In Georgetown, Washington D.C. lebt die bekannte Schauspielerin Chris Mac Neal (Ellen Burstyn) mit ihrer Tochter Regan (Linda Blair) während eines Drehs zu einem neuen Film über Studentenproteste. Nachdem Regan mit einem Ouija-Brett gespielt hat, häufen sich die seltsamen Vorkommnisse in ihrem Haus, angefangen damit, dass Regan behauptet, sie könne mit einem unsichtbaren Freund namens „Captain Howdy“ kommunizieren, bis hin zu einem verstörenden Vorfall während einer Party mit Freunden. Besorgt um das Wohlergehen ihrer Tochter sucht Chris verschiedene Ärzte und schließlich einen Psychiater auf, die mehrere Untersuchungen an Regan vornehmen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Ganz im Gegenteil, Regans Zustand verschlimmert sich, sie wird gewalttätiger und vulgär, spricht mit einer fremden Stimme und greift letztlich sogar ihrer Mutter an. Am Ende ihrer Kräfte und aus Angst um ihrer Tochter folgt Chris dem Rat der Ärzte und sucht Pater Damien Karras (Jason Miller) auf, der selbst in einer tiefen Glaubenskrise steckt nach einem persönlichen Verlust. Zunächst skeptisch macht sich der gelernte Psychiater daran, Regan zu untersuchen und herauszufinden, ob es eine Grundlage für einen Exorzismus gibt. Schließlich wendet er sich an seine Vorgesetzten in der Kirche, die ihm den erfahrenen Pater Lankester Merrin (Max von Sydow) zur Hilfe schicken, der bereits Erfahrung mit Teufelsaustreibungen gesammelt hat, die ihm fast das Leben kosteten. Gemeinsam machen sich die beiden Männer Gottes ans Werk, um den Dämon aus Regans Körper auszutreiben…
Nach dem kommerziellen und kritischen Erfolg von French Connection – Brennpunkt Brooklyn, der 1971 mit 5 Oscars geadelt wurde, gehörte William Friedkin zu den gefragtesten Regisseuren der Traumfabrik. Entgegen der Erwartung, er würde weiter im Thrillergenre arbeiten, nahm Friedkin das Angebot an, bei der Verfilmung von William Peter Blattys Der Exorzist die Regie zu übernehmen, einem Horrorfilm – der Rest ist Geschichte! Aufgrund von Friedkins semi-dokumentarischem Inszenierungsstil schien er in den Augen der Produzenten genau die richtige Wahl für das Projekt zu sein, welches letztlich nicht nur eine der erfolgreichsten Arbeiten des Regisseurs werden sollte, sondern zudem ein Werk, welches das Horrorgenre definieren sollte. Auch heutzutage ist Der Exorzist ein Film, der durch seine realistischen Elemente besticht und das Grauen in die Wirklichkeit versetzt.
Wie so viele Filme des New Hollywood ist auch der Exorzist mehr als ein Genrefilm, sondern vor allem ein Spiegelbild seiner Zeit. Nicht nur der „Film im Film“, in welchem Chris mitspielt, auch die Bemutterung Regans, die Sorge, dass sie auf Bildern in Zeitschriften „zu erwachsen“ aussieht, ergeben ein Porträt, in welchem die Elterngeneration eine gewisse Skepsis oder gar Angst vor der Jugend empfindet. In seinem Werk Danse Macabre weist Horror-Autor Stephen King bereits auf die Theorie des Horrorgenres als Spiegel moderner und kultureller Ängste hin, die sogar für den Erfolg eines Films verantwortlich sind. Chris fürchtet um das Erwachsenwerden ihrer Tochter, reagiert empfindlich auf die Veränderungen, sowohl die körperlichen wie auch die emotionalen, die sich bei Regan zeigen.
Gleichsam reagiert die Gesellschaft ebenfalls rat- und hilflos auf die Besessenheit des jungen Mädchens. Die Institutionen wissen keine Antworten und können nicht reagieren oder handeln, versuchen aber dennoch ihre Wissensautorität zu wahren, wie man an den zahlreichen Ärzten sieht, die Chris konsultiert. Der bereits angesprochene dokumentarische Stil, der sich unter anderem in der Darstellung der zahlreichen, schmerzhaften Behandlungen zeigt, die Regan über sich ergehen lassen muss, scheint bisweilen gar in Frage zu stellen, ob es sich nicht um eine normale Abwehrreaktion der Heranwachsenden handelt. Letztlich impliziert die Feststellung Chris’, sie würde ihr Kind nicht kennen oder könne sich nicht vorstellen, woher Regan die Beleidigungen gehört habe, eine Ohnmachtserklärung.
Wie so oft im Horrorgenre fällt der Eintritt des Bösen in die Wirklichkeit zusammen mit einer Krise der Gesellschaft, für die alles erklärbar zu sein scheint. Der von Jason Miller mit großer Sensibilität gespielte Pater Karras ist ein Mensch, der sich in beiden Welten, des des Glaubens und der Rationalität, bewegt, beide erschüttert durch eine prägende Verlusterfahrung sowie die Suche nach einer Ordnung in der Welt. Das Scheitern eines solchen Menschen wie auch der Wissenschaft oder der Polizei betont nicht nur die Macht des Bösen in der Welt, sondern letztlich erschreckt es auch, wie schnell gewisse Grenzen des Verstehens und Erklärens erreicht sind. Entwaffnend ist da die Entgegnung Pater Merrins auf die Frage, ob er den Hintergrund zu Regans Falls hören wolle, die dieser nur mit einem „Wozu?“ quittiert.
Neben seinen reichen thematischen Aspekten sowie den Schauspielern ist Friedkins Film nicht zuletzt eine Lektion darin, wie man einen atmosphärischen Horrorfilm macht. Die Schockeffekte setzen erst nach einige Zeit ein, während bis dahin die Normalität der Charaktere unterwandert wird. Merkwürdige sowie abstoßende Episoden kündigen die Ankunft des Dämons an, der schlussendlich die Welt der Figuren ins Chaos stürzt. Dies ist nicht nur eine Errungenschaft der Inszenierung, sondern auch der minimalistischen Filmmusik Jack Nitzsches.
Fazit: Der Exorzist ist ein wahrer Klassiker des Horrorgenres, der auch noch 50 (!) Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner Wirkung und Aktualität verloren hat. Darstellerisch überzeugend und atmosphärisch dicht erzählt William Friedkin von der Ohnmacht einer Gesellschaft und ihrer Autoritäten sowie von den Versuchen diese Kontrolle wiederzuerlangen. Bis heute ist Der Exorzist der einzige wahrliche Horrorfilm, der mit 4 Golden Globes, 10 Oscarnominierungen und 2 Oscars dekoriert wurde und noch weitere für Film, Regie und Ellen Burstyn verdient gehabt hätte.