Meine „Ein-Absatz-Kritiken“ (März & April 2015)

0

Inspiriert durch Heiko und Stephan, die es schon mehrfach geschafft haben, die Quintessenz verschiedener Filme in nur einem einzigen, aussagekräftigen Satz zusammenzufassen, möchte ich nun den Versuch wagen, ebenfalls unlängst gesehene Werke verschiedener Genres aus dem Kinofilm- und Fernsehbereich in aller Kürze, sprich innerhalb eines knappen Absatzes zu rezensieren, damit Diskussionen anzuregen und nebenbei unserer Archiv weiter zu komplettieren. Geplant ist, dass in jeder Ausgabe zwischen zehn und zwanzig Filme aus unterschiedlichen Dekaden vorgestellt werden und jeweils (mindestens) einer von ihnen soll eine Darstellung meiner favorisierten Leinwandaktricen Katharine Hepburn, Meryl Streep und Nicole Kidman enthalten.

American Sniper

1

Den bisherigen, einhellig negativen Ausführungen meiner Kollegen in Bezug auf das jüngste „Werk“ des Antikriegsfilm-Fachmannes und Regie-Veterans Clint Eastwood kann im Prinzip kaum etwas hinzuzufügt werden, schon gar nichts Positives. Insbesondere wegen der derzeitigen, labilen, politischen Lage im Mittleren Osten gleicht die uneingeschränkte, radikal-republikanische Glorifizierung des Scharfschützen Chris Kyle mehr oder weniger einem Schlag ins Gesicht, da dem Publikum kaum etwas anderes präsentiert wird als eine ethische Legitimation des Massenmordens unter staatlicher Aufsicht. Dass wir keinerlei kritische oder zumindest in Ansätzen ambivalente Perspektivierung innerhalb des Handlungsgefüges im Tunnelblick vorfinden, ist – gemessen am fast schon schockierenden, finanziellen Erfolg des Zweistünders – schlicht und ergreifend nicht tragbar, während die von erstaunlich sinnarmen Dialogen umrandeten, sentimentalen Momente wiederum extrem aufgesetzt und deplatziert anmuten. Darüber hinaus verkörpert Bradley Cooper den Protagonisten inmitten eines schwachen Ensembles ohne Höhen und Tiefen erschreckend eindimensional und unglaubwürdig, sodass es sich mir ebenfalls nicht erschlossen hat, wieso er zum dritten Mal in Folge eine Oscarnennung erhalten konnte, Miles Teller oder Timothy Spall für ihre starken Darbietungen jedoch außen vor geblieben sind. Die hochgelobte, technische Gestaltung mag hinsichtlich des Tons und der Schnittarbeit zwar in der Tat nicht die Schlechteste sein, ändert aber keinesfalls etwas daran, dass „American Sniper“ insgesamt betrachtet ein unspannender, manipulativer und fragwürdig intentionierter Streifen ist, der lediglich den Patriotismus zelebriert, einen abseits davon aber kalt lässt, sein vorhandenes Potential in Gänze links liegen lässt und aus meiner Sicht den mit Abstand schlechtesten „Best-Picture“-Nominierten dieses Jahrtausends bildet.

USA 2014 - 132 Minuten Regie: Clint Eastwood Genre: Kriegsfilm / Action / Drama Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Max Charles, Kylie Gallner, Luke Grimes, Sam Jaeger, Jake McDorman
USA 2014 – 132 Minuten
Regie: Clint Eastwood
Genre: Kriegsfilm / Action / Drama
Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Max Charles, Kylie Gallner, Luke Grimes, Sam Jaeger, Jake McDorman

Das Zehnte Königreich (OT: The 10th Kingdom)

2

Schon fünfzehn Jahre bevor „Into The Woods“ Einzug in die Kinos hielt, wurde auf TV-Ebene ein Versuch unternommen, einen ganzen Schwall an europäischen Märchen- und Sagenstoffen miteinander zu verbinden. Eine fünfteilige Miniserie namens „Das Zehnte Königreich“, der es weder an Charme, Ästhetik sowie Intellekt noch an Unterhaltungscharakter fehlt, richtet sich jedoch nicht nur wegen der Bündelung von düsteren Stilmitteln, sondern auch durch den konsequenten Fokus auf tiefenpsychologischen Motive zwar eher an junge Erwachsene als an Kinder, gehört für mich aber seit langer Zeit zum Pflichtproramm an den alljährlichen Feiertagen. Auf der temporeichen, spannenden, zufällig ins Rollen gebrachten Reise von zwei durchschnittlichen New Yorkern in neun parallele, märchenhafte Königreiche werden nicht nur bekannte Aspekte aus „Schneewittchen“ und „Rotkäppchen“ reproduziert, amüsant umgedeutet, weiterentwickelt und mit der Moderne kontrastiert, sondern es entspinnen sich bis zum bittersüßen Finale existentielle, lebensnahe Sujets wie Sehnsüchte, familiäre Enttäuschungen und die stufenweise Entwicklung von Selbstbewusstsein und Freundschaft. Die aufwendigen, detailreichen und größtenteils in malerischen Orten der Schweiz und Österreichs sowie in Babelsberg entstandenen Kulissen betören das Auge und generieren gemeinsam mit erstklassigen Masken und involvierenden Kameraperspektiven eine mannigfaltige Fantasiewelt voller grotesk-sympathischer Wesen, der man sich nicht entziehen kann, während die variable Filmmusik sowie der Titelsong „Wishing On A Star“ ebenfalls hervorragend arrangiert wurden. Darüber hinaus wurde das teure Projekt mit unzähligen Stars besetzt, von denen insbesondere die grandios agierende, von mir ohnehin verehrte Dianne Wiest als bitterböse Königin, Scott Cohen in der Rolle des suggestiven Wolfs, der die Protagonistin verführt und der von Ed „Al Bundy“ O’Neill verkörperte Trollkönig hervorstechen, während die relativ unbekannte Kimberley Williams die perfekte Identifikationsfigur darstellt. Die verwunderlicher Weise bei der Emmy-Verleihung wenig berücksichtigte Produktion zählt für mich zu den allerbesten Miniserien der amerikanischen Fernsehhistorie und kann somit nur als magische, zu Herzen gehende Perfektion und als Fantasy-Highlight der Extraklasse betitelt werden!

USA / UK / D / F / AT 2000 - 425 Minuten Regie: David Carson & Herbert Wise Genre: Märchen / Abenteuer / Komödie Darsteller: Kimberley Williams, John Larroquette, Scott Cohen, Dianne Wiest, Daniel Lapaine, Ed O’Neill, Rutger Hauer, Camryn Manheim, Warwick Davis, Ann-Margret, Hugh O’Gorman, Dawn Lewis, Jeremiah Birkett
USA / UK / D / F / AT 2000 – 425 Minuten
Regie: David Carson & Herbert Wise
Genre: Märchen / Abenteuer / Komödie
Darsteller: Kimberley Williams, John Larroquette, Scott Cohen, Dianne Wiest, Daniel Lapaine, Ed O’Neill, Rutger Hauer, Camryn Manheim, Warwick Davis, Ann-Margret, Hugh O’Gorman, Dawn Lewis, Jeremiah Birkett

Der Tod Steht Ihr Gut (OT: Death Becomes Her)

3

Bereits im Rahmen von Dennis‘ neuer Jahreskolumne von meiner Seite als eine der besten schwarzen Komödien der Filmgeschichte tituliert, ist Robert Zemeckis‘, inzwischen 23 Jahre alte Genremixtur eine der äußerst sporadisch auftretenden, humoristischen Gattungsvertreter, den ich mir in der Tat immer wieder äußerst gerne zu Gemüte führe – unabhängig von der jeweiligen Jahres-, Tageszeit oder dem Gemütszustand. „Der Tod Steht Ihr Gut“ ist einerseits eine großartige, makabre und waghalsige Satire auf den anschwellenden Jugend- und Schönheitswahn der höheren, angloamerikanischen Gesellschaft, andererseits aber auch infolge eines gemächlichen Beginns nichts anderes als eine reine, temporeiche Eruption an überspitzten, nichtsdestoweniger zeitlos witzigen Geistesblitzen innerhalb eines ebenso hemmungslos überspannten, delikat dialogisierten Drehbuchs. Neben den expressionistischen, gemessen an der Entstehungszeit beinahe schon als bahnbrechend zu erachtenden Effekten, die gemeinsam mit den stilvoll ausgeleuchteten Kulissen eine düstere Atmosphäre kreieren, wurde das Ganze garniert mit der überaus famosen, aus mystischen Klängen, Jazzmelodien und dramatischen Kompositionen bestehenden Filmmusik von Alan Silvestri, die man sich beinahe noch ausgedehnter gewünscht hätte. Vor allem die drei Hauptdarsteller haben ihre herausfordernde Aufgabe, von Anfang bis Ende in ihren Interaktionen zu chargieren, ohne dabei ins Lächerliche abzugleiten, virtuos gemeistert, denn Meryl Streep und Goldie Hawn punkten in den Rollen der biestigen, konkurrierenden Furien auf ganzer Linie, während Bruce Willis als bemitleidenswerter Hänfling auch endlich mal eine andere Facette zeigen konnte. Des Weiteren zeigte sich auch Ingrid Bergmans häufig belächelte Tochter Isabella Rossellini in absoluter Höchstform. Wer darauf steht, bis zum Auftreten von Tränen zu lachen, befindet sich mit dieser exzellenten Persiflage in allerbesten, filmischen Händen. Au, Backe! 🙂

USA 1992 - 99 Minuten Regie: Robert Zemeckis Genre: Schwarze Komödie / Satire / Fantasy Darsteller: Meryl Streep, Goldie Hawn, Bruce Willis, Isabella Rossellini, Ian Ogilvy, Adam Storke, Sydney Pollack, Alaina Reed Hall, Nancy Fish, Michelle Johnson
USA 1992 – 99 Minuten
Regie: Robert Zemeckis
Genre: Schwarze Komödie / Satire / Fantasy
Darsteller: Meryl Streep, Goldie Hawn, Bruce Willis, Isabella Rossellini, Ian Ogilvy, Adam Storke, Sydney Pollack, Alaina Reed Hall, Nancy Fish, Michelle Johnson

Die Dolmetscherin (OT: The Interpreter)

4

Ein Film von brandaktueller, gesellschaftlicher Relevanz, den ich für deutlich zu wenig gewürdigt halte, war die unglücklicherweise letzte Regiearbeit des großen Sydney Pollack, für die er als erster Filmemacher überhaupt die offizielle Erlaubnis erhielt, in den Hallen des Hauptsitzes der „Vereinten Nationen“ und der Generalversammlung zu drehen. Das zugrunde liegende, von einem ganzen Autorenteam entwickelte Originaldrehbuch schildert die Geschichte der UNO-Dolmetscherin Silvia Broome, die zur Zeugin eines nebulösen Mordkomplotts gegen den Diktator eines (dankenswerterweise) fiktiven Staates in Mittelafrika wird. So zeichnet sich das filmische Resultat durch einen auffallend umsichtigen Erzählrhythmus aus, in dem sich gemächlich Atmosphäre und Charakterentwicklung verdichten können, denn Pollack nimmt sich besonders viel Zeit für das verwundete Gefühlsleben der beiden Protagonisten, wodurch trotz einiger hochspannender Szenen kein klassischer Politthriller entstanden ist, sondern viel mehr ein äußerst spannendes, intensives psychologisches Kammerspiel vor politischer Kulisse. Sicherlich mögen einige Zusammenhänge doch einen Hauch unrealistisch erscheinen, dennoch vermag der Film in erster Linie für Pazifismus zu werben und den großen Stellenwert von Worten in unserem Leben zu verdeutlichen. Hervorzuheben ist überdies eine für meine Begriffe technische Perfektion, denn ich habe innerhalb des Genres selten eine derart sensationelle Schnittarbeit bewundern dürfen, die im Einklang mit ebenso gelungenen, variablen Kameraperspektiven grandiose Übergänge erschafft. Des Weiteren punkten sowohl Nicole Kidman und Sean Penn als auch Catherine Keener mit Facettenreichtum und durchgängiger Präsenz. Pollacks würdiger Karriereabschluss ist somit aus meiner Sicht ein subtiles und wendungsreiches Werk, das besonders in Zeiten von Terror und ethnischer Kriminalität wieder tagespolitische Brisanz besitzt, sich eindeutig von der regelrechten Anhäufung an 08/15-Thrillern abhebt und – nicht nur dank einer wieder einmal ideal besetzten Kidman – von Kritikern maßlos unterschätzt worden ist.

UK / USA / F / D 2005 - 128 Minuten Regie: Sydney Pollack Genre: Politthriller / Drama Darsteller: Nicole Kidman, Sean Penn, Catherine Keener, Jesper Christensen, Yvan Attal, Earl Cameron, George Harris, Michael Wright, Tsai Chin, Clyde Kusatsu, Hugo Speer
UK / USA / F / D 2005 – 128 Minuten
Regie: Sydney Pollack
Genre: Politthriller / Drama
Darsteller: Nicole Kidman, Sean Penn, Catherine Keener, Jesper Christensen, Yvan Attal, Earl Cameron, George Harris, Michael Wright, Tsai Chin, Clyde Kusatsu, Hugo Speer

Die Schlangengrube (OT: The Snake Pit)

5

Seelische Krankheitsbilder und deren Therapie müssen gewiss als Erscheinungen angesehen werden, an die man sich auf filmisch-rezipierter Ebene innerhalb der schillernden Hollywood-Ära so gut wie nie herangetraut hat. Unter Einbeziehung mehrerer Koryphäen auf dem Gebiet der Psychiatrie entstand jedoch erstmals ein schneidiges, mutiges und psychologisch exakt gezeichnetes Porträt mit äußerst treffendem Titel, das vor allem meine Verehrung für die ein weiteres Mal brillant agierende Hauptdarstellerin manifestierte. Wenngleich die Ausformung der Geschichte um eine junge Ehefrau, die wegen halluzinativen Depressionen in eine geschlossene Anstalt gerät, ist vielleicht ein Minimum zu melodramatisch geraten und die Bedeutung der Schocktherapie aus heutiger Sicht in die Jahre gekommen, dennoch gewährte Litvak dem Zuschauer, einen reflektierten, unbeschönigten und sorgfältigen Blick in die erkrankte Seele der Protagonistin, welche man vielleicht nicht nachfühlen kann, jedoch zumindest versuchen möchte, nachzuvollziehen. Durch eine konsequent auf das Gesicht von Virginia ausgerichtete Kamera und mit der beklemmenden Atmosphäre konvenierende Kompositionen werden außerdem Elemente entfaltet, die nicht in erster Linie dem Dramengenre zuzuordnen sind. Getragen wird der ideal lange Film von einer ausgezeichneten Leistung von Olivia de Havilland, die sich ihrer herausfordernden Rolle mit Courage und Sensitivität gestellt hat, jedoch auch im Zusammenspiel mit ihren männlichen Filmpartnern überzeugte. Infolgedessen heimste sie zu Recht ihre vierte Oscarnominierung ein, musste sich allerdings Jane Wyman geschlagen geben. Obschon das Werk des Mannes, der bereits für den Klassiker „Du Lebst Noch 105 Minuten“ verantwortlich war, demnächst sein 70. Jubiläum feiern wird, muss er dennoch nach wie vor als reifes, hochemotionales, mutiges und verstörendes Drama mit ungeahnter Lebensrelevanz erachtet werden, denn auch im 21. Jahrhundert ist die Seelenheilkunde noch in vielerlei Hinsicht rudimentär erforscht und die Behandlung optimierungswürdig. „Die Schlangengrube“ begeisterte seinerzeit nicht nur sämtliche Kritiker und avancierte überdies zum Kassenerfolg, sondern wurde zu Recht für insgesamt sechs Oscars vorgeschlagen, von denen immerhin einer gewonnen werden konnte.

USA 1948 - 108 Minuten Regie: Anatole Litvak Genre: Psychodrama Darsteller: Olivia de Havilland, Mark Stevens, Leo Genn, Celeste Holm, Leif Erickson, Beulah Bondi, Glenn Langan
USA 1948 – 108 Minuten
Regie: Anatole Litvak
Genre: Psychodrama
Darsteller: Olivia de Havilland, Mark Stevens, Leo Genn, Celeste Holm, Leif Erickson, Beulah Bondi, Glenn Langan

Ehekrieg (OT: Adam’s Rib)

6

„Anwälte sollten eben keine Anwälte heiraten. Das ist Inzucht wie sie im Buch steht. Und das Ergebnis sind dann idiotische Kinder und noch mehr Anwälte.“ Dies ist eins der unglaublich selbstsarkastischen Zitate aus „Ehekrieg“, der überdies die grundlegende Problematik des beleuchteten Konkurrenzkampfes eines verheirateten Juristenpaares, das sich vor Gericht wiedertrifft, zusammenfasst. Ich gebe natürlich überaus gerne zu, dass ich in Bezug auf klassische Filmproduktionen, in denen die „Grand Dame“ des Schauspielgeschäfts den Part der weiblichen Hauptrolle übernommen hat, ein bisschen befangen bin, dennoch kommen aus meiner Sicht nur eine Handvoll unter ihrer Beteiligung entstandene Werke der Perfektion besonders nahe. Eine ganzheitliche Sensation stellt Cukors charmante Komödie heutzutage vielleicht nicht mehr dar, denn dazu fehlte es mir in letzter Instanz an dem so oft genannten, besonderen Quäntchen, allerdings kann sie zweifelsohne als unvergänglich unterhaltsamer, scharf dialogisierter und mit dem in der Realität hinter vorgehaltener Hand lebenden Liebespaar Katharine Hepburn und Spencer Tracy bestmöglich besetzte Zwist der Geschlechter mit Raum für nachdenkliche Zwischentöne angesehen werden. Mit Leichtigkeit verkörperte Hepburn die Rolle der schlagfertigen Amanda, die ihrem Naturell nachempfunden hätte sein können, denn auch sie galt nicht von ungefähr als emanzipatorische Vorreiterin. Es muss trotz einer unfassbaren Anzahl von zwölf (!) Oscarnennungen als schade erachtet werden, dass sie gerade für diese Darstellung nicht berücksichtigt wurde, denn diese zählt für mich zu den amüsantesten ihrer gesamten Karriere. Auch Hope Emerson und Judy Holliday vermögen neben dem stets souverän agierenden Tracy in ihren Nebenrollen zu überzeugen. Der dargebotene Konflikt spitzt sich ebenso stufenweise zu wie die zeittypischen Gender-Diskussionen selbst, bereitet der ertragreichen Screwball-Comedy-Ära mit seinem spritzigen Unterhaltungscharakter somit einen angemessenen und kurzweiligen Abschluss und erhielt von der Academy immerhin eine Nominierung für das „Beste Drehbuch“.

USA 1950 - 98 Minuten Regie: George Cukor Genre: Komödie Darsteller: Spencer Tracy, Katharine Hepburn, Judy Holliday, Tom Ewell, David Wayne, Jean Hagen, Hope Emerson, Eve March
USA 1950 – 98 Minuten
Regie: George Cukor
Genre: Komödie
Darsteller: Spencer Tracy, Katharine Hepburn, Judy Holliday, Tom Ewell, David Wayne, Jean Hagen, Hope Emerson, Eve March

Hair

7

Filme, die zur Gattung der Musicals gehören, sind insbesondere dann interessant, wenn sie die Zuschauerschaft nicht nur aufzumuntern und mitzureißen beabsichtigen, sondern darüber hinaus soziale Kritik oder individuelle Relevanz entfalten wollen. Dieses As wurde im Falle von Formans „Hair“ freilich ausgespielt, dennoch muss ich gestehen, dass ich das vor Jahren erstmals gesehene Werk als solches deutlich befriedigender in Erinnerung hatte. Ohne die sensationellen, weltberühmten vor Gruppendynamik und Vitalität strotzenden und darüber hinaus schwer zu singenden Songs „Aquarius“ und vor allem „Let The Sunshine In“ – diesbezüglich spreche ich aus Erfahrung – sowie das Geschehen vor dem tragischen Hintergrund des verlustreichen Vietnamkrieges und der damit korrelierenden Hippie-Phase wäre der Film aber einen ganzen Deut zu langatmig und redundant inszeniert worden, um den Hauptzweck eines Musicals durchgängig zu erfüllen. So finden wir – analog zu den Wortwechseln – wiederholt einen dramaturgisch abrupten Wechsel zwischen substantiellen und abflachenden Sequenzen vor, im Gegenzug wurde die vielfältige, zunehmend buntere Lebensart gleichermaßen adäquat widergespiegelt und mit einem im größeren Kontext zu Herzen gehenden Finale verbunden. In Bezug auf die engagierten Schauspieler finden wir ebenfalls sowohl Licht als auch Schatten vor, schließlich liefern die beiden Hauptdarsteller John Savage und Treat Williams passable Auftritte ab, während die Damen der Schöpfung, abgesehen von ihrem fantastischen Gesang, fortwährend blass daherkommen. Insgesamt sehe ich „Hair“, der für zwei „Golden Globes“ nominiert wurde, zwar trotz seiner Eigentümlichkeit immer noch als durchaus ansehnlichen Genrevertreter, doch gerade an diesem Exempel werden wir des Umstandes gewahr, dass der Zahn der Zeit insbesondere an Musicals nagen kann.

USA 1979 - 119 Minuten Regie: Miloš Forman Genre: Musical / Tragikomödie Darsteller: Treat Williams, John Savage, Beverly D’Angelo, Annie Golden, Don Dacus, Dorsey Wright, Nicholas Ray, Michael Jeter
USA 1979 – 119 Minuten
Regie: Miloš Forman
Genre: Musical / Tragikomödie
Darsteller: Treat Williams, John Savage, Beverly D’Angelo, Annie Golden, Don Dacus, Dorsey Wright, Nicholas Ray, Michael Jeter

Jetzt Oder Nie – Zeit Ist Geld

8

Der Mann kann, wenn er denn wirklich will… Dies beweist die Arbeit von Til Schweiger als ausführender Produzent in dem unter Verantwortung von Lars Büchel inszenierten, auf einem segensreichen Originaldrehbuch basierenden Film über drei eng befreundete, betagte, verwitwete Seniorinnen namens Carla. Lilli und Meta, die sich in Form einer Seereise einen letzten Wunsch erfüllen wollen, sich dabei aber gezwungen sehen, unlautere Ganovenmethoden einsetzen zu müssen. Dabei ist es in Gänze gelungen, den schwierigen Spagat zwischen melodramatischen, ironischen, urkomischen und dem Krimigenre zuzuordnenden Elementen durchzuführen, ohne den Rentnerinnen gegenüber Häme oder Mitleid zu empfinden. Inmitten des geschliffenen Drehbuchs läuft ein Großteil des niveauvollen, wenngleich stellenweise erfrischend raubeinigen Humors, der vielleicht wegen einiger Spitzen gegen den Alltag in Altersheimen nicht jedermanns Sache sein dürfte, über die fantastische Interaktion zwischen den leider inzwischen verstorbenen Theaterdarstellerinnen Gudrun Okras, Elisabeth Scherer und Christel Peters, die uns zudem als „Mutter aller Schnäppchen“ im Gedächtnis bleiben wird. Den drei Damen, die unter Beweis stellen durften, dass es nicht immer unverbrauchter Gesichter auf der Leinwand bedarf, wurde für ihre einzigartigen, unterhaltsamen Leistungen zu Recht der Ernst-Lubitsch-Preis verliehen, während prominente Gastdarsteller wie Corinna Harfouch und Martin Semmelrogge zusätzlich für Bereicherung sorgen. Witziger Weise habe ich die besonders nachwirkende und zum Nachdenken anregende Tragikomödie im besten Sinne wohl nur deswegen kennengelernt, weil meine Freunde und ich damals anlässlich eines Kindergeburtstags in den falschen Kinosaal gestolpert sind. Entstanden ist in allererster Linie ein unkonventionelles und bewegendes, wenn auch aufgrund einiger ausgewalzter Szenen nicht fehlerfreies Porträt über langjährige Freundschaft und den Wert von Lebensweisheiten, das uns überdeutlich vor Augen zu führen vermag, so wenig Lebenszeit wie möglich zu verschwenden und Menschen höheren Alters höhere Wertschätzung entgegenzubringen.

D 2000 - 95 Minuten Regie: Lars Büchel Genre: Tragikomödie / Kriminalfilm Darsteller: Gudrun Okras, Elisabeth Scherer, Christel Peters, Martin Semmelrogge, Corinna Harfouch, Vladimir Weigl, Gerry Wolff, Til Schweiger, Mark Keller, Ingrid von Bothmer
D 2000 – 95 Minuten
Regie: Lars Büchel
Genre: Tragikomödie / Kriminalfilm
Darsteller: Gudrun Okras, Elisabeth Scherer, Christel Peters, Martin Semmelrogge, Corinna Harfouch, Vladimir Weigl, Gerry Wolff, Til Schweiger, Mark Keller, Ingrid von Bothmer

Jurassic Park

9

Mehr als ein einziges Mal äußerte ich den Standpunkt, dass ich den kleineren, anspruchsvollen Arthausproduktionen im Vergleich zu vordergründig pekuniär motivierten, filmischen Kassenschlagern deutlich mehr abgewinnen kann. Wenn ich jedoch einen dieser so genannten „Blockbuster“ benennen müsste, den ich noch genauso grandios finde wie bei der allerersten Sichtung, dann würde meine Wahl vermutlich (neben dem taufrischen „Gravity“) auf „Jurassic Park“ fallen, der drei Oscars gewann. Die Verfilmung von Michael Crichtons gleichnamigen, an viele Forschungserkenntnisse angelehnte Bestseller, die einige plausible Abänderungen enthielt, setzte neue, bahnbrechende, nichtsdestotrotz auch im Jahr 2015 noch immer dem produktiven Zeitgeist entsprechende Maßstäbe im Bereich der visuellen Computereffekte, die ein Drittel der immensen Produktionskosten verschlangen und rangierte nicht umsonst bis zur Veröffentlichung von „Titanic“ auf dem vordersten Rang der finanziell erfolgreichsten Kinoproduktionen. Neben der feinsinnig fotografierten und ausgeleuchteten, optischen Sphäre inmitten der Tropen, die einen als Zuschauer jedes Mal aus Neue direkt an dem zeitweise nervenzerreißend spannenden Geschehen teilhaben lässt und gleichermaßen wohldosierte Atempausen bereithält, wird auch die Charakterisierung der einzelnen Figuren mit all ihren differenten Beweggründen im Gegensatz zu vielen anderen Actionstreifen zu keinem Zeitpunkt vernachlässigt, hinzu kommt des Weiteren eine unvergänglich fantastisch arrangierte musikalische Untermalung von Altmeister John Williams. Darüber hinaus zeigen sowohl Sam Neill, Richard Attenborough und Laura Dern als auch Jeff Goldblum sowie auch die Nachwuchsakteure starke Auftritte, mit denen man förmlich mitleidet. Die Nachbearbeitung dieses Mammutprojektes, das wohl nur Spielberg selbst in dieser Dimension hätte umsetzen können, wurde von George Lucas fortgeführt, da Ersterer sich anschließend „Schindlers Liste“ fertigstellte und somit zwei der besten Werke des gesamten Jahrzehnts im Abstand von nur wenigen Monaten publizierte. Letzten Endes gehe ich nicht davon aus, dass der vierte, im kommenden Sommer veröffentlichte Dinosaurier-Film die Qualität des ersten Parts annähernd erreichen wird, denn „Jurassic Park“ war und ist in vielerlei Hinsicht als wegweisend anzuerkennen.

USA 1993 - 123 Minuten Regie: Steven Spielberg Genre: Abenteuer / Thriller / Science-Fiction Darsteller: Richard Attenborough, Sam Neill, Laura Dern, Jeff Goldblum, Joseph Mazzello, Ariana Richards, Bob Peck, Wayne Knight, Martin Ferrero, Samuel L. Jackson, Bradley Darryl Wong
USA 1993 – 123 Minuten
Regie: Steven Spielberg
Genre: Abenteuer / Thriller / Science-Fiction
Darsteller: Richard Attenborough, Sam Neill, Laura Dern, Jeff Goldblum, Joseph Mazzello, Ariana Richards, Bob Peck, Wayne Knight, Martin Ferrero, Samuel L. Jackson, Bradley Darryl Wong

Vergessene Welt: Jurassic Park (OT: The Lost World: Jurassic Park)

10

Nicht gerade selten folgt auf den starken, für einen regelrechten Hype sorgenden Auftakt einer speziellen Filmreihe eine Fortsetzung, die zwar zweifellos ebenfalls ambitioniert gestaltet worden ist, jedoch den daraus resultierenden, hochgesteckten Erwartungen schwerlich gerecht werden konnte. Die Dinosaurier-Trilogie bildet in ebendiesem Kontext keine Ausnahme, denn an den Meisterstreich von 1993 reicht die zweite, vier Jahre später veröffentlichte Kooperation von Crichton und Spielberg freilich bei Weitem nicht heran, dennoch kann sich das Entstandene größtenteils immer noch sehen lassen, ohne vor Scham erröten zu müssen. Der Aufguss bietet trotz einiger, vermeidbarer Längen gute und weitestgehend spannende Unterhaltung für einen Abend mit einer großen Schüssel Mikrowellenpopcorn, was vor allem daran liegt, dass das Hauptaugenmerk der Verantwortlichen ganz offensichtlich primär auf die Optimierung der technisch-animierten Charakteristika gelegt wurde. Besonders in Bezug auf die (für Kaminski fast schon typische) Kameraarbeit und eine höhere Quantität an actionreichen Sequenzen nach einer ruhigen Heranführung hat man die Zielsetzung sogar annähernd erfolgreich umgesetzt und der gelungene, beinahe schon heroisch inszenierte Schlussakt hält sogar eine nicht abzusehende, faustdicke Überraschung bereit. Nichtdestotrotz führt speziell die mechanisch-routinierte und stellenweise schlicht und ergreifend zu überladene Vorgehensweise sowie eine dünnere Dramaturgie dazu, dass „Vergessene Welt“ nicht mehr annähernd so visionär daherkommt wie der Vorgänger und einen emotional weitaus weniger anspricht. Bezogen auf die Darsteller hatte zuvor Schlimmeres erwartet, doch Goldblum, Moore und Postlethwaite harmonieren im Zusammenspiel adäquat und erfüllen ihre Funktion als von allen Seiten gejagte, allzu neugierige Inselbesucher. Letzten Endes erwies sich das immerhin überdurchschnittliche Sequel an den Kinokassen dieser Welt somit nicht völlig unbegründet als Segen.

USA 1997 - 129 Minuten Regie: Steven Spielberg Genre: Abenteuer / Thriller / Science-Fiction Darsteller: Jeff Goldblum, Julianne Moore, Pete Postlethwaite, Vince Vaughn, Arliss Howard, Peter Stormare, Richard Attenborough, Vanessa Lee Chester, Joseph Mazzello, Ariana Richards
USA 1997 – 129 Minuten
Regie: Steven Spielberg
Genre: Abenteuer / Thriller / Science-Fiction
Darsteller: Jeff Goldblum, Julianne Moore, Pete Postlethwaite, Vince Vaughn, Arliss Howard, Peter Stormare, Richard Attenborough, Vanessa Lee Chester, Joseph Mazzello, Ariana Richards

Jurassic Park III

11

Erst vor wenigen Wochen habe ich den zuletzt erschienenen Part der Trilogie erstmals gesehen und war im Anschluss trotz geringer Erwartungen analog zu den meisten, seinerzeitigen Kritikern mehr als frustriert. Unglücklicherweise merkt man beinahe in jeder Sekunde, dass weder Michael Crichton noch Steven Spielberg ihre Hände bei der Realisierung dieses Streifens im Spiel hatten und sich womöglich davon distanziert hätten, wenn dies der Fall gewesen wäre. Ich kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich es wertschätzen oder aber bedauern soll, dass das Abenteuer nach gerade einmal 90 Minuten unglaublich abrupt endet, denn der Fakt, dass die Velociraptoren durch eine andere feindliche, prähistorische, ebenfalls blutrünstige Spezies ersetzt wurden, bildet im Prinzip den einzigen, neuartigen Einfall. Der belanglose Soundtrack und die Schnitte wirken ähnlich willkürlich, unüberlegt und zusammengewürfelt wie die austauschbaren und größtenteils unglaubwürdig agierenden Darsteller – sogar der von mir besonders geschätzte Sam Neill wirkt gelangweilt – und das seichte, sich im Prinzip selbst überlassene Handlungsgefüge ohne wirkliche Höhepunkte. Zudem wurden die ziellos herumrennenden Charaktere derart flach und oberflächlich gezeichnet, dass es einem letzten Endes verhältnismäßig egal ist, ob nun ein Wesen namens Spinosaurus nach ihnen schnappt oder nicht, weswegen man in Summe nicht einmal mehr von solider Popcorn-Unterhaltung sprechen kann. Lediglich die visuellen Effekte lassen kaum Wünsche offen, doch dies allein macht den Film noch lange nicht zu einem Erlebnis, das man mehr als ein Mal gesehen haben muss. War der Auftakt noch ein regelrechter Tornado und der zweite Teil immer noch mit einer steifen Brise vergleichbar, kann der Abschluss der Trilogie nur noch als laues Lüftchen angesehen werden, das zwischen vielen anderen, mediokren Vertretern des Genres untergeht, was sich auch eines massiven Einbruchs der Zuschauerzahlen belegen lässt. Folglich bleibt mir nur noch inständig zu hoffen, dass der eindeutig ablesbare Abwärtstrend im Jahr 2015 nicht kontinuierlich weiterverfolgt wird und die Kreativpause stattdessen Vorteile mit sich bringt.

USA 2001 - 93 Minuten Regie: Joe Johnston Genre: Abenteuer / Thriller / Science-Fiction Darsteller: Sam Neill, William H. Macy, Téa Leoni, Alessandro Nivola, Laura Dern, Trevor Morgan, Michael Jeter, Linda Park, Bruce A. Young, John Diehl, Sarah Danielle Madison
USA 2001 – 93 Minuten
Regie: Joe Johnston
Genre: Abenteuer / Thriller / Science-Fiction
Darsteller: Sam Neill, William H. Macy, Téa Leoni, Alessandro Nivola, Laura Dern, Trevor Morgan, Michael Jeter, Linda Park, Bruce A. Young, John Diehl, Sarah Danielle Madison

Pompeii

12

Der Krampf der Historienepen des 21. Jahrhunderts geht in eine neue, frustrierende Runde. Einen von Paul W.S. Anderson inszenierten „Resident-Evil“-Teil fand ich damals erstaunlicherweise annehmbar und vielleicht aus diesem Grund habe ich mich überhaupt zur Sichtung von „Pompeii“ hinreißen lassen. Die Thematik rund um den verheerenden Vesuvausbruch ist für einen historisch Interessierten freilich ohnehin interessant, doch nach der Sichtung kann ich nur sagen: Ich hätte auf mein Gefühl hören sollen und mir diesen Plunder sparen sollen, denn das waren anderthalb Stunden vertaner Lebenszeit. 95 Prozent aller Wortwechsel innerhalb der missglückten Dramaturgie pendeln zwischen schier unglaublicher Einfalt und Debilität, weswegen ich häufig körperliche Schmerzen verspürte, während speziell die eingedroschene Liebesgeschichte kaum hölzerner und willkürlicher inszeniert werden hätte können. Dass sich das kanadische Team auch nicht mehr als einen Atemzug um historische Akkuratesse scherte, war beinahe zu erahnen, doch nicht einmal die visuelle und akustische Sphäre erfüllte die (niedrigen) Erwartungen, denn neben der abgekupferten Musik muten speziell die Kulissen an wie poröser Ramsch und die 3D-Effekte erschienen durchgängig wie gewollt, aber nicht gekonnt. Ferner durfte ich selbst am McDrive einer bekannten Fastfood-Kette schon besseres Theater bewundern als hierin, weil nicht ein einziger Beteiligter aus der Darstellerriege den Eindruck vermittelt hat, als sei er konzentriert oder gar mit Elan bei der Sache – nicht einmal Kiefer Sutherland. „Pompeii“ spielte nur rund ein Viertel seiner Fertigungskosten wieder ein, was mir insofern wenigstens etwas Befriedigung verschafft hat, als dass sich das Publikum von heute scheinbar doch nicht jeden Nonsens mit Erfolg auftischen lässt. Der Untergang des römischen Kulturzentrums am Golf von Neapel kann jedenfalls nicht viel schlimmer gewesen sein als dieser miserable Film und man muss in der Tat von ausgesprochenem Glück reden, dass uns eine inhaltliche Fortsetzung aufgrund sich selbst erklärender Gründe erspart bleiben wird.

CA 2014 - 102 Minuten Regie: Paul W.S. Anderson Genre: Historiendrama / Katastrophenfilm Darsteller: Kit Harington, Carrie-Anne Moss, Emily Browning, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Jessica Lucas, Jared Harris, Kiefer Sutherland, Sasha Roiz
CA 2014 – 102 Minuten
Regie: Paul W.S. Anderson
Genre: Historiendrama / Katastrophenfilm
Darsteller: Kit Harington, Carrie-Anne Moss, Emily Browning, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Jessica Lucas, Jared Harris, Kiefer Sutherland, Sasha Roiz

Rapunzel

13

Im Zuge meiner persönlichen Bestenliste der schönsten Märchenfilme habe ich bereits kritisch angemerkt, dass es den allermeisten, derzeit Hochkonjunktur genießenden Neuverfilmungen der ARD und des ZDF häufig an Herz, Seele und obendrein Werktreue fehlt und diese sich überwiegend nicht mit den Klassikern aus den 50ern & 60ern messen können. Dennoch sind viele der Adaptionen zumindest akzeptabel für einen Sonntag im Kreise der Familie, allerdings musste ich zu Ostern eine weitere Produktion im Rahmen der „Sechs auf einen Streich“-Reihe ertragen, die mich als Märchenliebhaber mehr als nur empört hat. In der „Rapunzel“-Version von 2009 finden wir nämlich eine Vielzahl von willkürlichen, selten dämlichen Neudeutungsversuchen und Abänderungen von Details, die den Zauber und den ethischen Wert der wunderbaren Vorlage fast in Gänze zunichtemachen. Darüber hinaus hat man sich hier auch auf inszenatorischer Ebene keinerlei Mühe gegeben, da Kostüme, Szenenbilder und visuelle Effekte eher langweilen als das Auge zu erfreuen. Die souveräne Darstellung der theatererfahrenen Susanne von Borsody kann da wirklich nichts mehr retten, gerade weil die übrigen Ensemblemitglieder ungefähr so konzentriert spielten, als könnten sie die Raucherpause kaum noch erwarten. Die Rapunzel-Schauspielerin agiert beispielsweise durchgängig übertrieben, hysterisch und unsympathisch, während der bubihafte Prinz nicht nur infolge seiner Erblindung genauso ziellos durch die Szenerien stolpert wie Boris Aljinovic und der nervtötende Piet Glocke. Herausgekommen ist somit ein trister Film, welcher der melancholischen Geschichte keinesfalls gerecht wird, meine anfänglich genannte These untermauern dürfte und nicht einmal die jüngsten Zuschauer zu unterhalten vermag. Obschon ich die Disney-Variante (abgesehen von den Songs) auch nicht gerade großartig fand, ist diese jedoch – verglichen mit der TV-Produktion – als ein Meisterstück zu betrachten. Die Gebrüder Grimm hätten sich angesichts dieses kläglichen und lieblos aufgezogenen Einstünders vermutlich mehr als einmal in ihrem Grabe herumgedreht.

D 2009 - 58 Minuten Regie: Bodo Fürneisen Genre: Märchenfilm Darsteller: Luisa Wietzorek, Jaime Krsto Ferkic, Suzanne von Borsody, Antje Westermann, Boris Aljinovic, Piet Klocke, Rita Feldmeier, Dieter Montag
D 2009 – 58 Minuten
Regie: Bodo Fürneisen
Genre: Märchenfilm
Darsteller: Luisa Wietzorek, Jaime Krsto Ferkic, Suzanne von Borsody, Antje Westermann, Boris Aljinovic, Piet Klocke, Rita Feldmeier, Dieter Montag

Ted

14

Lustigkeit ist augenscheinlich ein sehr viel individuelleres, spezifischeres Phänomen als Dramatik oder Melancholie, insbesondere wenn es um Spielfilme geht, denn was den einen auf der Leinwand zum Kreischen und Johlen bringt, lässt den anderen völlig kalt oder stößt den Dritten häufig sogar ab. Ich wiederum mag am allerliebsten niveauvollen Witz mit Lebensrelevanz und gewissem Tiefgang, was ich mir anhand von MacFarlanes Erstlingswerk vorab gar nicht erst versprochen hatte, aber dennoch hatte ich mir von jemandem, der einem Subversivität nur so um die Ohren hat, Besseres erwartet. Die Grundidee des imaginären Freundes mag sicherlich in Ordnung sein, in dieser Form sogar recht innovativ, nichtdestotrotz ist der dargebotene, wiedergekäute Humor für mein Empfinden von vorn bis hinten einfach unglaublich ordinär, infantil und kalauerlastig, gleichwohl mutet das voraussehbare Ende inkonsequenter Weise und urplötzlich krampfhaft sentimental an. Obschon es ein paar wenige Szenen gab, bei denen ich aufgrund popkultureller Anspielungen zumindest gelegentlich ins Schmunzeln geriet, reichen die Gags in ihrer Art einfach nicht, um einen fast zweistündigen Film am Leben zu halten. Dass Norah Jones nettes Lied eine Nominierung seitens der Academy erhalten hat, freut mich zwar für sie als Musikerin, darf aber eventuell der Sentimentalität gegenüber dem Oscar-Gastgeber geschuldet werden. Die beiden Hauptdarsteller Mark Wahlberg und Mila Kunis mag ich als Schauspieler grundsätzlich recht gerne, doch hierin agieren sie doch größtenteils unbeansprucht und gelangweilt inmitten einer erschreckend unspektakulären Darstellerriege. Womöglich bedarf es wie in vielen anderen Fällen eines leicht erhöhten Promillespiegels im Kreise von Freunden, um sich anhand des Gesehenen wirklich totlachen zu können… Entgegen der zahlreichen Lobpreisungen ist „Ted“ somit meiner bescheidenen Ansicht nach nichts anderes als ein austauschbarer, zielgruppenorientierter Rohrkrepierer und das bereits in den Startlöchern befindliche Sequel werde ich mir dann schenken. Um es mit einem aktuellen Mobilfunk-Werbespot auszudrücken: Big Dislike!

USA 2012 - 106 Minuten Regie: Seth MacFarlane  Genre: Komödie / Satire Darsteller: Mark Wahlberg, Mila Kunis, Seth MacFarlane, Giovanni Ribisi, Aedin Mincks, Joel McHale, Patrick Warburton, Laura Vandervoort, Melissa Ordway, Norah Jones
USA 2012 – 106 Minuten
Regie: Seth MacFarlane
Genre: Komödie / Satire
Darsteller: Mark Wahlberg, Mila Kunis, Seth MacFarlane, Giovanni Ribisi, Aedin Mincks, Joel McHale, Patrick Warburton, Laura Vandervoort, Melissa Ordway, Norah Jones

Von Löwen Und Lämmern (OT: Lions For Lambs)

15

Es muss aufgrund vieler Gründe als bedauernswert angesehen werden, dass Robert Redfords inzwischen siebente Regieführung von 2007 wegen mangelnder Promotion den meisten Filmfans entgangen sein dürfte, denn er konfrontiert das Publikum mit gleich mehreren unangenehmen Fragen. Drei unterschiedliche, jedoch nach und nach ineinandergreifende Episoden, zwischen denen in effektvoll geschnittenen Sequenzen hin- und hergeschwenkt wird, entfalten hochbrisante, intelligente und erwägenswerte Diskurse über den US-amerikanischen Kampf gegen den Terrorismus und den damit verbundenen ethisch-moralischen Preis. Wenngleich man mit einigen, uramerikanischen Floskeln etwas sparsamer hätte umgehen sollen, ermöglichen insbesondere viele der neutral gehaltenen Dialogen die Generierung einer gesellschaftskritischen Parabel für den äußerst schmalen Grat zwischen Berichterstattung und Propaganda sowie Eigenverantwortung und Laissez-Faire im sozialen Kontext, in der sich gegen Ende auch Schwermut mithilfe einer elegischen Musikuntermalung entfalten kann. Zwar dominiert Meryl Streep in darstellerischen Belangen, da sie die Figur der mit ihrem Beruf hadernden Journalistin vielschichtig verkörpert hat, doch auch die übrigen Schauspieler können sich fast ausnahmslos sehen lassen. Man mag von Tom Cruise aufgrund seines ideologischen Hintergrundes halten, was man will, aber als aalglatter Senator zeigt er eine überzeugende Performance, gleichwohl hat mich auch Andrew Garfield in der Rolle des sorglosen Students mit seiner Leinwandpremiere auf Anhieb überzeugt, während Redford relativ zurückgenommen spielt, in jedem Fall aber deutlich besser und präsenter als beispielsweise in „All Is Lost“. Ich möchte somit trotz einiger, auf den offerierten Amerikanismus fußenden Mankos von einem gelungenen, dichten Politdrama sprechen.

USA 2007 - 88 Minuten Regie: Robert Redford Genre: Politdrama / Antikriegsfilm Darsteller: Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise, Michael Peña, Derek Luke, Andrew Garfield, Peter Berg, Kevin Dunn
USA 2007 – 88 Minuten
Regie: Robert Redford
Genre: Politdrama / Antikriegsfilm
Darsteller: Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise, Michael Peña, Derek Luke, Andrew Garfield, Peter Berg, Kevin Dunn

Zwei Tage, Eine Nacht (OT: Deux Jours, Une Nuit)

16

Wenngleich ich nicht über fließende Französischkenntnisse verfüge, versuche ich bei Filmen aus unserem flächengrößten Nachbarland grundsätzlich, zuallererst die Originalfassung anzusehen, da die Essenz vieler Dialoge in der deutscher Synchronisation mitunter verloren geht. Unabhängig von der jeweiligen Sprache war ich jedoch nach zwei Sichtungen relativ schnell enttäuscht vom hochgelobten Werk der Dardenne-Brüder, denn der letztjährig als offizieller Oscarbeitrag von Belgien ausgewählte Film hat aus seinen Möglichkeiten in Summe einfach zu wenig gemacht, obwohl das darin beschriebene, arbeitsrechtliche Dilemma zeitlos und prinzipiell erzählenswert daherkommt. Ohne das gewohnt überzeugende, empfindsame und überaus facettenreiche, beinahe mühelos wirkende Spiel von Marion Cotillard, die gut und gerne schon für „Nine“ und „Der Geschmack von Rost und Knochen“ oscarnominiert hätten werden dürfen, wäre dieser sozial- und kapitalismuskritische, doch leider ansonsten völlig handlungs- und spannungsarme und schnörkellose Film trotz seiner kurzen Dauer in der Tat zu zähflüssig und öde erzählt worden, wodurch er zudem nur in Ansätzen zu berühren vermag. Hinzu kommt, dass das temporär überzeugend dialogisierte Drama abgesehen von der Protagonistin auch nicht gerade besonders vorteilhaft besetzt worden ist. Ich möchte Cotillard ihre zweite Nominierung zwar keinesfalls absprechen, da dies wohl einfach an der Zeit war, allerdings hätte ich sie weitaus lieber für „The Immigrant“ berücksichtigt gesehen, weil dieser Film aus meiner Sicht das bedeutend substantiellere und implizierendere Werk darstellt. „Zwei Tage, Eine Nacht“ mag ambitioniert und profund gemeint gewesen sein und einige starke, gleichermaßen intentioniert schlichte Sequenzen offerieren, verlässt den Kopf im Gegensatz zu anderen fremdsprachigen Werken der letzten Jahre jedoch schlussendlich recht schnell wieder.

BE / F / IT 2014 - 95 Minuten Regie: Jean-Pierre & Luc Dardenne Genre: Sozialdrama Darsteller: Marion Cotillard, Fabrizio Rongione, Catherine Salée, Christelle Cornil, Timur Magomedgadzhiev, Serge Koto, Batiste Sornin, Olivier Gourmet
BE / F / IT 2014 – 95 Minuten
Regie: Jean-Pierre & Luc Dardenne
Genre: Sozialdrama
Darsteller: Marion Cotillard, Fabrizio Rongione, Catherine Salée, Christelle Cornil, Timur Magomedgadzhiev, Serge Koto, Batiste Sornin, Olivier Gourmet
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Ein-Absatz-Kritik, Filme, Reviews. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.