Die Rezension der mittlerweile 17. Kinosichtung mit Beteiligung von Meryl Streep beginne ich, indem ich meinem wiederkehrenden Ärger über den deutschen Filmverleih Luft machen möchte. Es stellt meines Erachtens wahrlich ein Unding dar, wenn eine derart viel beworbene und mit einer inzwischen neunzehnfach oscarnominierten Persönlichkeit besetzte Komödie im Umkreis von beinahe 70 Kilometern gerade einmal in zwei (!) Lichtspielhäusern präsentiert wird. Dass Produktionen mit Arthaus-Charakter im Verhältnis zu Blockbustern generell leider viel zu sporadisch über die Leinwände flimmern, stellt zwar keine Neuigkeit im eigentlichen Sinne dar, dennoch hätte ich mir von den Kinobetreibern erneut etwas mehr Interesse, Weitsinn und Sachverstand gewünscht. Nachdem dies einmal zur Sprache kommen musste, durfte ich nunmehr sieben Monate nach seiner Weltpremiere das Biopic „Florence Foster Jenkins“ in einem der hiesigen Kinos endlich begutachten, welches die letzte Lebensphase der gleichnamigen, wohlhabenden Mäzenin (1868 – 1944) schildert, die sich trotz hoffnungsloser, gesanglicher Unbegabtheit nichts sehnlicher wünscht, als öffentlich aufzutreten und ihre musikalische Leidenschaft mit ihren Mitmenschen zu teilen. Um es vorweg zu nehmen: Der weite Anreiseweg hat sich gelohnt, denn die Macher haben einen durch und durch gutmütigen, amüsanten und erzählenswerten Film geschaffen, der zwar mit Sicherheit nicht durchgängig das Gehör erfreut, dafür jedoch sowohl die Augen, das Herz als auch den Intellekt von Genreliebhabern.
Einerseits hält die britisch-französische Koproduktion in geschickter Manier die Balance zwischen belletristischer, beschwingter Komödie, bittersüßem Drama und historischer Chronik, wobei die Akzentuierung deutlich auf Erstgenanntem liegt. Stephen Frears beweist darüber hinaus psychologisch verdichtet und gleichermaßen augenzwinkernd, dass mehr als auch ein halbes Jahrhundert vor Erfindung von Castingshows bereits vereinzelt Individuen existierten, die mit begrenzten, phonischen Fähigkeiten um jeden Preis Berühmtheit zu erlangen beabsichtigten und dabei vom Umfeld in ihrer Realitätsverzerrung bestärkt wurden. Augenscheinlich ist das sichere Gespür der Autoren für die pulsierende Gesellschaft des New Yorks der Weltkriegsära aus, obwohl die Produktion lustiger Weise ausnahmslos auf britischem Boden entstand. Wenngleich die Eröffnungsphase einen Hauch zu lange dauert, um ins Rollen zu kommen, zeichnet sich der Film insgesamt durch eine ideale Länge, ergötzliche Wortwechsel sowie eine erstaunliche Faktentreue aus. In das aufwendige Gesamtbild aus pompösen, aber nicht übertriebenen Kostümen, J. Roy Hellands unverwechselbarer Maskenarbeit, stimmungsvollen Sets sowie abwechslungsreichen Kameraperspektiven fügt sich Alexandre Desplats musikalischer Einfallsreichtum einmal mehr exzellent ein, während die schöngeistige Inszenierung stets im intentionierten Kontrast zur Skurrilität der Hauptperson steht. Wohl niemand anderes als das Multitalent Meryl Streep hätte die exzentrische, tragikomisch angehauchte Persönlichkeit, die nur vor „auserlesenen“ Publikum sang, in solch authentischer, unterhaltsamer und facettenreicher Weise verkörpern können. Trotz ihrer Arroganz und unüberhörbaren Unzulänglichkeiten, die sich Streep mühsam antrainieren musste, wird sie für den Zuschauer schnell zur urkomischen Sympathieträgerin, über die man Tränen lachen kann, sodass die „magische“ 20. Oscarnominierung sowohl realistisch erscheint als auch redlich verdient wäre. DIE Überraschung des Zweistünders jedoch bildet ein mit ungeahnter Präsenz und Herzblut auftrumpfender Hugh Grant, den ich als Darsteller bis dato eher wemiger geschätzt habe und der ganze 30 Jahre nach seinem Kinodebüt nun in der Rolle als platonischer, altruistischer Ehemann seine mit Abstand beste, ebenfalls oscarreife Performance offerierte. Des Weiteren durfte man seit Längerem keine Darbietung bewundern wie die des überwiegend in TV-Serien beheimateten Simon Helberg, dem es mit augenscheinlicher Leichtigkeit gelang, am Piano fast ausschließlich durch irritierte, fassungslose und belustigte Blicke köstlich zu unterhalten, obschon das übrige Ensemble nicht mit der vergleichbaren Passion wie das benannte Dreiergespann zu agieren wusste.
Summa summarum mag „Florence Foster Jenkins“ vielleicht nicht ganz an Frears‘ hochgelobten Vorgänger „Philomena“ heranreichen, dennoch setzt er der anekdotenreichen, schrillen „Diva der Dissonanz“ ein mehr als würdiges Denkmal und punktet nicht nur durch Kurzweile, zeitlosen Humor sowie mithilfe dreier enthusiastischer Darsteller, sondern auch in Form einer wunderschönen, rührenden Schlusssequenz. Frears‘ jüngstes Opus soll dem Publikum keinesfalls davon überzeugen, dass die Porträtierte ein Stimmwunder war, sondern in erster Linie aufzeigen, dass Nächstenliebe, Empathie, Begeisterungsfähigkeit und das Vorhandensein individueller Lebensträume viel essentieller erscheinen als angeborenes Talent. In dieses Resümee fügt sich das berühmteste Zitat der selbstbewussten Protagonistin perfekt ein, das sich als Inschrift sogar auf ihrem Grabstein wiederfindet: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.“