Mit Sequels ist das so eine Sache. Hat ein Konzept einmal funktioniert und die Kassen klingeln lassen, neigt Hollywood dazu die Kuh sprichwörtlich solange zu melken, bis sie keine Milch mehr gibt! Das führt dazu, dass es von „Ice Age“ und „Fluch der Karibik“ mittlerweile 5 Teile und von „Saw“ und „Fast & the Furious“ sage und schreibe jeweils die 8. Teile dieses Jahr ins Kino gelangten. Hollywood ist Ideenarm geworden und die Filmlandschaft heutzutage ist übersät von Remakes und Prequels und das selbst Regiegiganten wie Ridley Scott ihren eigenen Markennamen nachhaltig schädigen ist eine besonders bedenkliche Entwicklung, wie es jüngst die Alien-Reihe erfuhr.
Es gibt aber glücklicherweise auch Ausnahmen, die es schaffen erfolgreich eine Reihe fortzusetzen und dennoch den künstlerischen Geist des Originals einzufangen wie es Cameron bei „Aliens“ gelang oder den Vorgänger gar noch zu toppen, wie bei „Terminator“, dem „Paten“, „Toy Story“ oder jüngst „Mad Max“. Wie es sich bei dem Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“ verhält, soll hier einmal näher betrachtet werden…
Blade Runner
Nur 3 Jahre nach seinem Meisterwerk „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ zauberte Ridley Scott 1982 erneut bahnbrechendes Science-Fiction-Kino und nahm sich dafür Philip K. Dicks Roman „Träumen Andoiden von elektrischen Schafen?“ vor und erschuf eine dystopische Vision von Los Angeles im Jahre 2019. Die Menschheit spielt Gott und kreiert seine eigenen Menschen, Replikanten genannt, die als Arbeitssklaven dienen. Abtrünnige bzw. unkontrollierbare Neumodelle werden von so genannten „Blade Runnern“ gejagd und hingerichtet. Gerechtfertigt wird das Auslöschen dieser Replikanten damit, dass diese keine Biographie und keine Empathie besitzen würden. Rick Deckard (Harrison Ford) ist so ein „Blade Runner“, der noch einen letzten Auftrag ausführen soll, bevor er seinen Dienst quittieren kann. Fünf Replikanten, die es bis nach Los Angeles geschafft haben und nach ihrem Schöpfer suchen, um sich von ihrer kurzen Lebenserwartung zu befreien, soll er liquidieren, doch bevor es dazu kommt trifft er auf die Replikantin Rachael (Sean Young) und verliebt sich in sie…
Obwohl die Charaktere und der Plot teilweise etwas flach geraten sind, ist „Blade Runner“ auch 35 Jahre nach seinem Erscheinen ein Meisterwerk in Bezug auf Originalität und audiovisueller Atmosphäre. Das CGI ist für die Verhältnisse seines Budgets auch recht ordentlich und Vangelis Score eine Wucht. Den großen Reiz macht „Blade Runner“ aber wohl wegen seiner philosophischen Fragen über Menschenwürde, wann und wo Leben anfängt bzw. aufhört und diverser Schöpfungtheorien aus.
Darstellerisch schaffen es die meisten Schauspieler ihren recht schlicht geschriebenen Charakteren etwas Tiefe zu verliehen. Vor allem Rutger Hauer ist im letzten Drittel kaum zu bremsen und liefert mit seiner „Tears in the Rain“-Szene eine der ergreifendsten Momente der Filmgeschichte.
Einziges Manko dürften die veränderten Sehgewohnheiten sein, denn „Blade Runner“ nimmt sich viel Zeit seine Geschichte zu erzählen und legt mehr Wert auf die Optik, Akkustik und Dialoge, anstelle eine Actionszene an die Nächste zu reihen. Das dürften viele Zuschauer heutzutage langweilig finden. Wenn man sich aber drauf einlässt, kann man sich schnell in der düsteren Zukunftsvision verlieren und sich mit exentiellen philosophischen Fragen auseinandersetzen, die es wert sind zu diskutieren.
Blade Runner 2049
30 Jahre nach dem Verschwinden von Ex-Cop Rick Deckard (Harrison Ford) macht sich der Polizist K (Ryan Gosling) in Los Angeles auf der Suche nach dem Verschollenen. Ganz nebenbei werden in den Hauptstrang viele Themen integriert wie auch schon im ersten Teil. Da ist zum Einen der Rassismus gegenüber Replikanten, der sich offen oder in vermeintlich harmlosen Alltagsformulierungen bemerkbar macht, und zum Anderen die digitale Liebe. Polizist K führt eine „Beziehung“ mit dem Computerprogramm Joi (Ana de Armas), die als Hologramm auftritt und im Laufe der Zeit vom Kamerasystem des Apartments von K losgelöst wird und sich zu ihrer Freude frei bewegen kann. Über künstlicher Intelligenz lassen sich etliche Diskurse führen und Regisseur Denis Villeneuve gibt etliche weitere solcher Denkanstöße. Da gibt es Erinnerungsfetzen, die den Replikanten eingesetzt werden, es werden wieder Fragen über das Menschsein gestellt und wie die Gesellschaft sich immer weiter davon entfernt noch Mensch zu sein, uvm.
Wer sich nicht scheut sich mit solchen Fragen auseinander zu setzen und der es auch mal erträgt sich wirklich lange Sequenzen ohne Schnitt anzuschauen, der kriegt hier Bilder und eien Soundkulisse geboten die ihres gleichen sucht. Das der Film ein kommerzieller Flop sein würde war schon zu erwarten, da sich die Sehgewohnheiten zu stark verändert haben. Wer das Original aber mochte, wird auch die Fortsetzung schätzen. Ob es wieder satte 35 Jahre dauern wird, bis ein dritter Teil erscheint bleibt abzuwarten. Solche Filme an sich werden eigentlich nicht mehr produziert und dafür sollte man Denis Villeuve wirklich danken. Was der Mann die letzten Jahre mit „Prisoners“, „Sicario“, „Arrival“ und jüngst „Blade Runner 2049“ auf die Leinwand zaubert ist schon sehr beachtlich!
Das größte Lob gebührt aber neben den Sounddesignern Roger Deakins, Stammkameramann von Villeneuve, der sich hier wieder einmal selbst überbietet. Was er hier an Kompositionen schafft sucht seinesgleichen und wenn er in der kommenden Awardsaison nach seinen bisher 13 erfolglosen Anläufen um den Oscar ein 14. Mal nicht den Goldjungen erhält, dann müssen sich die Academy-Mitglieder wohl mal auf ihren Geisteszustand untersuchen lassen!
An den Kompositionen von Vangelis kommen Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch nicht heran, aber der Score von ihnen ist er auch weit davon entfernt so unerträglich laut und eindimensional zu sein wie einst „Dunkirk“. Dabei war Zimmer nicht die erste Wahl des Regisseurs, denn Jóhann Jóhannsson hatte zuvor einen Score komponiert, der Villeneuve jedoch zu wenig Reminiszenzen von Vangelis beinhalteten, so dass Zimmer und Wallfisch einsprangen. Warum Denis Villeneuve Vangelis anscheinend gar nicht erst gefragt hat, bleibt wohl ewig sein Geheimnis.
Die Geschichte knüpft an den großen Fragen der ersten Teils an. Schafft damit zwar nicht etwas innovatives Neues, aber gelingt durch die grandiosen Bilder und Special-Effekts ein eigenes Denkmal zu setzen ohne den ersten Teil zu entmystifizieren und das ist nach all den misslungenen Fortzsetzungen schon eine große Leistung. Ryan Gosling passt natürlich gut in die Rolle des wortkargen ausdruckslosen Protagonisten, jedoch wird er mir für diese Art Rollen zu oft eingesetzt. Neben einem recht kurzen, aber starken Auftritt von Harrison Ford kann vor allem Ana De Armas überzeugen, während Jared Leto kaum Akzente setzen kann.
Ich kann jeden Verstehen, dem „Blade Runner 2049“ zu langweilig oder uninteressant erscheint. Wer sich aber gerne mit philosophischen Fragen auseinander setzt und Bilder, Worte und Klänge auf sich wirken lassen kann, der wird seine Freude mit den Filmen bzw. der Fortzsetzung haben, denn es gibt nichts vergleichbares auf diesem Niveau. Lob, dass solche Filmen heutzutage noch finanziert werden und entstehen, gebührt allen Beteiligten aber definitiv so oder so, obgleich man mit dem Genre bzw. den Filmen etwas anfangen kann oder nicht!