Die Schöne und das Biest (OT: The Beauty and the Beast)

Die Marke Disney genießt derzeit in den internationalen Lichtspielhäusern wieder Hochkonjunktur, das dürfte außer Frage stehen. Von den bisherigen Realverfilmungen zeitloser Klassiker des Konglomerats hat mich bis dato „Maleficent“ mit Abstand am meisten begeistert und mitgerissen, denn darin ist es nicht nur gelungen, ein populäres Märchen mit grandioser Ästhetik zu füllen, sondern auch aus völlig anderer Perspektive zu beleuchten und auf diese Weise neue Lesarten eines altbekannten Stoffes zu ermöglichen. Mit besonderer Spannung wurde die Adaption eines weiteren Meilensteins des Meisterwerke-Kanons erwartet, der vor anderthalb Dekaden nicht nur eine ganze Generation verzauberte, sondern bis heute der einzige Zeichentrickfilm ist, welcher zu Recht eine Oscarnominierung in der Königskategorie erhalten konnte. Für kurzfristig aufleuchtende Warnsignale sorgte im Vorfeld der Umstand, dass der regieführende Bill Condon zwar in Form von „Dreamgirls“ und „Gods And Monsters“ bereits zwei veritable Werke inszenierte, jedoch auch zwei Teile der qualitativ recht überschaubaren Twilight-Saga. Letzen Endes bewegt sich „Die Schöne Und Das Biest“ Dimensionen über letztgenannten Streifen, nichtdestotrotz kommt der globale Kassenschlager für mein Befinden nicht über solides Unterhaltungskino hinaus, das in mehreren Belangen zu sehr auf „Nummer sicher“ geht.

Insbesondere die wortgetreue, erste Hälfte wurde nahezu eins zu eins vom Äquivalent aus dem Jahr 1991 transkribiert und auch in Folge dessen finden wir bezüglich der zugrunde liegenden, aus dem frühneuzeitlichen Frankreich stammenden Vorlage eher behutsame Abweichungen vor, was freilich als Zelebrierung des Vorgängers gedeutet werden kann, jedoch auch als Verschenkung von Potential anmutet. Die Geschichte um ein junge, betont willensstarke Frau, die sich für ihren Vater opfert und schrittweise Zuneigung für ihren tierischen Entführer entwickelt – man nennt ebendieses Phänomen übrigens das Stockholm-Syndrom – wurde im Gegenzug erneut nachvollziehbar erzählt und wiederkehrend mit modernen, witzigen Begebenheiten garniert. Außerordentlich schwungvoll dirigiert und choreografiert, versetzen insbesondere die ausgedehnten Musikeinlagen einen Großteil des Publikums in unbeschwerte Kindheitstage zurück und kreieren in Symbiose mit herausragenden Szenenbildern und Kostümdesigns eine durchgehend märchenhaft-träumerische Stimmung, die in der bevorstehenden Saison ihre entsprechende Honorierung erfahren dürfte. Warum allerdings gerade die zentrale Ballszene im direkten Vergleich zu „Cinderella“ derart reduziert gehalten worden ist, bleibt ein kleines Rätsel, dennoch erfreuen auch die sich angenehm von Genrestandards abhebenden, wohlgewählten Effekte und quirligen Schlossbewohner zu großen Teilen. Über die Besetzung der gebürtigen Französin Emma Watson kann man den Verantwortlichen dankbar sein, denn sowohl in darstellerischer als auch gesanglicher Hinsicht zeigt sie in der Rolle der Belle eine äußerst souveräne und vielseitige Darbietung, weswegen man es ihr auch verzeiht, dass sie gelegentlich auf Kosten des Charmes einen Hauch zu trotzig agiert. Die Leistung von Dan Stevens zu beurteilen, gestaltet sich da schon schwieriger, denn seiner visuell stark beeinflussten Figur lassen sich nur gelegentlich individuelle Züge entnehmen. Herausragendes, darstellerisches Highlight bildet folglich keiner der beiden Hauptakteure, sondern ein überaus spielfreudiger Luke Evans in der Rolle des schmierigen, machohaften Fieslings Gaston, während auch Kevin Kline zu überzeugen weiß. Weiterhin führt uns Emma Thompsons enthusiastischer Kurzauftritt vor Augen, dass man sie gern wieder in einer Hauptrolle erleben würde.

„Die Schöne Und Das Biest“, seit nunmehr anderthalb Wochen in den nationalen Kinos flimmernd, stellt ohne den mindesten Zweifel detailverliebtes, handwerklich gekonntes und gut besetztes Entertainment für die ganze Familie dar und überdies auch ein Sinnbild für innere Werte, das sowohl das Auge als auch das Ohr gleichermaßen zu erfreuen vermag. Dennoch bleibt das wegen seiner homoerotischen Anspielungen in vielen Staaten zensierte oder sogar verbannte (!) Remake speziell im Hinblick auf die hervorgerufenen Emotionen und den inhaltlichen Einfallsreichtum hinter den hohen Erwartungen zurück, dürfte allerdings vor allem Zuschauer erfreuen, die das gezeichnete, perfekte Original verwunderlicher Weise nicht kennen sollten. Insgesamt bleibt daher trotz aller Vorzüge im Stillen zu hoffen, dass die bereits in den Startlöchern stehenden Remakes „Peter Pan“ und „Cruella“ etwas mehr Mut zu Innovationen beweisen.

USA 2017 – 130 Minuten
Regie: Bill Condon
Regie: Musical / Märchen
Darsteller: Emma Watson, Dan Stevens, Luke Evans, Emma Thompson, Ewan McGregor, Ian McKellen, Kevin Kline, Josh Gad, Stanley Tucci, Gugu Mbatha-Raw, Nathan Mack
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