Mein persönlicher Oscarfilm-Marathon geht unaufhörlich weiter! Diesmal jedoch fällt die Rezension etwas kürzer als üblich aus, insbesondere weil über zwei der drei Produktionen mit insgesamt dreizehn Nennungen seitens der Academy bereits ausführlich diskutiert wurde. Der Vollständigkeit halber seien aber nochmals ein paar Worte darüber verloren…
Ewige Jugend (OT: Youth)
Uraufgeführt bei den renommierten Filmfestspielen von Cannes erntete das Nachfolgewerk des Mannes, der für „Die Große Schönheit“ vor zwei Jahren stellvertretend den Auslands-Oscar entgegennahm, viel Lob und vermochte es, trotz fehlender epischer Übergröße monatelang auf dem Schirm der Kritiker zu bleiben. Wenngleich ich mir in der Gesamtheit etwas weniger Redundanz und weniger Nacktheit gewünscht hatte, hält „Ewige Jugend“ elegant die Balance zwischen niveauvoller Komödie voll von Aphorismen über den unvermeidbaren Alterungsprozess und nachdenklichem Drama, das anhand der Zentrierung betagter Wellness-Touristen den Rückblick auf Wichtigkeiten sowie Banalitäten des Lebens in den Fokus rückt. Der Inhalt ist in seiner reduzierten Schlichtheit gesäumt von surrealistischen, symbolistischen Einschlüssen, wird visuell unterstützt von traumhaft fotografierten Drehorten in der Alpenregion und kommt trotz anrührender, doppelsinniger und leichtfüßiger Momente ohne jedwede Theatralik aus. Normalerweise trifft opereske Musik nur in seltenen Fällen meinen Geschmack, doch die von der Südkoreanerin Sumi Jo interpretierte Arie „Simple Song #3“ hat leidenschaftliche Qualitäten, umschmeichelt den Zuschauer exakt an der richtigen Filmstelle und wurde nicht nur vollkommen zu Recht nominiert, sondern dürfte den Favoritenstatus innehaben. Neben der lebhaften, stimmigen Bildsprache überzeugt auch die multinationale Darstellerriege nahezu ausnahmslos. Speziell Michael Caine, inzwischen fast dreiundachtzigjährig, lässt uns an ein weiteres Mal an einer seiner meisterhaften, jedoch scheinbar mühelosen Darbietungen teilhaben, während vor allem das Zusammenspiel mit Harvey Keitel unterhielt. Neben Rachel Weisz lieferte ganz besonders Jane Fonda innerhalb von nur wenigen Minuten einen denkwürdigen Auftritt. Obwohl ich sie als Person leider nicht sehr schätze, zeigt sie davon unangetastet eine divenhafte, erhabene und gleichermaßen charismatische Leistung, welche die Golden-Globe-Nennung rechtfertigte. „Ewige Jugend“ mag analog zu den meisten menschlichen Existenzen nicht perfekt oder aber spektakulär sein, dennoch stellt er einen überaus feinfühligen, hoffnungsvollen und künstlerisch inszenierten Genrebeitrag dar, der definitiv eine zweite Sichtung erfordert.
Mad Max: Fury Road
Dass ein finanziell mörderisch erfolgreicher Film, der zugleich Action-Blockbuster als auch Remake ist, ganze zehn Oscarnominierungen einfahren würde, hätte man vor einem halben Jahr wahrscheinlich genauso wenig absehen können wie den starken Polarisierungscharakter innerhalb unseres Forums. Um mich davon zu überzeugen, ob mir im Rahmen der Erstsichtung die etwaige Genialität von Millers Neuauflage entgangen sei, erfolgte nun der zweite Versuch, doch dieser hat mich in meiner Ansicht eher bestärkt. An der technischen Exzellenz gibt es nach wie vor wenig zu bemängeln, weswegen ich die Nominierungen für das aufwendige und irrwitzige Make-Up, die perfekte Tongestaltung, die für Temporeichtum sorgenden Schnitte und die visuellen Effekte keinesfalls in Abrede stellen werde und sogar einige der beteiligten Schauspieler machen ihre Sache verhältnismäßig achtbar. Wie schon zum Zeitpunkt des Kinostarts von Heiko angemerkt, entbehrt die Handlung jedoch indiskutabler Weise jeder Logik und Intention und ich zähle mich nun mal zu denjenigen, die ein Werk ohne konkreten, narrativen Kern als wenig sinnbringend erachten, seien sie noch so visuell mitreißend. Sobald man als Zuschauer nämlich den folgenschweren Fehler macht, zu sehr über das Dargebotene, die Logiklöcher und die stumpfsinnigen Dialoge nachzudenken, wird einem bewusst, wie derart banal und eindimensional die lediglich von einem zum nächsten Gemetzel denkende Dramaturgie ist. Dieses schnell ermüdende Momentum disqualifiziert „Mad Max“ in meinen Augen für die Nominierung als einer der besten Filme des Jahres, was jedoch, wie ich dezidiert betonen möchte, überhaupt nichts damit zu tun hat, dass ich dem zugrundeliegenden Genre allgemein deutlich weniger abgewinnen kann als beispielsweise Dramen. Schließlich fanden sich in den Hauptsparten schon häufiger actioneiche Science-Fiction-Vertreter wie „Inception“ und „Gravity“, denen jedoch gemeinsam ist, dass sie neben Materialschlachten auch Relevanz und Substanz offerierten und nicht nur optisch blendeten. Wie in Bezug auf nahezu jeden Film ist die Bewertung letztlich auch im konkreten Fall vordergründig Geschmackssache und eine Frage des persönlichen Stils, dennoch würde ich einen Sieg in den Hauptkategorien wegen der angesprochenen Mankos geradezu als Impertinenz in Relation zu den anderen, teils sogar in Gänze unberücksichtigten Kandidaten erachten.
Steve Jobs
Bereits vor Monaten in den Staaten und hierzulande veröffentlicht und vorab als einer DER Favoriten im Hinblick auf die 88. Oscarverleihung gehandelt, schwächte sich die anfängliche Euphorie letzten Endes auf lediglich zwei Nominierungen ab. Ebenjene Produktion, die ich nun mit reichlicher Verspätung zu Gesicht bekam skizziert das Leben und Wirken eines Mannes voll von Fortschrittsdenken, Zukunftsvisionen und Durchsetzungskraft, der allerdings im Hinblick auf seine individuellen Charakterzüge beinahe unausstehlich gewesen zu sein scheint. Boyle legt mit seinem 11. Kinofilm ein in erster Linie überaus versiert dialogisiertes Porträt mit starken Momentaufnahmen und sinnvollen Zeitprüngen vor, das den Weg bis zur Marktführung des Apple-Konzerns auch für das Empfinden von Techniklaien verständlich schildert und der Entwicklung zur Technokratie gerecht wird. Dieser überaus gelungenen und handwerklich ausgereiften, von Schnitt und Kamera lebenden Chronologie steht allerdings der Umstand entgegen, dass die Beleuchtung der familiären Hintergründe recht hastig abgearbeitet wird und deswegen bisweilen leider deplatziert erscheint. Wahrscheinlich werde ich auch diesbezüglich wie so oft gegen den Strom schwimmen, aber nach der Sichtung der beiden diesjährigen Hauptrollen Fassbenders binnen eines Tages muss ich aus voller Überzeugung gestehen, dass ich ihm (aufgrund des Ausschlusses von Doppelnominierungen) letztlich für „Macbeth“ den Vorzug gegeben hätte, da dies die noch vielschichtigere, herausforderndere Rolle darstellte, was jedoch nichts daran ändert, dass er auch den Part von Jobs hervorragend, energisch und hochauthentisch verkörpert. Hingegen ist es Kate Winslet, welche in der Tat die mit großem Vorsprung beste Darbietung seit einem halben Jahrzehnt liefert und jede Szene an sich reißt, während man dem ebenfalls fantastisch agierenden Jeff Daniels leider zu wenig Screentime hat, was wohl auch den primären Grund bildet, wieso er von keiner Kritikervereinigung auf die Bestenliste gewählt wurde. Einzige Schwachstelle im ansonsten überzeugenden Ensemble ist der erneut präsenzarme Seth Rogen, der erneut wirkt, als sei er nur halbherzig bei der Sache. „Steve Jobs“ stellt summa summarum eine grundsolide Filmbiographie mit einigen in Stein gemeißelten Highlights und einem zu Unrecht übergangenem Drehbuch dar, die jedoch nicht vollumfänglich meinen persönlichen Filmnerv stimuliert hat und eventuell eine Prise zusätzlicher Emotion hätte vertragen können. Dass die weltweiten Einspielergebnisse allerdings nur mit Mühe die Produktionkosten decken konnten, mutet andererseits als kleine Unverständlichkeit an.