Um es eingangs vorwegzunehmen, zähle ich mich keinesfalls zu den enthusiastischsten Anhängern der bisherigen Produktionen von Iñárritu, denn abgesehen von „Biutiful“ vermochten es weder „21 Gramm“ oder „Babel“ noch „Birdman“ mich vollends vom Hocker zu reißen oder mir längerfristig im Gedächtnis und Herzen zu bleiben. Diesmal präsentiert er uns eine zunächst befremdlich anmutende Mixtur aus insgesamt annähernd fünf verschiedenen Genres, die ein volles Dutzend an Oscarnominierungen einheimste, was zuletzt „Lincoln“ vor drei Jahren gelang. Angesichts dessen mischten sich Neugier und Skepsis, doch letztlich zog mich DiCaprio bereits im Trailer analog zu Massen an Kinobesuchern in den nicht gerade massentauglichen Streifen.
Fakten- und literaturbasiert erzählt „The Revenant“ die beeindruckende und stellenweise atemlos spannende Geschichte des bereits totgeglaubten Wildjägers Hugh Glass inmitten der Rocky Mountains des frühen 19. Jahrhunderts und stellt nicht nur wegen des zeittypisch reaktionären Geschlechterbildes einen wahren Männerfilm dar. Die herbe Inszenierung lebt entscheidend von der scheinbaren Antagonie der natürlichen, unberührten Schönheit der grandios fotografierten und in Szene gesetzten Landschaften und der Eiseskälte der Handlung mit nur wenigen emotionalen Andeutungen. Sämtliche Stilmittel wie Kamera, Schnitt, Ton, eine grandiose, beinahe schockierend realistische Arbeit der Maskenbilder sowie eine ganz andere, subtile und auf Einzelszenen konzentrierte Art visueller Effekte greifen dabei bestmöglich ineinander und erzeugen im Zusammenspiel mit einer Handlung voll von Motiven wie einem unbändigen Überlebenswillen und Satisfaktion eine selten gesehene, raue Atmosphäre und zudem eine enorme Bildgewalt. Der Knackpunkt lag aus meiner Sicht allerdings daran, dass einem die Charaktere, verstärkt durch die Dialogarmut ungemein fremd bleiben, worin wohl auch der Hauptgrund liegen dürfte, dass speziell das Drehbuch von Seiten der Academy unberücksichtigt blieb, andererseits passte dies wiederum zur konsequenten Gesamtintention des Werkes, das jedoch trotz allen genannten Vorzügen mindestens zwanzig Minuten zu lang geraten ist. Wenngleich ich DiCaprio nach wie vor lieber in sensibel angelegten Rollen sehe und für eine Leistung à la „Zeiten Des Aufruhrs“ hätte triumphieren sehen wollen, wird ihm die von seiner Seite nie bewusst angestrebte Oscarstatuette für die in vielerlei Hinsicht ekstatische, couragierte und animalische Verkörperung des Trappers im fünften Anlauf zu Recht nicht zu nehmen sein und dürfte ihm physisch und psychisch an seine Grenzen gebracht haben. Ferner hat Tom Hardy analog zum Hauptdarsteller einen starken, kaltschnäuzigen und dauerpräsenten Auftritt als Antagonist, den man so richtig hassen kann, geliefert und sich seine erste Honorierung wortwörtlich hart erkämpft, was darüber hinaus den Umstand aufzuwiegen vermag, dass ich im Kontrast zu seiner Darbietung und der von Domhnall Gleeson mit der verhältnismäßig blassen Performance von Will Poulter recht wenig anfangen konnte.
„The Revenant“, der Survival-Trip des Jahres, mag für mein Empfinden zwar kein ultimatives Meisterwerk sein oder aber nicht durchgängig meinen individuellen Präferenzen entsprechen, dennoch hat er durch seine geradlinige Machart und handwerkliche Perfektion einen weitaus größeren Eindruck hinterlassen als die Vorgängerwerke des Mexikaners, weswegen ich sowohl die Intention als auch den Erfolg anerkenne. Sollte der Film in der Hauptkategorie als Sieger hervorgehen und dahin ist er auf dem besten Wege, wäre es das erste Mal seit „Titanic“, dass ein Werk ohne Skriptnennung gewinnt, worin eine interessante Spitzfindigkeit liegen würde. Insbesondere dann, wenn man als Zuschauer nicht in der besten Stimmung ist, dient das visuell berauschende Werk zudem regelrecht als Ventil zum Abreagieren.