Neues aus der Welt (OT: News of the World)

Neues aus der Welt mit Tom Hanks und Helena Zengel
©Universal Pictures International Germany GmbH

Wir befinden uns im Jahr 1870, kurz nach dem Bürgerkrieg, im Süden der USA. Wir begleiten Captain Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks), der als Vorleser sein Geld verdient, der während des Bürgerkriegs noch in der Armee der Konföderierten gekämpft hatte. nun reist er von Stadt zu Stadt, um die aktuellsten Nachrichten aus aller Welt vorzutragen und diese etwas aufzubauschen. Als er wieder einmal unterwegs ist, trifft er auf einen Soldaten, der ihn damit beauftragt, ein Mädchen namens Johanna (Helena Zengel) bis zum nächsten Ort mitzunehmen, von wo aus sie zu ihren Verwandten gebracht werden soll. Doch da der für die Zusammenführung Verantwortliche die nächsten Monate unterwegs sein wird, nimmt es Kidd auf sich, die Kleine selbst zu bringen. Einfach ist dies jedoch nicht, ist sie doch beim Stamm der Kiowa aufgewachsen und spricht kein Wort Englisch…

Dass Netflix Filme einkauft, die eigentlich fürs Kinos gedacht waren, das dürfte inzwischen bekannt sein. Während der Corona-Pandemie und der wiederkehrenden Schließungen von Lichtspielhäusern auf der ganzen Welt hat sich dieser Trend noch einmal verstärkt. Und so dürften sich nur wenige darüber gewundert, als bekannt wurde, dass auch Neues aus der Welt nun dieses Schicksal ereilt. Umso mehr, da das Drama schon weit im Voraus als einer der Geheimtipps für die kommende Award Season gehandelt wurde. Dass der Streamingdienst dort endlich mal richtig abräumen möchte, ist kein Geheimnis. Geklappt es bislang aber nicht.

Neues aus der Welt mit Tom Hanks
©Universal Pictures International Germany GmbH

Im Fall von Neues aus der Welt gibt es, zumindest aus deutscher Sicht, eine gute Nachricht: Helena Zengel ist im Rennen der Auslandspresse (Golden Globes) und bei der Schauspielguilde (SAG), die den größten Votinganteil der Academy ausmacht, als beste Nebendarstellerin nominiert. Als 12-Jährige aus dem Ausland muss man das erst einmal schaffen. Zengel gelang 2019 im Kritikerüberflieger Systemsprenger der Durchbruch, wo sie ein traumatisiertes, aggressives Kind spielte und einen von insgesamt 8 Deutschen Filmpreisen als „Beste Darstellerin“ erhielt. Sie war sogar für den European Film Award nominiert, musste sich aber der späteren Oscarpreisträgerin Olivia Colman (The Favourite) geschlagen geben. Wie sie in Neues aus der Welt durch die Wildnis wütet, ist erwartungsgemäß große Klasse, vor allem im Zusammenspiel mit Tom Hanks, der hier mal wieder den gutherzigen Grummelbär spielt.

Produktionstechnisch kann man ebenfalls nicht meckern: Der polnischen Kameramann Dariusz Wolski kreiert wunderbare Aufnahmen, die er bei der Reise durch das Nachkriegs-Amerika eingefangen hat. Gerade im Mittelteil darf man voller Bewunderung zuschauen, wie die kargen, menschenfeindlichen Landschaften an einem vorbeifahren. Dabei vergisst man dann vielleicht auch, dass an dieser Stelle der Gehalt des Films nicht so groß ist. Dass sich die beiden Hauptfiguren nach anfänglichen Schwierigkeiten näherkommen, ist schließlich Pflicht bei einer solchen Geschichte. Die gelegentlichen Actionszenen haben ebenfalls nicht wirklich etwas zu sagen, dienen vor allem der Unterhaltung, sorgen aber für einen angenehmen Tempowechsel.

Drumherum gibt es hingegen schon das eine oder andere, über das es zu reden lohnt. So zeichnet die Adaption des gleichnamigen Romans von Paulette Jiles kaum zu übersehende Parallelen zu unserer heutigen Zeit. Ob es die nach dem Krieg gespaltene Bevölkerung ist, Rassismus und Gewalt gegenüber Minderheiten, sogar einen Vorläufer von Fake News gibt es hier. Gerade weil Neues aus der Welt in einer Zeit spielt, in der die Menschen keinen direkten Zugang haben zu Nachrichten und auf wenige Übermittler angewiesen sind, sind die Chancen für Missbrauch und Manipulation groß. Und auch wenn Kidd sein Herz am rechten Fleck hat, so zeigt seine Figur doch, wie sich durch die Wahl der Geschichten sowie die Art der Umsetzung andere Leute beeinflussen lassen.

Neues aus der Welt mit Tom Hanks und Helena Zengel
©Universal Pictures International Germany GmbH

So richtig in die Tiefe geht der neue Film von Regisseur und Co-Autor Paul Greengrass (Captain Phillips) dann aber doch nicht. Er traut sich auch nicht, wirklich hässlich zu werden, obwohl der Inhalt sich immer wieder dafür anbieten würde. Das Publikum soll am Schluss schließlich optimistischer in die Zukunft schauen, an Menschlichkeit und Zusammenhalt glauben. Das kann man dann einfallslos nennen, oberflächlich, vielleicht auch langweilig. Und doch ist es irgendwie schön, sich hier auf eine zwei Stunden dauernde Reise zu begeben, die einen auf positive Weise mit Vertrautem verwöhnt und in all der kargen Hoffnungslosigkeit die Kunst des Geschichtenerzählens hoch hält.

Im Zuge der Oscarverleihung dürfte Neues aus der Welt keine große Rolle spielen. Er wird wohl Nominierungen für die „Filmmusik“ von James Newton Howard, der „Ausstattung“ und dem „adaptierten Drehbuch“ erhalten und auch Zengel ist aussichtsreiche Kandidatin ins heiß umkämpfte Feld der „Nebendarstellerinnen“. „Kamera“ und „Film“ hingegen ist ein Longshot. Das war es dann aber auch schon. Gewinnchancen scheint er keine zu haben, was aber keinen Grund darstellen sollte, ihm keine Beachtung zu schenken, denn es ist es ein gelungener schöner Film, mit dem man sich es auf der Couch gemütlich machen kann, auch wenn er inhaltlich nichts Weltbewegendes oder Neues offeriert.

USA ( China 2020 – 118 Minuten
Regie: Paul Greengrass
Genre: Drama
Darsteller: Tom Hanks, Helena Zengel, Elizabeth Marvel, Mare Winningham, Tom Astor, Ray McKinnon, uva.
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