Tolkien

© Fox Searchlight Pictures

Bereits im Frühsommer erlebte die allererste Verfilmung der Vita des wohl bedeutendsten Fantasten der Literaturgeschichte, der den Grundstein für eine der erfolgreichsten Filmtrilogien aller Zeiten legte, ihre Erstveröffentlichung. Nicht nur aufgrund limitierter Kinostarts blieb das Porträt von John Ronald Reuel Tolkien (1892 – 1973) im Hinblick auf die Einspielergebnisse allerdings weit hinter den mutmaßlichen Erwartungen zurück. Der verantwortliche, auf Zypern geborene Finne Dome Karukoski mag zwar kein Regisseur von Weltrang sein, ist aber dank seiner Produktionen „Helden des Polarkreises“ und „Tom Of Finnland“ durchaus kein Unbekannter des europäischen Kinos. Mit „Tolkien“ versucht er inszenatorisch in vielen Belangen, dem Hawking-Biopic „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ nachzueifern, erreicht jedoch trotz einiger Glanzmomente bedauerlicherweise nie wirklich dessen Dichte und Emotionalität.

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Der Subtitel „Ein Leben voller Liebe, Mut und Gemeinschaft“ ließ vorab auf ein souveränes Geschichtsdrama hoffen, dennoch löst das nah an den historischen Fakten orientierte Endresultat, das einen Zeitraum von rund 30 Jahren bebildert, ebendieses Attribut nur äußerst bedingt ein. Zwar offeriert die Lebensschilderung wiederholt interessante Symbolismen auf Tolkiens erdachte Welt, die nicht nur an Enthusiasten der „Herr Der Ringe“-Saga adressiert sind, und auch der zeitweilige Fokus auf sein philologisch-linguistisches Talent stellt einen Aspekt dar, der eines Ausbaus würdig gewesen wäre, dennoch wirkt der Erzählstil ungewöhnlich nüchtern und zähflüssig. Eine Vielzahl an hastigen Zeitsprüngen steht dabei dem narrativen Fluss im Wege und verhindert ein Mitfühlen mit dem Schriftsteller und seinen Weggefährten. Wenngleich einige stark inszenierte Einzelsequenzen, wie zum Beispiel die opferreiche Schlacht an der Somme von 1916 oder das Gespräch von Tolkien und der Mutter seines besten Freundes Geoffrey, zweifelsohne vorhanden sind, verharrt das Gebotene in Summe auf der Ebene einer losen, episodenhaft aneinandergereihten Chronik. Des Weiteren wird die tiefe Religiosität des Protagonisten völlig ausgeblendet, was gerade deswegen fatal anmutet, weil ebendiese als Ausgangspunkt seines literarischen Schaffens zu sehen ist. Besonders ärgerlich ist dies, da die handwerkliche Sphäre durchaus für Highlights sorgt, denn die gut fotografierten Schauplätze erlauben sporadisch eine sinnbildliche Rückkehr ins idyllische Auenland, während Kostüme und Setdesigns von immenser Detailliebe gekennzeichnet sind. Demgegenüber verwundert es, dass die Charaktere überhaupt keinem Alterungsprozess zu unterliegen scheinen. Auf Thomas Newman, schockierender Weise noch immer oscarlos, ist jedoch einmal mehr Verlass, denn seine meisterhaften, variablen und sanften Kompositionen bilden – alleinstehend betrachtet – ein regelrechtes Fest für die Ohren. Auch bezüglich der Darstellerriege findet sich sowohl Licht als auch Schatten. Nicholas Hoult, mittlerweile fast 30 Jahre alt, der bereits in „A Single Man“ und jüngst in „The Favourite“ großartige Leistungen bot, ist in der Rolle von J.R.R. Tolkien kaum ein Vorwurf zu machen, da er sein Möglichstes versucht hat, gegen die Schwächen des flüchtigen Skripts anzukämpfen. Abgesehen von Derek Jacobi und Genevieve O’Reilly fehlt es jedoch an überzeugenden Darbietungen, unter denen vor allem Lily Collins eine blasse Fehlbesetzung darstellt.

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Sowohl der überaus reservierte Kritikertenor als auch der Umstand, dass nicht einmal die Hälfte der Produktionskosten eingespielt werden konnten, sind somit als gerechtfertigt einzustufen. Die Sichtung hinterlässt nicht zuletzt das Gefühl, dass ein enormes Maß an Potential verschenkt wurde und einem der vielleicht bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts ein würdigeres, kreativeres Porträt zugestanden hätte. Insgesamt verbleibt „Tolkien“ weitestgehend bei einer solide aufbereiteten Präsentation von Informationen, ohne jedoch zu fesseln oder gar den Anspruch von Involvierung zu erheben. Schade…

USA 2019 – 112 Minuten
Regie: Dome Karukoski
Genre: Biographie / Historiendrama
Darsteller: Nicholas Hoult, Lily Collins, Harry Gilby, Colm Meaney, Derek Jacobi, Anthony Boyle, Tom Glynn-Carney, Craig Roberts, Pam Ferris, Genevieve O’Reilly, Owen Teale
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