Ich gestehe ja, dass ich den Charakter des Ryan Bingham zutiefst interessant finde; und irgendwie wurde in den ganzen Kritiken auf einen Punkt nie eingegangen: Warum ist der Kerl so? Diese Kündigungs-/Wirtscharftssache, ist doch nur ein Punkt in diesem Mosaik Up in the Air.
Mich fasziniert einfach, dass Ryan auf der einen Seite sagt: „Je langsamer wir uns bewegen, desto eher sind wir tot“ und dann wieder „Wenn Sie mal darüber nachdenken: Die schönsten Momente, die wichtigsten Augenblicke. Waren Sie da allein? Es lebt sich viel besser in Gesellschaft.“
Er hat in beiden Punkten in meinen Augen recht: Stillstand bedeutet Tod; Alleine sind wir tot. Und trotzdem sind es zwei absolut unterschiedliche Lebensweisen: Ryan hat keine festen Verbindungen, fliegt ständig durch das Land. Er bewegt sich, um nicht zu sterben. Er ging vielleicht die letzten Jahre keine Beziehungen ein, um nicht festzufahren. Deswegen kämpft er auch dagegen, seinen Job vom Schreibtisch aus zu machen. Für ihn bedeutet es tatsächlich, dass die Freiheit über den Wolken liegt.
Die zweite Seite ist die, dass er aber auch kein absoluter Menschenfeind ist. Er hat keine Scheu vor anderen Menschen, solange sie ihn nicht daran hindern, sich zu bewegen (weswegen er ja auch eigentlich alleine arbeiten möchte).
Ryan Bingham hatte in seiner Zeit als junger Mann vielleicht schlechte Erfahrungen mit seiner Familie gemacht, weswegen er Probleme hat von seiner Heimatstadt aus zu arbeiten, so gesehen kann man seine Reiserei auch als eine permanente Flucht vor der eigenen Vergangenheit sehen. Dazu ein paar nicht gut gelaufenen Beziehungen, und zack haben wir jemanden, der seinen Job deswegen mit dieser großen Freude macht, weil er permanent weg läuft und deswegen keine Beziehungen eingehen kann.
Und jetzt im Alter merkt er plötzlich, dass es vielleicht doch langsam mal an der Zeit ist, sein Herz zu öffnen; auch wenn die Frau am Ende verheiratet ist und Kinder hat. Ich glaube in diesem Moment ist Ryan klar geworden, dass Alex einen Punkt besser gemacht hat als er: Auch sie liebt ihren Job und fliegt durch die Weltgeschichte. Aber sie hat sich – im Gegensatz zu ihm – auch ein zweites Standbein geschaffen: Ihre Familie als Rückzugspunkt; als der Ruhepol. Das hatte Ryan nie und bedauert es vielleicht in diesem Moment, als er im Auto saß. Aber er wusste auch, dass er vielleicht schon zu eingefahren war in seiner Routine, als dass er einfach so raus kann.
Deswegen rät er Natalie auch dazu, nicht seinen Weg zu gehen, weil er weiß, dass es nicht der Job wäre, der sie glücklich machen würde. Vielleicht glaubt er, dass sie am Ende so wie er wird, und nicht so wie Alex.
Die Rolle von dem grossartigen J.K. Simmons ist da auch sehr passend: Ein Mann, der Jahre lang in einem Beruf gearbeitet hat, den er als junger Mann eigentlich nicht wollte. Er wollte Koch werden, hat sich aber dagegen entschieden. Ryan gibt ihm den Rat, es einfach zu probieren, seinen Traum wahr zu machen. Denn er selbst hat nicht die Kraft an sich zu arbeiten und sich vielleicht seinen Traum zu erfüllen, weil er sich vielleicht schon zu sehr daran gewöhnt hat.