Nachdem der Kalte Krieg offiziell als beendet gilt, suchten die internationalen Geheimdienste verzweifelt nach einem neuen Feindbild, dass es zu bekämpfen heißt. Mit den Anschlägen auf das Wold Trade Center, 9/11, hat der Feind eines bekommen: Es trägt Bart in tritt in Gestalt islamistischer Terroristen auf. Der Krieg gegen den Terror ist damit erklärt, oft sogar legitimiert.
Die Filmhandlung findet in Hamburg im Jahr 2012 statt: Der russisch-stämmige Tschetschene Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) kommt in die Hansestadt, um aus einem Bankschließfach das illegale Vermögen seines russischen Vaters zu entnehmen. Mit seiner geschundenen Erscheinung weckt er die Hilfsbereitschaft der engagierten Junganwältin Annabel Richter (Rachel McAdams), die sich fragt was wirklich in dessen Heimat passiert ist und ob er tatsächlich derjenige ist für den er sich ausgibt und welche Rolle eigentlich der zwielichtige Banker Tommy Brue (Willem Dafoe) in der ganze Angelegenheit spielt?
Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman in seiner letzten kompletten Kinorolle), Leiters einer deutschen halboffiziellen Spionage-Einheit) bleibt Karpovs Persona genauso wenig verborgen, wie der CIA-Außenstelle in Gestalt von Martha Sullivan (Robin Wright). Beide verfolgen ihr Ziel der Terrorbekämpfung mit unterschiedlichen Methoden in der russisch-stämmige Tschetschene ins Fadenkreuz gerät.
Bereits in diesen ersten Einstellungen signalisiert Regisseur Anton Corbijn (CONTROL und THE AMERICAN) deutlich, welche Linie sein dritter Spielfilm A MOST WANTED MAN einschlagen wird: Die nächsten zwei Stunden werden langsam, werden grau und werden kalt. Das transportieren wenige Bilder, die gänzlich nonverbal eine große Wirkung erzeugen. Die visuelle Brillanz kann aber leider die langatmige Erzählweise kaum hinwegtrösten. Wie auch schon bei „Tinker Tailor Soldier Spy“ vom Thriller Experte John le Carré, ist es das große Manko das niedrige Tempo, dass dem Zuschauer einiges an Sitzfleisch abverlangt, dabei ist die Handlung und der ermittelnde Hauptfigur im Grunde sehr interessant. Vor allem hat mir die Darstellung unterschiedlicher „Ermittlungsmethoden“ gegen die unter Generalverdacht stehenden Anhänger des Islams gefallen. Auch die Versinnbildlichung von Karpov als „kleinen Fisch“, der zu dem „größeren Fisch“ führen soll und sich langsam ein komplexes Geflecht aus konkurrierenden Nachrichtendiensten bildet, die Karpov als Spielball benutzen, kam vortrefflich rüber. Dass dabei unlautere Methoden verwendet werden, versteht sich wohl von selbst. Da wirkt auch die Rechtfertigung des großen Ganzen, immer mit dem Ziel die Welt zu einem sichereren Ort zu machen, irgendwann wie eine schwer Phrase, die nur benutzt wird um zu legitimieren, dass Geheimdienste im Grunde auch schon zu Institutionen geworden sind die Quartalszahlen liefern müssen, ansonsten droht die Strafversetzung, wie sie auch schon unsere Hauptfigur zu spüren bekommen hat. Gerade nach den jüngsten NSA-Skandalen ist A MOST WANTED MAN der richtige Film zur richtigen Zeit, der weniger sperrig erzählt, ein wirklich guter Film hätte werden können.
Wer wie ich keine schnellen Schnitte oder tösendes Finale braucht wird dem Werk aber durchaus viel Positives abgewinnen können. Eines ist der beklemmende, großartigen Score aus Herbert Grönemeyers Feder, der auch einen Kurzauftritt hat und als einer der wenigen Deutschen ausgerechnet einen Amerikaner spielt, wenn auch vorzüglich. Die anderen Charaktere neben dem großartigen Philip Seymour Hoffman bleiben leider etwas blass, welches aber vor allem dem Drehbuch und den wenigen Dialogen geschuldet ist. Hier hätte man in die Tiefe arbeiten können. Gerade wenn man seine Rollen mit deutschen Ausnahmeschauspielern wie Nina Hoss und Daniel Brühl besetzen kann, wünscht man sich mehr vom Arbeitsmaterial für die Darsteller.
Am Ende meiner Kritik möchte ich mich danke sagen und mich von einem der facettenreichsten Schauspielern, der jemals gelebt hat verabschieden. Ja sie Mr. Hoffman, dessen Präsenz jeden Film bereichert hat und der in A MOST WANTED MAN in der Schlussszene den letzten Handlungsort verlässt, noch eine Weile zerstört und niedergeschlagen von den jüngsten Ereignissen im Auto verweilt, um sich zu sammeln um langsam aus dem Sichtfeld der Kamera, in die Unschärfe hinein, hinaus aus der Leinwand zu schreiten. Doch in diesem Moment ist es nicht mehr Günther Bachmann, der aus dem Bild geht, es ist Hoffman, der die Bühne verlässt – für immer. Der Vorhang fällt. Die Credits beginnen. Die Zeit des Abschieds ist gekommen. Mach´s gut Philip, wo immer Du jetzt bist!