Shirley – Visionen der Realität (Der Maler Edward Hopper in 13 Bildern)

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Wenn „Shirley“ gleichwohl nicht der beste Film ist den ich beim Festival gesehen habe, so ist er zumindest der visuell ungewöhnlichste und beeindruckendste. Der österreichische Regisseur und Autor Gustav Deutsch hat nämlich 13 Bilder des amerikanischen Malers Edward Hopper bis ins kleinste Detail als Bühne nachgebaut und lässt die Figuren darin zum Leben erwecken. Und verpasst dem Begriff des „Tableau vivant“ damit eine völlig neue Bedeutung.

Ich bin zugegeben kein großer Kunstkenner und hatte von Hopper vor dem Durchforsten des Programmheftes sogar noch nie gehört. Die Beschreibung hat mich aber definitiv neugierig gemacht und so habe ich mich daraufhin ein wenig in die Materie eingelesen.
Hopper zählt zu den wichtigsten Vertretern des sogenannten „Amerikanischen Realismus“ und zeigt in seinen Bildern oftmals die Einsamkeit der Menschen in der hochtechnisierten Welt, und das bereits lange vor „Facebook“ und Konsorten.

Deutsch hat für seinen Film nun 13 Bilder aus einer Entstehungsperiode von über 30 Jahren herausgesucht und erzählt anhand dieser das Schicksal der jungen aufstrebenden Schauspielerin Shirley (Stephanie Cumming), parallel zu wichtigen Ereignissen der amerikanischen Geschichte, welche durch kurze Schnipsel fiktiver, jedoch faktentreuer Radionachrichten zu Beginn des jeweiligen Tableaus vorgetragen werden. Das Jahr in dem der Film gerade spielt entspricht dabei auch dem Entstehungsjahr des jeweiligen Bildes. Ein besonderer Kniff ist, wie beim Liebesdrama „Zwei an einem Tag“, dass alle Szenen an einem bestimmten Datum spielen, hier dem 28. August des jeweiligen Jahres (nur der letzte Tag soll ein anderer sein!) Umrahmt wird die Handlung dabei vom letzten Bild aus dem Jahre 1965. Die Handlung setzt am 28. August 1931 in einem Hotelzimmer in Paris ein.

Die Grundidee ist wirklich fantastisch. Die Szenerie des Originalbildes wird zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Szene immer genau aufgegriffen, ansonsten können sich die Akteure darin aber frei umherbewegen. Das Bild wird so zur kleinen Theaterbühne.
Die Ausstattung ist dabei, im Wortsinne, ein echtes Kunstwerk. Die Übergänge von Requisiten und Bildmasken sind fließend, die Kostüme, Möbel, Farb- und Lichtstimmung entsprechen exakt dem des Originalbildes. Würde man das Filmbild und das Original nebeneinander betrachten fiele einem wohl kaum ein Unterschied auf (siehe unten).

Die eigentliche Lebensgeschichte von Shirley ist dagegen eher unspektakulär und wird leider auch entsprechend belanglos in Szene gesetzt. Die einzelnen Tableaus wirken daher manchmal groteskerweise beinahe leblos und statisch.

Am Ende hat man zwar eine tolle bewegte Kunstausstellung gesehen, aber leider nur einen schwachen, zu behäbig erzählten Film. Art-House im wahrsten Sinne des Wortes.


Österreich – 2013 – 1 Std. 33 Min.
Regie: Gustav Deutsch
mit Stephanie Cumming, Christoph Bach, Florentín Groll, Elfriede Irrall, Tom Hanslmaier & Till Hagen (Stimme)
Genre: Kunst-Film

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