Mein Oscars Roundup 2015/16

Oscars 2016 Roundup


Wie bereits in den vergangenen Jahren möchte ich auch heute kurz vor den Oscars noch ein kleines Roundup mit Kurzkritiken zu den „wichtigsten“ nominierten Filmen veröffentlichen. Beginnen werde ich dabei traditionell mit den acht Best Picture-Kandidaten und im Anschluss gehe ich noch auf die restlichen Kandidaten in weiteren wichtigen Kategorien ein.
Viel Spaß beim lesen!


Bridge of Spies – Der Unterhändler (OT: Bridge of Spies)

Bridge of Spies 1

Der englischstämmige KGB-Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) wird 1957 in New York vom FBI gestellt und soll in einem schnellen Prozess zum Tode verurteilt werden. Um den Schein eines fairen Prozesses zu wahren wird Abel mit James Donovan (Tom Hanks) ein erfahrener Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, der zuletzt jedoch vermehrt als Versicherungsanwalt tätig war. Donovan, der an die unabdingbare Fairness des Systems glaubt, spielt bei dem Schauprozess allerdings nicht mit und verteidigt seinen Mandanten wie einen angeklagten US-Bürger. Doch damit schafft er sich auch Feinde in den eigenen Reihen. Donovan nimmt dies aber in Kauf, zumal er fest daran glaubt, dass Abel noch im Zuge eines eventuellen Agenten-Austausches von Nützen sein könnte, was dann tatsächlich auch so eintritt…

Steven Spielberg gelingt mit „Bridge of Spies“ ein absolut sehenswerter Spionage-Thriller alter Schule, der sowohl in technischer, wie darstellerischer Hinsicht keine Wünsche offen lässt. Stellenweise wird zwar sehr viel Pathos aufgetragen, aber das erwartet man von einem Spielberg ja auch eigentlich. Am Drehbuch waren übrigens die Coen-Brüder beteiligt, deren Einfluss auch merklich zu spüren ist. So werden viele Szenen durch feinen Humor aufgewertet, der „Bridge of Spies“ von üblicher Standardware abhebt. Besonders deutlich fällt dies in den Szenen in Ost-Berlin auf. Hier gefiel mir auch das Cameo von Burghart Klaußner sehr gut, der mich ein wenig an John Cleese zu Monty Python-Zeiten erinnerte.
„Bridge of Spies“ ist für 6 Oscars nominiert, darunter Film und Drehbuch, sowie Rylance als Nebendarsteller. Am Ende dürfte er aber wohl leer ausgehen, die einzig echte Chance hat nur Mark Rylance als Bester Nebendarsteller, da dieses Feld noch am offensten von allen ist.


USA/D- 2015 – 2 Std. 22 Min.
Regie: Steven Spielberg
mit Tom Hanks, Mark Rylance, Scott Shepherd, Amy Ryan, Sebastian Koch, Alan Alda, Austin Stowell, Eve Hewson, Max Mauff & Burghart Klaußner
Genre: Drama, Biopic


Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten (OT: Brooklyn)

Brooklyn 1

Die junge Irin Eilis Lacey (Saoirse Ronan) möchte aus ihrer spießigen kleinen Welt ausbrechen und bekommt über den Pfarrer des Ortes an eine Arbeitsstelle in einem Warenhaus in Brooklyn, New York. Dort lebt sie in einem Boarding House unter der Führung der strengen, wie fürsorglichen Mrs. Kehoe (Julie Walters). Nach kurzer Zeit lernt Eilis den italienisch-stämmigen Tony Fiorello (Emory Cohen) kennen und die beiden verlieben sich, doch Eilis packt das Heimweh, bis sie eines Tages eine schlimme Nachricht aus der Heimat erreicht…

„Brooklyn“ ist definitiv der romantischste Film des Jahres, der einen zum Lachen, zum Weinen und zum Träumen bringt. Ronan spielt die Rolle der einfühlsamen, wie leidenschaftlichen Eilis meisterhaft, ihre Nominierung ist hochverdient. Aber auch Cohen kann als herzensguter Tony wunderbare Akzente setzen und hätte in einem schwächeren Männerjahr gerne von der Academy bedacht werden dürfen. Zudem muss man auch die wunderschöne Kameraarbeit von Yves Bélanger, sowie den perfekt mit den Bildern harmonierenden Score von Michael Brook loben. Ein Film für alle Sinne und das Herz.
„Brooklyn“ ist für 3 Oscars nominiert, wird jedoch heute in allen Kategorien leer ausgehen.


UK/Irland/Kanada – 2015 – 1 Std. 52 Min.
Regie: John Crowley
mit Saoirse Ronan, Emory Cohen, Domhnall Gleeson, Jim Broadbent, Julie Walters, Bríd Brennan, Jane Brennan, Fiona Glascott & Jessica Paré
Genre: romantisches Drama


Der Marsianer – Rettet Mark Watney (OT: The Martian)

Der Marsianer 3

Die Crew der dritten bemannten Mars-Expedition gerät auf dem roten Planeten in einen Sandsturm, bei dem der Bio-Ingenieur Mark Watney (Matt Damon) von der Gruppe getrennt und sein Raumanzug beschädigt wird. Den Anderen bleibt keine Wahl als Mark zurück zu lassen, wenn sie nicht auch umkommen wollen. Und so begibt sich die Crew unter dem Kommando von Melissa Lewis (Jessica Chastain) auf den Heimweg zur Erde. Doch Mark überlebt und entwickelt eine Strategie, wie er auf dem Mars Essen für vier Jahre anbauen kann und Kontakt zur Erde wiederherzustellen…

Die halbe Welt hatte sich nach der Verkündung der Golden Globe-Nominierungen schlapp gelacht, weil „Der Marsianer“ in der Kategorie Komödie nominiert wurde. Nach der Sichtung des Films konnte ich jedoch ein wenig nachvollziehen, warum er dort gelandet ist. Natürlich ist „Der Marsianer“ eher ein klassisches Science-Fiction-Drama, wobei die Betonung eindeutig auf Science und nicht auf Fiction liegt. Doch gerade die Szenen mit Matt Damon sind in der Tat über weite Strecken urkomisch und dienen als willkommener comic relief. Ansonsten lässt sich die Story als gelungene Kreuzung aus „Cast Away“, „Apollo 13“ und „Interstellar“ beschreiben, die jedoch immer ihren eigenständigen Charakter bewahrt und nie direkt abkupfert.
Matt Damon ist natürlich das große darstellerische Highlight des Films, er liefert über weite Strecken eine umwerfende One-Man-Show ab. Leider hat er das Pech in einem sehr starken Männerjahr am Start zu sein, deshalb ist seine Nominierung schon ein Gewinn. Neben Damon und der tollen Regie von Ridley Scott, der leider nicht berücksichtigt wurde, lebt „Der Marsianer“ auch vom wunderschönen Score aus der Feder von Harry Gregson-Williams, der ebenfalls nicht nominiert wurde.
Trotz dieses Snubs konnte „Der Marsianer“ ganze 7 Oscar-Nominierungen einstreichen, u.a. auch für Film und adaptiertes Drehbuch. Aber auch er wird wohl überall leer ausgehen.


USA – 2015 – 2 Std. 24 Min.
Regie: Ridley Scott
mit Matt Damon, Jessica Chastain, Kate Mara, Michael Peña, Jeff Daniels, Chiwetel Ejiofor, Sean Bean, Kristen Wiig, Aksel Hennie, Sebastian Stan, Benedict Wong, Donald Glover & Mackenzie Davis
Genre: Science-Fiction, Drama, Komödie


Mad Max: Fury Road

Mad Max Fury Road 5

Siehe hierzu meine ausführliche Kritik.
„Mad Max: Fury Road“ ist für insgesamt 10 Oscars nominiert und dürfte vor allem in den technischen Kategorien auch der große Abräumer werden.


Raum (OT: Room)

Raum 1

Über diesen Film solltet ihr im Vorfeld nichts lesen und keine Trailer schauen, sondern euch einfach überraschen lassen. Denn „Raum“ ist der vom Sujet mit Abstand stärkste, aber auch bewegendste Film des Jahres. Ein kleines Meisterwerk, das aber phasenweise sehr stark an die Nieren geht. Dies ist daher kein Film für mal so nebenher, man muss sich darauf einlassen.
Brie Larson, die mich schon als Serientochter von Toni Collette in „Taras Welten“ beeindruckt hatte, liefert mit „Raum“ eine unfassbar starke Tour-de-force-Performance ab, für die sie heute Nacht vollkommen zurecht den Oscar als Beste Hauptdarstellerin mit nach Hause nehmen darf. Ihr Filmsohn Jacob Tremblay spielt zudem nicht minder eindrucksvoll, hatte aber wie Emory Cohen das Pech zu starke Konkurrenz um sich zu haben. Hätte es Tremblay geschafft, wäre „Raum“ übrigens der erste Film seit „Das Schweigen der Lämmer“ gewesen, der in den sogenannten „Big Five“-Kategorien (Film, Regie, Drehbuch, beide Hauptdarsteller) nominiert worden wäre, aber auch so vereint er noch die 4 wichtigsten Oscar-Nominierungen auf sich.


Irland/Kanada – 2015 – 1 Std. 58 Min.
Regie: Lenny Abrahamson
mit Brie Larson, Jacob Tremblay, Joan Allen, William H. Macy, Sean Bridgers, Megan Park, Cas Anvar, Amanda Brugel, Tom McCamus & Wendy Crewson
Genre: Drama


Spotlight

Spotlight 1

Im Jahre 2001 deckte das sogenannte „Spotlight“-Team, eine Gruppe investigativer Journalisten des Boston Globe den größten Missbrauchsskandal in der Geschichte Amerikas auf. Dutzende katholische Priester hatten jahrzehntelang Kinder sexuell missbraucht und wurden dabei sogar aus hohen Kirchenkreisen gedeckt.
Trotz des beklemmenden Sujets drückt McCarthy bei „Spotlight“ niemals auf die Tränendrüse, sondern inszeniert seinen Film als spannenden quasi Journalismus-Thriller im Geiste ähnlich politischer Filme wie „Die Unbestechlichen“ mit Robert Redford und Dustin Hoffman, auch wenn er zu keiner Zeit die Qualität dieser Vorbilder erreichen kann. Zudem ist „Spotlight“ etwas zu geradlinig und konventionell erzählt. Nichtsdestotrotz ist es ein guter Film, der v.a. durch sein sensationelles Ensemble um Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Liev Schreiber und John Slattery besticht, von denen Ruffalo und McAdams völlig zurecht nominiert sind. Keaton hätte definitiv auch wieder eine Nominee verdient gehabt.
„Spotlight“ ist für 6 Oscars nominiert, darunter neben eben erwähnten Darstellern auch für Film, Regie, Original-Drehbuch und Schnitt. „Spotlight“ galt lange Zeit als Frontrunner auf den Best Picture, hat aber mittlerweile nur noch Außenseiterchancen.


USA – 2015 – 2 Std. 08 Min.
Regie: Tom McCarthy
mit Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Liev Schreiber, John Slattery, Stanley Tucci, Brian d’Arcy James, Billy Crudup & Richard Jenkins
Genre: Drama, Biopic


The Big Short

The Big Short 1

Diesen Umstand hat „Spotlight“ u.a. diesem Film zu verdanken. Wenn auch thematisch und inszenatorisch sehr unterschiedlich, bedienen sie doch ein ähnliches Publikum. Denn anders als „Spotlight“, das als waschechtes Drama daherkommt, arbeitet „The Big Short“ verstärkt mit den Mitteln der Satire.
Die Story dreht sich um den Hedgefond-Manager Michael Burry (Christian Bale) der bereits rund zwei Jahre vor Beginn der weltweiten Banken- und Finanzkrise herausfand, dass sich im als grundsolide eingeschätzten Immobilienmarkt eine Blase aus Aktien-Leerverkäufen andeutete. Kurz darauf stießen noch weitere Investmentbanker (u.a. Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, Finn Wittrock und Hamish Linklater) darauf und sahen eine perfekte Möglichkeit in kürzester Zeit die ganz große Kohle abzugreifen…

McKay erzählt den Film mit schnellen Schnitten und rasanten Dialogen, arbeitet mit Zeitsprüngen und bietet herrlich alberne Cameos von u.a. Margot Robbie und Selena Gomez, die die vierte Wand durchbrechend, dem geneigten Zuschauer versuchen die wichtigsten Investment-Begriffe beizubringen. Das erinnert natürlich stark an „The Wolf of Wall Street“, ist in diesem Falle aber durchaus legitim, da sich dieses Sujet auf diese Weise einfach am besten erzählen lässt. Zudem ist „The Big Short“ äußerst kurzweilig und hat trotz seiner recht langen Laufzeit keine einzige Sekunde Leerlauf.
„The Big Short“ gilt daher neben „The Revenant“ zurecht als einer der großen Anwärter auf den Best Picture-Oscar. Er ist in insgesamt 5 Kategorien nominiert, darunter auch Regie, adaptiertes Drehbuch und Schnitt.


USA – 2015 – 2 Std. 10 Min.
Regie: Adam McKay
mit Christian Bale, Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, Finn Wittrock, Hamish Linklater, Karen Gillan, Marisa Tomei, Melissa Leo, Rafe Spall & Jeremy Strong
Genre: Finanz-Satire, Drama, Biopic


The Revenant – Der Rückkehrer (OT: The Revenant)

The Revenant 1

Siehe dazu meine ausführliche Kritik.
„The Revenant“ ist für sensationelle 12 Oscars nominiert und gilt neben „The Big Short“ als DER Frontrunner des heutigen Abends.


Neben den acht Best Picture-Kandidaten, möchte ich wie oben erwähnt auch noch kurz auf neun weitere Filme eingehen, die bei den Acting-Kategorien vertreten sind.


45 Years

45 Years 2

5 Tage vor dem 45. Hochzeitstag, der groß gefeiert werden soll, erhält Geoff (Tom Courtenay) einen Brief, aus dem er erfährt, dass die vermisste Leiche seiner einstmals großen Liebe, die vor über 50 Jahren bei einem Kletterunfall in den Schweizer Bergen tödliche Verletzungen erlitt, in einer Gletscherspalte gefunden wurde. Daraufhin zieht sich Geoff mehr und mehr in sich zurück, was seine Frau Kate (Charlotte Rampling) sehr beunruhigt. Sie ist sogar eifersüchtig auf seine frühere Verlobte, obwohl diese starb, lange bevor sich Kate und Geoff kennenlernten…

Rampling und Courtenay spielen in der Tat beide sehr intensiv und schaffen es selbst mit minimaler Gestik maximale Expressionen sichtbar zu machen. Die Silbernen Bären und die Oscar-Nominierung für Rampling sind daher ohne Frage hochverdient. Der Film an sich ist hingegen ein Langweiler vor dem Herrn, ein echter Erzählfluss mag sich selbst über die kurze Laufzeit von rund 90 Minuten nicht wirklich einstellen, die Szenen dümpeln nur so vor sich hin. Regisseur Andrew Haigh scheint in der Tat Haneke-Fan zu sein, denn viele Einstellungen erinnern sehr an „Liebe“. An dieses großartige Meisterwerk schafft es „45 Years“ allerdings nicht im Ansatz heran. Ohne die grandiosen Darsteller wäre er vermutlich noch nicht einmal Mittelmaß.


UK – 2014- 1 Std. 33 Min.
Regie: Andrew Haigh
mit Charlotte Rampling, Tom Courtenay, Geraldine James & David Sibley
Genre: Drama


Carol

Carol 2

New York in den 1950er-Jahren: die junge Therese (Rooney Mara) arbeitet als Verkäuferin in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses. Nach außen führt sie ein schönes Leben, sie hat einen Job und einen Freund, der bereits um ihre Hand angehalten hat, doch innen fühlt sie sich leer. Dies ändert sich, als die attraktive wie betuchte Carol (Cate Blanchett) den Laden betritt. Es funkt auf der Stelle zwischen beiden. Doch Carol befindet sich gerade in der Scheidung zu ihrem Mann Harge (Kyle Chandler), der von ihrer lesbischen Neigung wissend, das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame Tochter an sich reißen möchte, nachdem er auf die sich anbahnende Affäre mit Therese stößt…

Todd Haynes erzählt mit „Carol“ eine schöne Geschichte über eine verbotene Liebe, doch leider treten zwischendurch immer wieder ein paar Längen auf, die mit einer etwas kürzeren Laufzeit hätten ausgemerzt werden können.Alles in allem ist „Carol“ aber ein durchaus sehenswerter Film, der besonders von der tollen Chemie seiner beiden Hauptdarstellerinnen lebt. Mara ist zwar definitiv in der falschen Sparte nominiert, da sie und Blanchett ebenbürtige Filmfiguren verkörpern, ansonsten sind ihre Nominierungen aber hochverdient, ebenso die für Carter Burwells wundervolle Filmmusik. Toll fand ich auch das Cameo von „Gotham“-Star Cory Michael Smith, von dem man zwar von Anbeginn weiß, dass er nicht ganz hasenrein ist (warum sonst würde man auch den Riddler engagieren), doch ich sehe ihn unglaublich gerne und hoffe, dass er auch noch öfter die große Leinwand schnuppern darf.
„Carol“ ist für insgesamt 6 Oscars vorgeschlagen, dürfte aber heute Nacht auch leer ausgehen.


USA – 2015 – 1 Std. 58 Min.
Regie: Todd Haynes
mit Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Sarah Paulson, John Magaro, Jake Lacy & Cory Michael Smith
Genre: Drama


Creed – Rocky’s Legacy (OT: Creed)

Creed 2

Nachdem er als Kind von Heim zu Heim gewandert ist, erfährt der junge Adonis Johnson (Michael B. Jordan), dass er der leibliche, jedoch uneheliche Sohn von Apollo Creed ist, einem der besten Boxer aller Zeiten. Daher zieht es ihn als Erwachsenen, trotz eines guten Jobs, in den Ring um der Welt zu beweisen, dass er auch etwas drauf hat. Seine Ziehmutter Mary Anne Creed (Phylicia Rashād) lässt ihn widerwillig ziehen und Adonis holt sich Hilfe bei dem größten Konkurrenten und besten Freund seines lange verstorbenen Vaters: Rocky Balboa.

Bei diesem Spin-Off zur Rocky-Reihe war Sylvester Stallone erstmals nicht am Film selbst beteiligt, sondern nimmt „lediglich“ seine Paraderolle wieder auf. Das aber so gut, dass er sich heute Nacht berechtigte Hoffnungen auf einen Oscar als Bester Nebendarsteller machen darf. Verdient wäre es durchaus, auch wenn ich Tom Hardy in „The Revenant“ vorziehe. Doch nicht nur Sly spielt den Rocky hier wieder unerwartet differenziert, der ganze Film erreicht die Qualität des ersten „Rocky“-Teils, der seinerzeit sogar den Best Picture-Oscar gewinnen konnte. Nostalgiker werden „Creed“ lieben, aber auch wer noch keinen einzigen „Rocky“ gesehen haben sollte und auf gut gemachte Sportdramen steht, kann mit „Creed“ nichts falsch machen.


USA – 2015 – 2 Std. 13 Min.
Regie: Ryan Coogler
mit Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Phylicia Rashād, Tony Bellew, Ritchie Coster & Wood Harris
Genre: Boxerfilm, Drama


Ex Machina

Ex Machina 1

Der Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) arbeitet bei Blue Book, der größten Suchmaschine der Welt. Er gewinnt bei einer firmeninternen Lotterie ein Treffen mit dem zurückgezogen lebenden, wie exzentrischen Chef Nathan (Oscar Isaac). Dieser hat eine Künstliche Intelligenz erschaffen, die er Ava (Alicia Vikander) nennt und die Caleb für ihn auf Menschlichkeit testen soll…
Mehr sei zum Inhalt nicht verraten. „Ex Machina“ ist einer dieser Science-Fiction-Filme, die man sofort ins Herz schließt, sehr philosophisch und tiefgründig, zugleich aber auch sehr stylisch und mit genialen Effekten. Man kann kaum glauben, dass dieser Indie-Sci-Fi nur knapp 12 Millionen Dollar gekostet haben soll. Hier spielen mit Gleeson, Vikander und Isaac übrigens gleich drei der angesagtesten Jungschauspieler Hollywoods mit. Speziell Gleeson hat einen mega Lauf, sind auch noch alle vier Filme in denen er im letzten Jahr zu sehen war bei den Oscars nominiert. Das Original-Drehbuch von Alex Garland könnte heute als Überraschungsgewinner hervorgehen, sofern „Spotlight“ einen Totalpleite drohen sollte.


USA – 2015 – 1 Std. 48 Min.
Regie: Alex Garland
mit Domhnall Gleeson, Oscar Isaac, Alicia Vikander, Sonoya Mizuno, Chelsea Li, Evie Wray & Corey Johnson
Genre: Science-Fiction, Drama


Joy: Alles außer gewöhnlich (OT: Joy)

Joy 2

„Joy“ erzählt die auf wahren Ereignissen basierende Geschichte einer jungen alleinerziehenden Mutter (Jennifer Lawrence), die anfang der 1990er-Jahre aus der Not geboren einen selbstauswringenden Wischmop erfand und daraufhin mithilfe eines Teleshoppingsenders zu einer der erfolgreichsten Jungunternehmerinnen der USA wurde.
Was auf den ersten Blick nicht gerade nach einer zwingend interessanten Story klingt, setzt Russell jedoch sehr witzig und sogar spannend in Szene.
Mit „Joy“ erreicht er sogar fast das Niveau seines bisherigen Meisterwerks „Silver Linings Playbook“. Er versammelt zudem auch hier wieder seine, man kann schon beinahe sagen, Stammschauspieler Jennifer Lawrence, Robert De Niro und Bradley Cooper um sich, von denen besonders Lawrence erneut unter Beweis stellt, dass sie eine der besten Aktricen ihrer Generation ist und mittlerweile zum vierten Mal für den Oscar nominiert ist und das im zarten Alter von 25 Jahren, alleiniger Rekord. Zum zweiten Mal gewinnen wird sie ihn aber definitiv nicht. Mein persönliches Highlight im Film ist übrigens Virginia Madsen, die als verhuschte Mutter von Joy eine ihrer besten und witzigsten Performances ihrer bisherigen Laufbahn abgibt.


USA – 2015 – 2 Std. 04 Min.
Regie: David O. Russell
mit Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Édgar Ramírez, Diane Ladd, Virginia Madsen, Isabella Rossellini, Bradley Cooper, Dascha Polanco & Elisabeth Röhm
Genre: Komödie, Biopic


Steve Jobs

Steve Jobs (Michael Fassbender) Leben wird in dieser Verfilmung anhand dreier Product Launches angerissen, 1985 bei der Präsentation des Macintosh, 1988 nach seinem Weggang von Apple mit dem NeXT, sowie 1998 mit dem iMac.
Ich muss zugeben, dass ich mich anfangs null für diesen Film interessiert habe, trotz der zugegeben tollen Besetzung. Ich bin aber einfach kein Apple Nerd und Jobs als Person hat mich vorher auch noch nie interessiert. Erst durch regelrechtes Beknien durch meinen geschätzten Kollegen Patrick habe ich ihn mir dann doch angeschaut und muss sagen, dass ich es nicht bereue; im Gegenteil.
Denn „Steve Jobs“ ist ein wirklich guter Film geworden, der natürlich durch seine Darsteller lebt, allen voran Fassbender, aber besonders durch das wieder einmal sensationelle Drehbuch von Aaron Sorkin. Dass es tatsächlich gelingt den Großteil eines Lebens nur anhand einiger weniger Sequenzen nachzuvollziehen spricht für Sorkins unfassbares Schreibtalent, aber auch Danny Boyles Regie sollte nicht vernachlässigt werden. Er inszeniert insbesondere die Rededuelle zwischen Jobs und John Sculley (Jeff Daniels) schon beinahe wie einen Thriller. Ich war wirklich positiv überrascht.
„Steve Jobs“ ist für zwei Oscars nominiert. Fassbender und Kate Winslet. Wobei nur Winslet tatsächliche Chancen hat, denn DiCaprios Oscar für seine Monster-Performance in „The Revenant“ ist in Stein gemeißelt. Aber auch wenn sie aufgrund ihrer Karriere durchaus einen zweiten Oscar verdient hätte, so sollte in diesem Jahr rein leistungsbezogen eine Andere triumphieren…


USA – 2015 – 2 Std. 02 Min.
Regie: Danny Boyle
mit Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Katherine Waterston, Jeff Daniels, Sarah Snook, Michael Stuhlbarg, John Ortiz, Makenzie Moss, Ripley Sobo & Perla Haney-Jardine
Genre: Drama, Biopic


The Danish Girl

The Danish Girl 1

… und zwar Alicia Vikander! Ihre Darstellung der Gerda Wegener, Ehefrau des Intersexuellen Malers Einar Wegener, der sich später Lily Elbe nannte (Eddie Redmayne) ist nämlich so nuanciert und facettenreich, dass einem das Herz aufgeht. Neben Rooney Mara für mich die beste Leistung in dieser Kategorie, wobei Mara definitiv falsch campaigned wurde. Eddie Redmayne agiert auch meist gewohnt gut, doch in 2-3 Szenen gehen leider etwas die Pferde mit ihm durch und er gerät nah ans Overacting. Auch hätte Hoopers Regie ein klein wenig prägnanter sein können. Am Ende bleibt „The Danish Girl“ aber ein gutes, wenn auch in Gänze kein sehr gutes Biopic.


USA/ UK – 2015 – 2 Std. 00 Min.
Regie: Tom Hooper
mit Eddie Redmayne, Alicia Vikander, Amber Heard, Sebastian Koch, Ben Whishaw, Matthias Schoenaerts & Adrian Schiller
Genre: Biopic, Drama


The Hateful 8 (OT: The Hateful Eight)

The Hateful Eight 2

Nach einer langen Kamerafahrt von einem verschneiten Kruzifix, unterlegt mit einem bombastischen Score von Gottvater Ennio Morricone steigt ein „Nigger“, pardon schwarzer Mann, der sich als „Kopfgeldjäger“ Major Marquis (Samuel L. Jackson) vorstellt, in die Kutsche des „Henkers“ John Ruth (Kurt Russell) sowie seiner Gefangenen Daisy (Jennifer Jason Leigh). Später kommt noch der „Sheriff“ Chris Mannix (Walton Goggins) zu. Nachdem eine Weile gequasselt wurde erreicht die Kutsche „Minnies Kurzwarenladen“, wo sie auf vier andere Gestalten treffen, weiter gequasselt wird, bevor der blutige Showdown beginnt…
Ja, wir befinden uns in einem echten Tarantino. Und nein, es nicht sein bester. Doch selbst ein solider Tarantino ist immer noch ein sehr guter Film und so schlägt das Fanherz nicht nur einmal höher. Das Setting, sowie das Acting-Ensemble sind wie immer hervorragend, auch wenn Tim Roth wohl nur als Notlösung für einen verhinderten Christoph Waltz engagiert zu worden sein scheint. Aber es macht tierisch Spaß ihn mal wieder in so einer durchgeknallten Rolle zu sehen. Dasselbe gilt für Jackson , Leigh und Russell. Man merkt allen Beteiligten den Spaß an der Sache durchweg an. Und so sieht man auch gerne über die ein oder andere Quentin untypische Länge hinweg. Am Ende hat sich der Kinobesuch wieder einmal mehr als bezahlt gemacht.
So gut Leigh auch spielt, ihre Nominierung wird sie heute nicht in einen Gewinn ummünzen können. Anders als Morricone, der für seinen ersten Western-Score seit rund 35 Jahren heute hoffentlich seinen einen 1. regulären Oscar (!) mit nach Hause nehmen darf.


USA – 2015 – 2 Std. 48 bzw. 3 Std. 07 Min.
Regie: Quentin Tarantino
mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Walton Goggins, Jennifer Jason Leigh, Tim Roth, Michael Madsen, Demián Bichir, Bruce Dern, Zoë Bell, James Parks & Channing Tatum
Genre: Western, Action


Trumbo

Trumbo 1

Die interessantesten Geschichten schreibt immer noch das Leben.
Diese Kalenderweisheit trifft auch, und ganz besonders, auf das bewegte Leben von Dalton Trumbo zu. Trumbo (meisterhaft dargestellt von Bryan Cranston) war bis Ende der 1950er-Jahre einer der gefragtesten Drehbuchautoren Hollywoods, doch aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der „Kommunistischen Partei der USA“ wurde er, u.a. auch durch Drängen der Klatschreporterin und Kommunistenjägerin Hedda Hopper (herrlich fies: Helen Mirren) anno 1957 vor das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ des Repräsentantenhauses geladen und, nachdem er die Aussage verweigerte für 11 Monate in den Knast gesteckt. Nach Trumbos Freilassung stand sein Name auf der berüchtigten „Hollywood Blacklist“, was de facto ein Berufsverbot bedeutete. Doch Trumbo schrieb unter Pseudonym, reichte seine Bücher an Freunde außerhalb der Liste weiter und konnte auf diese Weise sogar zwei Oscars für „Ein Herz und eine Krone“ bzw. „Roter Staub“ gewinnen. Letzteren bekam er noch zu Lebzeiten im Jahre 1975 nachträglich anerkannt, der erste wurde ihm jedoch erst 1993 postum offiziell zugeschrieben.

Jay Roachs herrlich ironischer Tribut an diesen großartigen, wie humorvollen Drehbuchautoren, nach einem Skript von John McNamara, spart aber auch nicht mit ernsten Tönen und stellt dieses dunkle Kapitel der Ächtung unbescholtener Bürger auch mit all seinen Auswirkungen auf die Familien, Freunde und Anverwandten der Betroffenen dar. Bryan Cranston gibt erneut eine Galavorstellung und hätte (wäre nicht Leos unschlagbare Konkurrenz) sehr gute Chancen auf einen Oscar-Gewinn, noch vor Michael Fassbender.


USA – 2015 – 2 Std. 04 Min.
Regie: Jay Roach
mit Bryan Cranston, Diane Lane, Helen Mirren, Louis C.K., Elle Fanning, John Goodman, Michael Stuhlbarg, Alan Tudyk, Christian Berkel, Richard Portnow & Sean Bridgers
Genre: Biopic, Drama, Komödie


Und auch dieses Jahr bleibt natürlich noch die Frage:
An welchen Film würde ich den Best Picture Oscar 2016 vergeben:

The Big Short

The Big Short 2

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