Maria Stuart, Königin Von Schottland (OT: Mary Queen Of Scots)

© Universal Pictures

Neben „The Favourite – Intrigen & Irrsinn“, ebenfalls zeitlich angesiedelt im royalen Britannien der Frühen Neuzeit, galt „Maria Stuart, Königin Von Schottland“ als aussichtsreichster Historienfilm dieser Saison für den Erhalt mehrerer Oscarnominierungen. Im Gegensatz zu Erstgenanntem reichte es schlussendlich zwar „nur“ für zwei Nennungen in inszenatorischen Kategorien, dennoch lockte vor allem der clever arrangierte Trailer und natürlich die beiden weiblichen Zugpferde nicht nur erklärte Genrefans in die Lichtspielhäuser ihres Vertrauens. Mit ihrem Debüt im Spielfilmbereich konnte Josie Rourke insgesamt einen gelungenen Auftakt liefern, indem sie sich der sagenumwobenen Monarchin Mary (1542 – 1587), die zeitweise sowohl über Schottland und Frankreich herrschte, dem Schafott zum Opfer fiel und in der Vergangenheit bereits von Katharine Hepburn, Zarah Leander und Vanessa Redgrave verkörpert wurde, in beklemmender Weise und mit auffallend psychologischer Motivation näherte.

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In Form einer von düsteren Farben und schwankenden Kameraperspektiven geprägten, partiellen Chronik, deren Hauptfokus von Marias Rückkehr nach Schottland im Jahr 1561 bis zu ihrer sechs Jahre später erfolgten Abdankung reicht und ihr häufig thematisiertes Lebensende diesmal lediglich streift, erfährt der Zuschauer vor allem vom sich verschärfenden, religions- und erbfolgebedingten Antagonismus der beiden Königshäuser Tudor und Stuart. In den Grundfesten dürften sich die meisten Geschichtsforscher angetan von der gebotenen Handlung zeigen, denn diese hält sich mit Ausnahme des nicht historisch verbürgten, unmittelbaren Aufeinandertreffens von Mary und Elizabeth erstaunlich eng an gesicherte Fakten. Eine scharfe Dialogisierung findet man nicht nur im Hinblick auf den englisch-schottischen Konkurrenzkampf mit kriminalistischen Zügen vor, sondern dank Zeilen wie „Eine Minute…“ an Standfestigkeit „…machen noch keinen Mann.“ oder „Ich habe nicht vor, ein zweiter Heinrich VIII. zu werden.“ vor allem in Bezug auf genderspezifische Belange, die zwischen zeitgemäßen Duktus und einer modernen Denkart pendeln. Die wiederkehrenden Auftritte des Reformators John Knox sind zwar ebenfalls korrekt wiedergegeben worden, dennoch wirken vergleichbare Szenen und die Konzentration auf eine Vielzahl an Personen entschleunigend, weswegen die Lauflänge von mehr als zwei Stunden zu ausgedehnt erscheint. Dafür entschädigt vor allem die optische Sphäre mithilfe von erlesenen und eindrucksvollen Sets sowie perfektionistischen Kostümen und auch der opulente Soundtrack von Max Richter fügt sich perfekt in die Atmosphäre. Zusätzlich wartet man im Hinblick auf die Maskenarbeit mit einer der gelungensten Leistungen des gesamten Jahrzehnts auf, denn sowohl das elisabethanische Styling im Wandel der Zeit nebst krankheitsgezeichnetem Make-Up sowie die aufwendigen Frisuren sind schlichtweg brillant und von grenzenloser Detailliebe. Dass der Film jedoch nicht nur von kosmetischen Vorzügen lebt, sondern auch von der Besetzung, beweist Saoirse Ronan mit Nachdruck. In der prestigeträchtigen Rolle der Maria Stuart überzeugt die in etwa gleichaltrige Irin nicht nur aufgrund eines Gespürs für Dramatik, Emotion, Würde und Timing, sondern auch dank einer Darstellung, die ihr erlaubt, den eigenen Facettenreichtum zu erproben. Wenngleich Ronan absolut nichts vorzuwerfen ist, spricht es doch Bände, dass ausgerechnet ihre narrative Gegenspielerin absolut jede Szene an sich reißt und als schauspielerisches Nonplusultra zu identifizieren ist, der sich alles unterordnet. Dass Robbie nicht für den Oscar nominiert worden ist, gleicht (nicht nur wegen des Rededuells der beiden Regentinnen) einem mittelschweren Skandal. Während auch Jack Lowden und Guy Pearce sehenswerte Leistungen entbieten, fehlt es sporadisch an weiteren überzeugenden Nebendarstellern.

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„Maria Stuart, Königin Von Schottland“ ist trotz gewisser Mankos und eines nicht voll ausgeschöpften Potentials in Summe eine legitime, interessante Neuverfilmung, die dem geschichtlichen Kontext in paar neue Lesarten hinzufügt und ganz auf das Talent der beiden Darstellerinnen vertraut. Neben Ronans starker und Robbies genialer Darbietung sowie der handwerklichen Güte überzeugt in der weitestgehend spannenden, souveränen und fragenaufwerfenden Geschichtsstunde vor allem der Umstand, dass es sich um das Erstlingswerk der Regisseurin handelt.

UK 2018 – 125 Minuten
Regie: Josie Rourke
Genre: Historiendrama
Darsteller: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Gemma Chan, David Tennant, Brendan Coyle, Jack Lowden, Joe Alwyn, Martin Compston, Maria-Victoria Dragus, Ismael Cruz Cordova, Guy Pearce, Ian Hart
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