Bevor die meisten der filmpreisrelevanten Produktionen anlaufen werden und ich mich ein weiteres Mal den von mir heißgebliebten Historienfilmen zuwenden werde, möchte ich euch in Kürze meine subjektive Sicht auf vier Werke, die es heute in Summe auf 14 Golden-Globe-Nominierungen gebracht haben, nicht vorenthalten – diesmal jedoch (entgegen meiner Handschrift) kurz und bündig. 🙂
Interstellar
Nolans langwierig entstandenes Werk habe ich bereits vor einigen Wochen gesehen, mich aber mit meiner Bewertung aufgrund der damals beinahe ausgearteten Debatte bewusst vorerst zurückgehalten, um nicht noch Öl ins Feuer zu gießen. Entgegen der Prophezeiung von Heiko, dass man „Interstellar“ entweder nur lieben oder hassen kann, möchte ich mich genau mittig zwischen den Extremen positionieren, denn Vorzüge und Mängel halten sich in etwa die Waage. Der Science-Fiction-Streifen ist vor allem akribisches und aufwendiges Blockbuster-Kino, das grundlegend von seiner technischen Gestaltung lebt und eine überaus interessante, bedürfnis- wie zukunftsorientierte Thematik aufgreift. Allerdings hat man es hier für mein Gefühl in fast allen Belangen etwas zu gut gemeint. Sowohl die stark forcierten philosophischen Aspekte, die immense Laufzeit, sämtliche Gestaltungselemente (wie der hektische Schnitt) haben einen zeitweilig doch extrem erschlagen. An den visuellen und akustischen Effekten, Zimmers opulenten Kompositionen und der teils hypnotischen Kameraarbeit kann man demgegenüber nicht meckern. Wiederholt wirkten jedoch insbesondere die emotionalen Komponenten des Films wegen unausgereifter Personenentwicklungen verhältnismäßig aufgesetzt und deplatziert, während ich viele der überambitionierten Handlungsabläufe in der Tat schlichtweg nicht verstanden habe. Ob dies meinem Desinteresse an technischen Belangen oder aber einer insgesamt zu umfangreichen Komplexität angelastet werden muss, vermag ich nicht zu beurteilen, fest steht jedoch, dass mich die Sichtung insbesondere in der zweiten Hälfte zunehmend angestrengt hat. Ich kritisiere dabei – das möchte ich betonen – nicht die etwaigen, in diesem Genre wohl unausweichlich zur Diskussion stehenden, intentionierten Logiklöcher, sondern vorrangig das unbeirrte Fernbleiben vom jeweiligen Publikum. Darstellerisch stechen eindeutig Jessica Chastain und Michael Caine mit sehenswerten Auftritten heraus, Anne Hathaway und Matthew McConaughey machten ihre Sache wie der Rest des Ensembles durchschnittlich – nicht mehr und nicht weniger. Auf rein effektbezogener Ebene ist „Interstellar“ ein absoluter Geniestreich, doch leider verließ er mein Gedächtnis doch relativ schnell wieder – und das ist etwas, das ihn beispielsweise von „Gravity“ sehr stark unterscheidet – auch wenn es mir beinahe leid tut, erneut diesen filmischen Vergleich anzustellen zu müssen. Einige technische Oscarnominierungen werden sicherlich folgen. An mehr glaube ich allerdings nicht, denn Nolan hat aus meiner Sicht einfach zu viel gewollt und dabei zu wenig Substantielles erreicht.
Boyhood
Es ist sicherlich keine Seltenheit, wenn Filmschaffende einen langen Zeitraum bis zur (technischen) Fertigstellung eines Films benötigen, wohl aber, wenn die Drehzeit rund zwölf Jahre in Anspruch nimmt. Die einzigartige, experimentelle Besonderheit von Richard Linklaters „Boyhood“, für den es von Beginn an kein vorhersagbares Skript gab, hängt kontinuierlich mit der engen Synopse zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit zusammen, weswegen man als Zuschauer die Möglichkeit hat, sich intensiver als sonst mit einem Protagonisten zu identifizieren. An dem meisterhaften Drehbuch voll von lebensnahen, teils eigens von der Darstellern eingebrachten Dialogen und einer bewusst schlichten Dramaturgie merkt man dem zutiefst echten Porträt das jahrelang investierte Herzblut äußerlich wie innerlich an, weswegen die Vita eines jungen Individuums eindrucksvoll nachgezeichnet wird, welches von Hürden, Erfahrungsgewinn und kleinen Besonderheiten geprägt ist, gleichermaßen natürlich auch von vielen Unbesonderheiten… Genau diese Botschaft zeigt uns, was die menschliche Existenz des ersten Lebensviertels bis zur altersbezogenen Mündigkeit ausmacht. Es muss bedauert werden, dass die großen Filmpreisverleihungen keine Nachwuchsleistungen (mehr) auszeichnen, denn Ellar Coltrane liefert hier eine eindrucksvolle, ungekünstelte Leistung und reift wortwörtlich mit seinem Alter heran. Patricia Arquette ist es jedoch, die sich zu Recht die meisten Lorbeeren verdient hat, denn sie ist mit der Rolle der Filmmutter komplett verwachsen und in jeder Phase absolut überzeugend, vielschichtig und dabei stets präsent. Auch Ethan Hawke hat mir nach „Before Midnight“ erneut gut gefallen, wenngleich ich nicht glaube, dass er letztlich auch auf der Nominierungsliste der Academy landen wird. Entstanden ist ein einzigartiger, bezaubernder, unkonventioneller und nicht zuletzt sehr intimer Film von hoher Authentizität und Relevanz, der für meinen Geschmack unglücklicherweise etwas zu sehr unter seinem seltsam anmutenden Schluss sowie einigen, zwischenzeitlichen Langatmigkeiten leidet, die verhindern, das ich ihn als Meisterwerk deklarieren würde. Dennoch haben die fünf errungenen Golden-Globe-Nennungen zweifellos ihre Berechtigung.
Gone Girl – Das Perfekte Opfer (OT: Gone Girl)
Den vor wenigen Stunden für vier Golden Globes nominierten Thriller unter der Regie David Finchers habe ich ebenfalls schon vor einigen Wochen gesehen, doch er ist mir weitaus besser in Erinnerung geblieben als „Interstellar“. Zum einen liegt das an der durchgängigen Aufrechterhaltung einer sehr kennzeichnenden Spannung, die ungemein viele überraschende Wendungen für den Zuschauer bereithält. Wie der Spiegel urteilte, seien „Ironie und Grausamkeit, Zärtlichkeit und Terror…“ adäquat und anmutig wie düster „…ins Verhältnis“ gesetzt worden, was an der verschlungenen Erzählweise und an einer intelligent eingesetzten Arbeit der Kameraleute und Cutter liegt. Vor allem die Schilderung einer ausgearteten, modernen Partnerschaft, bei der man vermutlich nie alles vom jeweiligen Gegenpart weiß, ist ebenfalls eindrucksvoll gelungen. Allerdings bildet der für mein Empfinden unbefriedigende Schluss den großen Knackpunkt, denn angesichts der klimaxartigen Dramaturgie hätte ich mehr erwartet. Zwar sind auch die Klänge von Reznor & Ross noch immer nicht nach meinem Geschmack, doch ich muss anerkennen, dass die düstere Thriller-Stimmung vor allem der akustischen Gestaltung zu verdanken war. Die beiden Hauptdarsteller lieferten in ihren fein gezeichneten, psychologischen Skizzen beiderseits nachhaltige, facettenreiche Akzente, doch unglücklicherweise nicht durchgängig. Rosamund Pike ist unbestreitbar das herausstechende, darstellerische Highlight, ob es jedoch für eine Oscarnominierung reicht, wage ich derzeit noch zu bezweifeln. Dagegen agierte Neil Patrick Harris meiner Meinung nach ebenfalls überraschend stark und trug mit seiner Ausdruckskraft zu einer der denkwürdigsten Szenen bei, auch wenn man sich (wie meine Vorredner bereits betonten) für eine kurze Weile daran gewöhnen muss, in ihm nicht als Barney Stinson zu sehen. „Gone Girl“ ist folglich ein hochspannender, gut durchdachter Film – keine Frage! An „Der Seltsame Fall Des Benjamin Button“ und „Fight Club“, meine persönlichen Lieblinge des Regisseurs kommt er aus meiner Sicht aber nicht heran.
Grand Budapest Hotel (OT: The Grand Budapest Hotel)
„Grand Budapest Hotel“, inspiriert von Erzählungen Stefan Zweigs, sah ich trotz seines frühen Starttermins erst letzte Woche – aufgrund von vielen berauschenden Kritikermeinungen auch mit entsprechend hohen Erwartungen. In vielen Belangen möchte ich mich dem positiven Echo anschließen, denn der Film bietet tatsächlich eine Palette „…aus geschmackvoll schrillen Farben, herrlich exzentrischen Kostümen und majestätischen Gebäuden, gesegnet mit hübscher Natur.“ Malerische Ecken der Tschechischen Republik boten die perfekte Kulisse für Zubrowka, gelegentlich waren mir sowohl die Gestaltung als die Handlung im Generellen aber doch eine Spur zu überzuckert, absurd und auf der Humorebene doch reichlich speziell – selbst für eine Komödie dieser Machart. Trotz seines Temporeichtums fand ich ihn jedenfalls nicht durchgängig lustig, doch darüber tröstet einen unter anderem die erneut gelungene filmmusikalische Untermalung des Genies Alexandre Desplat hinweg. Unverkennbare Vorzüge sind des Weiteren die größtenteils unaufdringliche Situationskomik, die Dialogisierung und natürlich unzählige charmante Darstellerauftritte inmitten eines imposanten Starensembles. Ralph Fiennes hat sich seine Golden-Globe-Nominierung verdient, denn er spielte die Rolle mit Charisma und Einfallsreichtum – wenngleich eine Oscarnominierung schon aufgrund der übergroßen Konkurrenz nicht gerechtfertigt wäre – doch auch Tilda Swinton, Jude Law und Bill Murray merkte man ihre jeweilige Spielfreude spürbar an. Aufgrund der skurrilen Charaktere und einer wahnsinnig detaillierten Aufmachung bietet Wes Andersons neueste Produktion nicht zuletzt eines: Kunterbunte Kurzweile. Der für Komödien so essentielle Funke ist allerdings nicht vollends übergesprungen, weswegen mir vier Golden-Globe-Nennungen ebenfalls leicht überzogen erscheinen, doch es zeugt von Weitsinn, dass die Abstimmungsberechtigten sich an einen Film, der bereits im Februar anlief, in diesem Maß erinnerten. Eine Oscarnominierung für das Szenenbild sehe ich darüber hinaus als nahezu gesetzt an.