Der Goldene Handschuh

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©Warner

Fatih Akin zeigt mit „Der Goldene Handschuh“, dass er einer der in Deutschland lebenden vielfältigsten Regisseure unserer Zeit ist. Egal ob mit der Jugendbuchverfilmung „Tschick“, dem Rachethriller „Aus dem Nichts“ oder seinem großen Durchbruch „Gegen die Wand“, der sich kritisch mit den Folgen einer Scheinehe auseinandersetzt, um den Moralvorstellungen der türkischen Eltern zu entsprechen. Mit der Romanverfilmung von Heinz Strunk erzählt Akin die Geschichte des Frauenmörders Fritz Honka aus dem Hamburger Kiezmilieu der 70er-Jahre und betritt er abermals ein neues Terrain und gestaltet den Film als ein Spektakel der Hässlichkeit…

Handwerklich ist „Der Goldene Handschuh“ einwandfrei, vor allem das Set Design wirkt erschreckend authentisch. Die Szenen sind meist überlang und fordern vom Publikum einiges ab, umgeschnitten wird nur dann, wenn es wirklich sein muss. Es herrscht ein stets Frauen verachtender Umgangston und die Morde selbst werden im vollen Umfang dargestellt. Auf bizarrer Weise werden Honkas Gräueltaten mit derben Humor aufgelockert, der so unpassend wirkt, dass einem oft das Lachen im Halse stecken bleibt. Darin liegt aber die Stärke des Filmes für mich. Vor allem die Gäste der Titel gebenden Kneipe sind so herrlich skurril und wirken dabei beängstigend authentisch.

Problematisch finde ich allerdings den Bezug zum realen Fritz Honka. Entweder man orientiert sich lose an ihm und denkt sich einen fiktiven Namen aus oder man sieht zu, dass man so nah an der Wirklichkeit ist wie nur möglich. Beides trifft leider nicht zu. Er war z.B. vor dem Busunfall keine Schönheit, aber sein abschreckendes Äußeres hat er erst danach gehabt. Auch sind Ereignisse im Film dazugedichtet worden oder haben sich anders abgespielt. Kann man darüber hinwegsehen bleibt ein Portrait eines  Mannes, dessen sexueller Frust und übersteigende Machtphantasien ihn zu einem psychisch labilen und brutalen Mörder werden ließen.

Der erst 22-jährige Darsteller Jonas Dassler gibt derweil alles. Mithilfe dick aufgetragener Maskerade wandelt er als Mischung aus Nosferatu, Lynchs Elefantenmensch und Horst Schlemmer, der einem blonden Idealbild hinterherhechelt und damit die ohnehin schon abgeranzten alkoholkranken von Prostitution gezeichneten Frauen noch mehr abwertet. Enttäuschend fand ich den jähen Abbruch der Bekanntschaft zu einer Frau von seiner Arbeit als Nachtwächter und ihrem Ehemann, die dem Filmhonka etwas mehr Profil verliehen hätte. Warum sich Fatih Akin die Mühe gemacht hat diese über einen Zeitraum von einer guten halben Stunde aufzubauen, um sich dieser dann durch das unkontrollierbare sexuelle Verlangen seines Protagonisten wieder zu entledigen, will sich mir nicht erschließen.

Fazit: Zartbesaitete sollten einen großen Bogen um den Film machen, denn selten war eine Altersfreigabe ab 18 Jahren so passend wie hier. Als Romanverfilmung und als fiktionale Geschichte eines Frauenmörders funktioniert der Film ausgesprochen gut, als Portrait über Fritz Honka ist er mir zu oberflächlich und nicht Fakten treu genug recherchiert. Freunde des schlechten Geschmacks dürften aber ihre wahre Freude mit dem Film haben.

D 2019 – 115 Minuten
Regie: Fatih Akin
Genre: Literaturverfilmung, Drama
DARSTELLER: Jonas Drassler, Margarete Tiesel, Marc Hosemann, Katja Studt, Victoria Trauttmansdorff, Tristan Göbel, uva. 
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