohl bewusst gewählte Wechsel zwischen ruhigen und ohrenbetäubend lauten (Stichwort: Clubszene) Sequenzen nennen, der dafür sorgt, dass man immer nur kurz zur Ruhe kommt. Die Quintessenz ist wohl folgende: Man soll nicht zur Ruhe kommen. „Black Swan“ will aufrütteln und provozieren. Das macht seine Qualität in meinen Augen aus!
Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass Natalie Portman diese verstörende Leistung jemals überbieten wird. Sie war allezeit präsent und ausnahmslos überzeugend, konnte die zunehmende, innere Zerrissenheit sowie das schrittweise Wahnsinnigwerden perfekt sichtbar werden lassen und ihr muss zudem für die körperlichen Anstrengungen Tribut gezollt werden, unabhängig davon, ob sie nun teilweise gedoubelt worden ist – oder nicht. Trotz ebenfalls großartiger Leistungen aller anderen Ensemblemitglieder, allen voran von Barbara Hershey und Winona Ryder, trägt sie den Film von vorn bis hinten und offerierte die komplette Palette menschenmöglicher Emotionen. Das hätte ihr womöglich niemand vorher zugetraut.
Herausgekommen ist zweifellos eine grandiose, ideal abgewogene Genremischung von allumfassender Brillanz und mit Raum für Interpretationen, welche weit mehr als einen Oscargewinn verdient gehabt hätte und das Publikum bis an die Grenzen des psychisch Ertragbaren heraufordert. Unfassbar genial! Danke, Mister Aronofsky!
USA / UK – 2010 – 1 Std. 48 Min.
Regie: Darren Aronofsky
mit Natalie Portman, Vincent Cassel, Barbara Hershey, Mila Kunis, Winona Ryder, Benjamin Millepied, Ksenia Solo
Genre: Psychothriller / Drama
Harry Potter Und Die Heiligtümer Des Todes: Teil 2
(OT: Harry Potter And The Deathly Hallows: Part 2)
Ich erinnere mich noch genau daran, als ich als 11-Jähriger den Trailer des allerersten Harry-Potter-Films in der Fernsehwerbung sah und dachte: „Mh, der Titel kommt dir doch irgendwie bekannt vor?!“ Denn die ersten beiden Bände von Joanne K. Rowling standen bereits ein ganzes Jahr ungelesen in meinem Bücherregal. Dass sich die Wälzer einmal zu meinen Lieblingsbüchern mausern würden, hätte ich da noch nicht absehen können. Die fast zehn Jahre in Anspruch nehmende Verfilmung der sieben Romane endete vor fast drei Kalenderjahren mit einem – wie ich finde – atemberaubenden, bildgewaltigen und nicht steigerbaren Teil 8.
Das Problem des Bösen wird zur ultimativen Klärung aufgerufen – so steht es schon sinngemäß in den biblischen Paulusbriefen und genau dies stellt den Reiz des kürzesten Teils dar, denn noch immer müssen vier vom Dunklen Lord geschaffene Horkruxe vernichtet werden. Eine bedrohliche Spannung durchzog die gesamte plausible, raffiniert ausstaffierte Filmlaufzeit voll von hervorragenden Dialogen. Schon den Beginn, welcher mit dem Stück „Lily’s Theme“ des großartigen Alexandre Desplat unterlegt worden ist, kann ich lediglich mit dem Wort „episch“ bezeichnen. Was ich an dem auf allen Ebenen opulenten Schlussakt des Weiteren besonders schätze, ist die Tatsache, dass man sich hier erneut sehr genau an die literarische Vorlage gehalten hat, was beispielsweise anhand des vierten Teils, der aus meiner Sicht den schwächsten „Potter“ darstellt, leider unzureichend der Fall war. Deshalb ist die schwere Aufgabe, ein logisches Ende zu rekonstruieren, in vollem Umfang – dank der ambitionierten Regieführung David Yates’ – gelungen. Die Ausgewogenheit zwischen Action, Spannung, melodramatischen, teils hochemotionalen sowie feinhumorigen Momenten und einer gewissen Wehmut ist hier gelungen wie in keinem anderen Teil der Reihe. Im Gegensatz zu vielen anderen Kritikern bin ich dankbar, dass die auf den Punkt gebrachte „Schlacht um Hogwarts“ visuell beeindruckend bebeildert, allerdings nicht endlos ausgedehnt worden ist, was eher auf die zeitintensiven Gefechte in „Der Herr Der Ringe“ zutrifft. Man beschränkte sich fokussiert auf die Auflösung der essentiellen Handlungsstränge und widmete ganz besonders Severus Snape drei erhabene, herausstechende Sequenzen. Vor allem die zentrale Denkarium-Szene beispielsweise hätte nicht besser inszeniert werden können, weder emotional noch optisch – und wirkt sicherlich nicht nur bei Fans sehr lange nach. Die Idee, Dumbledore beinahe gottgleich erscheinen zu lassen, gefiel mir ebenfalls außerordentlich gut, gleiches trifft auf die Sequenz zu, in der die gutmütige Molly Weasley sich Bellatrix Lestrange wutentbrannt mit den Worten: „Nicht meine Tochter, du Schlampe!“ entgegenstellt. Ausgehend von der spektakulären Filmmitte rund um die Zerstörung des Schutzwalls konnte die stilsichere Perfektion der Vorgänger nicht nur fortgesetzt, sondern ein Stück weit übertroffen werden und ich bin sicher, dass es in Bezug auf die akribische, detailverliebte und ertragreiche Arbeit von Masken- und Szenenbildnern sowie Kameraleuten und Effektverantwortlichen keiner erläuterenden Worte bedarf. Zumindest ein honorierender Oscar wäre aus meiner Sicht das Mindeste gewesen! Ganz besonders der mit dem Epilog geschlagene Bogen zum allerersten Potter-Film, untermalt von der originalen Williams-Melodie, rührte mich ein weiteres Mal zu Tränen, wohl auch, weil ich wusste, dass nicht nur die Reihe nun ihren Schlusspunkt erlebt, sondern gewissermaßen auch die gesamte Kindheitsphase.
Noch einmal kam das gesamte, eingespielte Ensemble zusammen und ich könnte niemanden benennen, welcher keine authentische, schauspielerische Leistung dargeboten hat, der man als Zuschauer nicht gebannt zuschaut. Daniel Radcliffe und Rupert Grint sind in Bezug auf ihre Überzeugungskraft als Darsteller enorm gereift, Emma Watson agierte schon von Anbeginn als fabelhaftes, frisches Talent, doch man merkt einfach, dass sämtliche Beteiligte noch einmal alles gegeben haben. Hinzu kamen großartige, präsente und krönende Performances von Maggie Smith, Julie Walters, Michael Gambon, Ralph Fiennes, Helena Bonham Carter und ganz besonders Alan Rickman. Die Rolle des Severus Snape muss einfach als Darbietung seines Lebens angesehen werden und es wäre mehr als wünschenswert gewesen, die unbestreibare Raffinesse eines ohnehin unterbewerteten Künstlers stellvertretend für das Franchise entsprechend zu würdigen.
Trotz insgesamt zwölf Oscar-Nominierungen in Nebenkategorien, was an sich schon deutlich zu sparsam erscheint, konnte die Reihe in ihrer Gesamtheit nicht einen Einzigen davon gewinnen und auch dem Finalakt war es nicht vergönnt. Dies mutet bedauernswert und unverständlich zugleich an, denn spätestens die achte Episode dürfte bewiesen haben, welche Expressivität und Relevanz das Fantasygenre beinhalten kann. Mit den Büchern und Verfilmungen wurde für ein Millionenpublikum nicht zuletzt eine ganz eigene Welt geschaffen und nun wurde die lange Reise mit dem Erwachsenwerden der Charaktere einleuchtend beendet. Für die Konklusion dieses Mammutprojekts kann man allen Beteiligten nur aus tiefstem Herzen dankbar sein, weswegen „Harry Potter Und Die Heiligtümer Des Todes: Teil 2“ sich in meinen Augen als vollkommener Abschluss die punktuelle Höchstwertung redlich verdient hat.
UK / USA – 2011 – 2 Std. 10 Min.
Regie: David Yates
mit Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Alan Rickman, Ralph Fiennes, Michael Gambon, Maggie Smith, Julie Walters, Tom Felton, Helena Bonham Carter, Evannah Lynch, Ciarán Hinds
Genre: Fantasy / Abenteuer / Literaturverfilmung