Jahrzehntelang wurden fast ausschließlich britische Filme bei dieser Verleihung geehrt, seit einigen Jahren hat sich die Verleihung immer mehr zum Oscar-Indikator entwickelt, auch was den Einfluss betrifft. Prominentes Beispiel ist der historische Sieg von der Französin Marion Cottilard (La vie ein Rose) über die Britin Julie Christie (Away from her) 2008, die damit ihren Triumph für die Oscars ebnete.
Doch bevor meine kleine Analyse beginnen soll, erst einmal ein Blick auf die Gewinner des gestrigen Abends:
Best Picture – 12 Years a Slave
Best Director – Alfonso Cuarón, Gravity
Best Actor – Chiwetel Ejiofor, 12 Years a Slave
Best Actress – Cate Blanchett, Blue Jasmine
Best Supporting Actor –Barkhad Abdi, Captain Phillips
Best Supporting Actress – Jennifer Lawrence, American Hustle
Best Adapted Screenplay – Philomena, Steve Coogan and Jeff Pope
Best Original Screenplay – American Hustle, Eric Warren Singer and David O. Russell
Best Cinematography – Gravity, Emmanuel Lubezki
Best Documentary – The Act of Killing
Best Animated Feature – Frozen
Best Score – Gravity, Steven Price
Best British Film – Gravity
Best Editing – Rush
Best Production Design – The Great Gatsby
Best Costume Design – The Great Gatsby
Best Sound – Gravity
Best Hair & Make – American Hustle
Best British Short, Live Action – Room 8
Best British Short, Animation – Sleeping with the Fishes
Outstanding British Debut – Kelly & Victor
BAFTA Rising Star – Will Poulter
Die BAFTAS vergeben Rund 2 Wochen vor der Academy ihre Preise, genau während des Voting-Prozederes für die Oscars, so dass ein Einfluss nicht wegzudiskutieren ist, vor allem weil ein großer Teil der Stimmberechtigten Filmschaffenden aus England stammen (In der Regel spricht man von 1/4 bis 1/3 aller Stimmen). Genau aus diesem Grund wäre ein Sieg für LeoDiCaprio hier auch wichtig gewesen, um beim erstmaligen Aufeinandertreffen der Beiden in einer Kategorie auch als Mitfavorit ins Rennen zu gehen, doch es siegte Chiwetel Ejiofor für „12 Years a Slave“. Sind damit Leo´s Oscarchancen gleich Null oder kann sein „Overdue“-Faktor ihm am Ende doch noch zum Sieg führen? Wie überfällig ist er nach nunmehr über 20 Jahren im Filmgeschäft mit konstant guten bis sehr guten Leistungen gegenüber einem Matthew McConaughey, den man bis vor 2-3 Jahren noch für seine eher bescheidene Filmographie nur milde belächelte, aber seit ca. 1,5 Jahren ein Brett nach dem anderen abliefert? Die Academy liebt solche „Erfolgsgeschichten“, möge man hoffen, dass er sich dieser Linie treu bleibt und nicht wie andere Oscarpreisträger nach einem Karrierehoch wieder in der Versenkung mittelmäßiger Rom-Coms verschwindet.
Der Sieg von Jennifer Lawrence über Favoritin Lupita Nyong´o überrascht gestern derweil, es sei denn man legt ihren Triumph als „Wiedergutmachung“ von Emannuele Rivas (Amour) Sieg über sie im letzten Jahr aus. Wie gefährlich ist Jennifer Lawrence für Lupitas Oscargewinn tatsächlich? Ist die Kombi GOLDEN GLOBE und BAFTA stärker als der CRITCS CHOICE und SAG AWARD? FÜR Lupita spricht neben ihrer brillanten Leistung und den bereits erklommenden Awards auch Jennifer Lawrence Sieg mit Silver Linings aus dem letzten Jahr, der nicht unumstritten ist. Für viele gilt dieser mit gerade mal 22 Jahren als verfrüht und wie verfrüht wäre ein „Back-to-Back-Oscar“ mit gerade mal 23 Jahren? Zwar ist sie deutlichst zu jung für die Rolle in „American Hustle“ gewesen, dennoch ist sie unumstritten eines (der wenigen) Highlights des (übergehypten) Filmes von David O. Russell und die Statistik besagt in der Regel bei 4 Darstellernominierungen einen Oscargewinn voraus. In der Oscargeschichte gibt es nur wenige Ausnahmen (My Man Godfrey, Sunset Bouelvard und Doubt, wobei letzterer 2x für die Nebendarstellerin nominiert war), doch bleibt die Frage, ob sie 2 Jahre infolge davon profitieren kann, der einzige Darstellergewinn aus einem für 4-fach-darstellernominierten Film zu sein?
Da die anderen 3 Darstelleroscars dieses Jahr mit Blanchett und Jared Leto (beides haushohe Favoriten) und Matthew McConaughey (Hoher Favorit mit Leonardo DiCaprio (Wolf of Wall Street), der als einzige Option für einen Oscargewinn für seinen Film zur Verfügung steht, und Chiwetel Ejiofor aus dem Best Picture-Frontrunner „12 Years a Slave“, der auch bei den BAFTAs triumphierte, für den Matthew McConaughey nicht nominiert werden konnte. Bruce Dern (Nebraska) dürfte trotz 6 Nominierungen für den Film inzwischen nur noch sehr geringe Außenseiterchancen haben.)
Wie gefährlich Barkhad Abdi nach seinem Triumph heute Nacht dem Favoriten Jared Leto werden kann, sei dahingestellt. Vermutlich wird er mehr Stimmen als Mitfavorit Michael Fassbender (12 Years a Slave) zusammenbekommen, allerdings ist „Dallas Buyers Club“ mit seinen 6 Nominierungen in sämtlichen Hauptkategorien und eigentlichem jedem Darstellerpreis für Jared Leto eine haushohe Nummer, die eigentlich nicht mehr zu schlagen ist, selbst wenn sich die geballte Liebe zu Captain Phillips auf ihn niederschlagen sollte. Jedoch sind die Kategorien „Schnitt“ und „Toneffekte“ (sowie Außenseiterchancen für das Drehbuch *hust*) 2 gute Optionen für Oscarehren. Auch sieht es gerade nicht so aus, als ob „12 Years a Slave“ mit mehr als maximal 3 Oscars (Film, Nebendarstellerin und adap. Drehbuch) noch groß etwas reißen könnte, eher im Gegenteil. Vielleicht ist der Film einfach schon zu lange im Gespräch und zulange Favorit um auf so eine lange Zeit als Favorit bestehen zu können. Eine These, die ich mit The Social Network und Brokeback Mountain gerne untermauere.
Auch wenn ich dieses Jahr den BAFTAS nicht so einen großen Einfluss zusprechen möchte, da einige Filme (wie Her und Dallas Buyers Club) nicht rechtzeitig eingereicht wurden bzw. konnten, ist ein Großteil der Kategorien als mögliches Wiederholungszenario auf der Oscarverleihung in 14 Tagen mehr als nur möglich, allen voran der eigentliche unübliche SPLIT von Film und Regie, jedoch zieht sich dieser Split seit Wochen durch sämtliche Award-Shows, von den Critics Choice, bis zu den Globes oder auch zum DGA bzw. PGA, wobei Alfonso Cuárons visionäres Science-Fiction-Werk die Regiepreise abräumt, während „12 Years a Slave“ den Top-Preis abräumt. Die Frage bleibt aber (und ich formuliere dies bewusst so salopp) wie gefährlich kann ein Weltraumspektakel, dass vor allem visuell brilliert, einem Film mit so einem „wichtigen“ und aufwühlendem Thema wirklich gefährlich werden? Oder anders formuliert, reicht eine One-Woman-Show im Weltall aus, um die Schauspieler, die den größten Teil der Stimmberechtigten Academy-Mitglieder ausmachen, zu motivieren, nicht für einen Film zu stimmen, der durch einen riesigen Cast aus namenhaften Schauspielern mit intensiven Darstellungen besteht, von denen 3 für einen Oscar nominiert wurden? Ich sehe daher den Split dieses Jahr als wirklich sehr realistisch an, auch wenn es unüblich ist, auf einen Split zu tippen! Die fehlende Drehbuchnominierung von „Gravity“ soll meine Theorie zusätzlichbekräftigen. Dagegen stehen die Awards für Kamera, Filmmusik und Ton, die „Gravity“ neben dem Regiepreis in der Tasche zu haben scheint.
Das sich die Preise für „The Great Gatsby“ in Austattung und Kostüme, sowie „Frozen“ für „Bester Animationsfilm“ wiederholen dürfte schon länger bewusst sein. Schnitt und Make-up kann sich ja nicht wiederholen, dass werden daher „Gravity“ und „Captain Phillips“, sowie „Dallas Buyers Club“ und „Lone Ranger“ unter sich ausmachen, auch wenn ich hier den Sieg von „Rush“ (Schnitt) bei den BAFTAS und „The Butler“ von der Make-up-Guild vor ein paar Tagen mehr begrüßt hätte!
Dass sich die Drehbuchpreise der BAFTAS bei den Oscars wiederholen, wage ich zudem zu bezweifeln, da „Her“ nach seinen Triumph bei den GLOBES und der WRITERS GUILD, ebenso „12 Years a Slave“ bei den Scripter Awards als Favoriten gelten, auch wenn dies bedeuten würde, dass „Philomena“ und „American Hustle“ evtl. komplett leer ausgehen würden!
Was haltet ihr von den Preisträgern, welches sind Eure Frontrunner und was glaubt ihr ist dran an meinen Ausführungen bzw. was habe ich mir zusammengsponnen? Diskutiert fleißig mit!