Der Große Trip – Wild (OT: Wild)

 

Wild

Nachdem mir „Unbroken“ gut gefallen hat und „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ sowie „Whiplash“ meine derzeitigen Saisonlieblinge darstellen, war es wohl nur eine Frage der Zeit bis einer der diesjährigen Oscaranwärter mich zwar nicht verärgert, dafür allerdings ziemlich unzufrieden zurückließ, was wohl auch meinen hohen Erwartungen zu schulden ist. In „Der Große Trip – Wild“ erzählt der Kanadier Jean-Marc Vallée eine wahre und ambitionierte, dem Typus des Roadmovies zuzurechnende Geschichte. Diese konnte mich aber aus ähnlichen Gründen wie im Falle seines Vorgängerfilms „Dallas Buyers Club“, der bei mir ebenfalls auf wenig Gegenliebe traf, summa summarum nur vereinzelt fesseln…

Verbunden mit kontinuierlich eingefügten Rückblenden erhält der Zuschauer einen Einblick auf das schicksalhafte Leben von Cheryl Strayed, die sich wegen zahlreicher emotionaler Rückschläge auf die 2000 Kilometer lange Wanderung durch die Wildnis entlang des Pacific Crest Trails und dabei zu sich selbst findet. Nach einem wirklich Interesse weckenden und grandios arrangierten Start fällt die Handlung doch schnell in Aktionsarmut ab. Dadurch wird deutlich, dass ein wirklicher Spannungsbogen fehlt, welcher der generell ansprechenden, spirituellen Geschichte nachfühlbare oder aber spannende Komponenten verschafft. Die unbeschönigende Ehrlichkeit der Inszenierung, auch bebildert von den (zu spärlichen) Dialogen voller Lebensnähe bildet den größten Vorzug, im Gegenzug sind es jedoch insbesondere Cheryls Selbstgespräche, die leider recht aufgesetzt und deplatziert erscheinen, gleiches trifft auf symbolhafte Augenblicke zu – exemplarisch sei die „Stöhnszene“ angeführt. Wegen der fortwährenden Besinnung auf Vergangenes wird zwar kontrastreich in die Seele der Leitfigur eingedrungen, aber letztlich auch die angestrebte Botschaft, und zwar die Zukunftsorientierung, verdunkelt. Lobend anerkannt werden muss freilich, dass die technische Gestaltung rund um die imposant-elegisch fotografierten Naturaufnahmen fruchtete und auch mir auch variable Musikzusammenstellung – insbesondere die sich wiederholende Einsetzung von „El Condor Pasa“ – gefallen hat, aber diese Aspekte machen den „großen Trip“ dennoch nicht zu einem psychologischen Erlebnis, das dauerhaft im Gedächtnis zu bleiben vermag. Trotz einer gesteigerten Relevanz wirkt die Intention mehrfach abrupt übertrieben melodramatisch, was dem etwaigen Gesamteindruck widerspricht und mich zur Frage führte, was genau uns das Machwerk eigentlich implizieren möchte…

2

Wenngleich ich Witherspoon sehr oft verteidigt habe und sie mich zwischenzeitlich durch ihr Mitwirken in „Walk The Line“, „Wasser Für Die Elefanten“ und „Machtlos“ davon überzeugt hat, dass sie imstande ist, unterschiedliche Rollentypen facettenreich zu verkörpern, muss ich von einer mittleren Enttäuschung sprechen. Dass sie in „Wild“ einige äußerst starke, ungeschminkte und intensive Momente liefert, möchte ich nicht in Abrede stellen, dennoch gab es ebenso viele Sequenzen, in der es ihr enorm an Glaubwürdigkeit und Präsenz fehlte. Ich hatte mir angesichts des Trailers mehr versprochen, sodass ihre Performance ausreicht, einen Kurzfilm zu füllen – nicht aber einen auf sie zugeschnittenen Zweistünder. Der Nominierungsplatz hätte leistungsbezogen schätzungsweise eher Amy Adams, Jessica Chastain oder eventuell sogar Hilary Swank „zugestanden“. Neben dem Fehlen darstellerischer Konkurrenz wurde Laura Dern wohl – so jedenfalls meine These – vorrangig deswegen nominiert, weil ihrem Vater im vergangenen Jahr Selbiges zuteil wurde und die Academy darüber hinaus gern Akteure nominiert, deren letzte Nennung schon Ewigkeiten zurückliegt. In ihren schätzungsweise acht Filmminuten spielt sie zwar bestrebt, aber keinesfalls so bahnbrechend und nachdrücklich, dass sie in irgendeiner Bestenliste auftauchen sollte. Die Riege der üblichen Schauspieler weiß ebenfalls in den jeweiligen schemenhaften Rollenbildern nur bedingt zu überzeugen.

3

Cheryl Strayeds Werdegang mag zweifelsohne überaus erzählenswert gewesen sein, doch das Resultat kommt nach zwei Sichtungen nicht über eine durchschnittliche Selbstfindungsstudie hinaus, der es an Verdichtung mangelt. Vallées dritte Hollywood-Produktion ist natürlich keine ganzheitliche Katastrophe, nichtsdestotrotz taugt sie größtenteils als sachliche Naturdokumentation, doch leider nur in Ansätzen als das von vielen Kritikern angepriesene, exzellente und zweifach oscarnominierte Coming-of-Age-Drama.

USA 2014 - 115 Minuten Regie: Jean-Marc Vallée  Genre: Drama / Biographie Darsteller: Reese Witherspoon, Laura Dern, Thomas Sadoski, Michiel Huisman, Gaby Hoffmann, Kevin Rankin, Earl Brown, Brian van Holt, Nick Eversman
USA 2014 – 115 Minuten
Regie: Jean-Marc Vallée
Genre: Drama / Biographie
Darsteller: Reese Witherspoon, Laura Dern, Thomas Sadoski, Michiel Huisman, Gaby Hoffmann, Kevin Rankin, Earl Brown, Brian van Holt, Nick Eversman
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