Die 17-jährige Eva Strumpf (Jasna Fritzi Bauer) ist an sich ein ganz normales Mädchen, freundlich, süß, ein Typ zum Pferde stehlen. Wäre da nicht ihre neurologisch bedingte Krankheit. Denn Eva leidet an „Schluckauf im Gehirn“, sie hat das Tourette-Syndrom. Und da ihre Ticks nie dann kommen, wenn man sie mal brauchen könnte, sondern völlig unkontrolliert, hat sie die Schule geschmissen und sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Am liebsten verbringt sie ihre Zeit allein im Wald (wenn ihr nicht gerade mal wieder irgendwelche Pilzsammler über den Weg laufen), Evas Eltern (Waldemar Kobus & Victoria Trauttmansdorff), ihre leicht schräge Oma (Renate Delfs) sowie ihr kleinkrimineller Onkel Bernie (Stefan Kurt) sind dabei ihre einzige Stütze. Alle Anderen halten sie mehr oder weniger für einen behinderten Freak.
Eines Tages findet Eva beim Molche sammeln eine Leiche im Wald (das passiert sonst nur den Pilzsammlern!), die sie bei der Polizei melden soll. Doch das endet recht peinlich, da ihr wieder mal ihre Ticks in die Quere kommen.
Als Evas Vater eines Tages seinen Job als Autoverkäufer, sowie kurz darauf seinen Kredit aufs Haus verliert und sich nicht traut dies seiner kaufsüchtigen Gattin zu beichten, hilft Eva ihm zusammen mit Oma beim Bewerbungen schreiben und Vorstellungsgespräche simulieren. Und tatsächlich: Papa kann bereits nach kurzer Zeit eine neue Stelle ergattern, doch die ist in Berlin! Und Eva will auf keinen Fall umziehen! Deshalb beschließt sie selbst auf Jobsuche zu gehen, denn wenn sie das nötige Geld verdient um das Haus halten zu können, wäre das Problem gelöst. Doch wer stellt schon eine unkontrolliert fluchende Jugendliche ein. …
„Ein Tick anders“ verfährt natürlich nach dem gleichen Prinzip wie der ein Jahr zuvor entstandene „Vincent will Meer“, eine die Betroffenen stark belastende, todernste Krankheit dem Zuschauer durch ironische Brechung und satirische Überspitzung greifbar zu machen und sie somit zu enttabuisieren.
Während „Vincent will Meer“ jedoch auch über weite Strecken ernsthafte Züge trägt und auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten ist, ist „Ein Tick anders“ ein klassischer Kinder- bzw. Jugendfilm, der die gesamte Laufzeit einen Lacher nach dem anderen hervorruft. Allerdings ist er definitiv nichts für die ganz Kleinen (auch wenn er von der FSK ab 6 Jahren frei gegeben wurde), denn auch wenn das Thema kindgerecht aufgearbeitet wird, so darf Jasna Bauer alias Eva so richtig schön derbe vom Leder ziehen. Die Sprache ist für einen Kinderfilm wirklich sehr explizit, das berühmte F…-Wort ist dabei noch mit Abstand das harmloseste! Doch gerade so wird den Jüngeren auch ein realistisches Abbild der Krankheit aufgezeigt.
„Ein Tick anders“ ist ein sehr sympathischer Film mit einem grandiosen Cast. Besonders Jasna Bauer merkt man die Spielfreude zu jeder Sekunde an. Renate Delfs als resolute, nicht minder derbe, Oma ist ebenfalls ein absoluter Glücksgriff.
Gegen Ende des Films wird dann zwar noch eine (für die erwachsenen Zuschauer) recht unnötige Crime-Story um den Sparkassendirektor eingebaut, doch gerade für die Jüngeren ist das nochmal ein kleiner Spannungsbogen, der auch bei der entsprechenden Klientel ziemlich gut ankam.
Im Großen und Ganzen ist Regisseur und Autor Andi Rogenhagen eine wirklich hervorragende Jugend-Komödie zu einem schwierigen Thema gelungen, bei dem aber auch Erwachsene einen Heidenspaß haben. Ich habe zumindest Tränen gelacht.
Wer sich den Film jetzt übrigens unbedingt anschauen möchte hat bereits morgen abend, Donnerstag, den 3.7. um 22:45 Uhr im Ersten die Möglichkeit dazu (bzw. Freitag, den 5.7. um 20:15 Uhr oder Freitag, den 11.7. um 21:45 Uhr auf EinsFestival). Er läuft dort im Rahmen des ARD-Sommerkinos.
D – 2011 – 1 Std. 27 Min.
Regie: Andi Rogenhagen
mit Jasna Fritzi Bauer, Waldemar Kobus, Victoria Trauttmansdorff, Stefan Kurt, Renate Delfs, Traute Hoess, Falk Rockstroh & Nora Tschirner
Genre: Komödie