Nachdem man nun schon über Monate hinweg so viel über ihn gehört und gelesen hat, ist er endlich auch bei uns in Deutschland und Österreich in den Kinos angelaufen: ALL IS LOST, der brandneue Film mit Hollywood-Legende Robert Redford in der Rolle seines Lebens, wie es oft geschrieben wurde. Der Film, für den der Schauspieler als heißer Oscar-Kandidat gilt und unter anderem schon Golden Globe- und SAG-Nominierungen einheimsen konnte. Der Film des neuen Regie-Wunderknaben J.C. Chandor, der mit seinem Finanzthriller MARGIN CALL Zuschauer und Kritiker gleichermaßen überraschte. Der Film, über den die Presse sagt: „Ein Triumph der Schauspielkunst“ (Spiegel Online) oder „Eine Metapher aufs Leben an sich“ (Süddeutsche Zeitung). Zumindest steht das auf dem Poster, das die Leute ins Kino locken soll…
Worum geht’s: Robert Redford spielt einen Mann, der irgendwo im indischen Ozean auf seinem Boot Virgina Jean durch die Gegend segelt. Unverhofft kollidiert er eines Tages mit einem Schiffscontainer, der lose im Meer vor sich hin treibt. Durch den Zusammenprall wird ein Loch in das Boot gerissen, woraufhin dieses mit Wasser voll läuft. Von der einen auf die andere Sekunde ist der Mann auf einmal gezwungen um sein Leben zu kämpfen und muss sich an sämtliche Tricks erinnern, die er wahrscheinlich einst im Pfadfinderlager gelernt hat…
Zugegeben: Der letzte Satz mag vielleicht etwas sarkastisch klingen. Das lässt sich allerdings bei diesem billigen Versuch, einen mitreißenden Überlebensfilm zu inszenieren, kaum vermeiden. Um das Werk in einem Satz zusammenzufassen könnte man sagen: „Life of Pi“ trifft „Gravity“ für Arme. Grade wenn man „Gravity“ mit „All is Lost“ vergleicht, was man anhand der Thematik durchaus machen kann, muss man sich eingestehen, dass Chandor mit seinem Projekt total daneben liegt. Die ersten 15 Minuten des Films wirken noch halbwegs spannend, denn als Zuschauer fragt man sich, wie der Mann (nennen wir ihn McGyver) mit der prikären Situation umgehen wird und inwiefern ihn dies wohl auch psychologisch an seine Grenzen bringt. Das erübrigt sich jedoch schnell, denn MacGyver macht charakterlich gar keine Entwicklung durch, bleibt emotionslos und guckt 90 Minuten eigentlich nur blöd aus der Wäsche. Ob das jetzt von Autor und Regisseur J.C. Chandor so beabsichtigt war oder ob Robert Redford einfach keinen Bock hatte, seinen Charakter tatsächlich zu „spielen“, bleibt offen – letztendlich gefällt das Endergebnis aber nicht.
Was ein herausragender Überlebenskampf mit Charakterstudie hätte werden können (ich erwähne hier gerne noch einmal „Gravity“), verkommt bei ALL IS LOST zur trivialen Zurschaustellung üblicher Filmklischees auf hoher See: Da wird erst einmal das Wasser aus dem Boot gescheffelt, dann kommt ein Sturm, dann wird wieder das Wasser aus dem Boot gescheffelt, ein Sturm, ein Boot fährt vorbei, Haie schwimmen vorbei, ein Boot fährt vorbei….ja, ok…wir haben’s verstanden. McGyver hat aber natürlich für jede brenzlige Situation nicht nur die zündende Idee – nein, er hat zufällig in den meisten Fällen auf seinem Boot auch noch das richtige Werkzeug zur Hand. Über das Ende des Films haben die Leute im Kino dann tatsächlich mehr gelacht als über die Witze von Tina Fey und Amy Poehler bei den Golden Globes. Die Tatsache, dass während der Handlung eigentlich (fast) gar nicht gesprochen wird, ist dabei noch nicht mal ausschlaggebend. Es ist tatsächlich dem Umstand zu verdanken, dass sich Chandor mit seiner banalen Geschichte, die obendrein nur so vor Klischees trieft, total verzettelt hat. Er hatte zwar eine Idee, aber ganz offensichtlich wusste er nicht, was er mit dieser Idee nun anfangen soll. Das Drehbuch und die Inhalte kann sich jeder x-beliebige Fischverkäufer in seiner Mittagspause ausdenken. Der Film kriegt in Bezug darauf ganz klar den Stempel „Langweilig“.
Das schlimmste am Film ist allerdings Robert Redford: Wie man seine Darstellung auch nur ansatzweise mit einem anderen Filmpreis als der Goldenen Himbeere in Verbindung bringen kann, bleibt mir schleierhaft. So eine emotionslose und gelangweilte Performance habe ich seit Kristen Stewart in „Twilight“ nicht mehr gesehen. Und auch das liegt nicht an dem Fehlen der Worte – Redford schafft es nicht, diesen Ausfall durch sein Spiel zu kompensieren. 90 Minuten lang erlebt der Zuschauer die gleiche emotionslose Fresse. Es wirkt als sei McGyver alles scheißegal und Panik, weil er um sein Leben fürchten muss, kommt gar nicht erst auf. Es gibt eine einzige kurze Szene, in der sowas wie ein Gefühlsausbruch angedeutet wird. Das war jedoch alles andere als mitreißend, sondern eher unfreiwillig komisch und mündete ebenfalls im Kinosaal zu kollektivem Gelächter. Das Lob für seine Leistung leite ich mir jetzt mal folgendermaßen her: 1: Der Film probiert irgendwie ganz anders zu sein, indem sein Protagonist (fast) komplett ohne Textzeile auskommen muss…WOW, wie innovativ! 2: In diesem Film gibt es nur einen einzigen Darsteller, der den Film tragen muss, und dabei handelt es sich sogar noch um eine Hollywood-Legende. 3: Diese Hollywood-Legende wurde das erste und einzige Mal vor 40 Jahren für einen Darsteller-Oscar nominiert – es ist also wohl mal wieder an der Zeit. Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, wie man sich diesen Film und vor allem diese Performance schön redet.
Vergleicht man Robert Redford nun direkt mit Leonardo DiCaprio, Forest Whitaker, Christian Bale, Joaquin Phoenix oder Oscar Isaac, dann frage ich mich folgendes: Wie kann man auch nur andeuten, Redfords Performance könne mit denen der anderen Herren in einem solch starken Jahr auch nur ansatzweise konkurrieren? Wenn Redford einem dieser Männer den Oscar-Spot stehlen sollte, dann wäre das für mich die größte Lachnummer seit dem Gewinn von „Crash“ über „Brokeback Mountain“ und spricht für zu viele alte emotionale Säcke in der Academy.
Die überwiegend positiven Kritiken zu diesem Film stoßen bei mir ebenfalls sauer auf. Mir drängt sich da der Verdacht auf, dass sich Kritiker vielleicht gar nicht trauen den Film schlecht zu reden. Denn das Werk posaunt ja selbst so großartig hinaus, wie viele künstlerische und metaphorische Ansprüche in ihm stecken sollen. Man könnte als Kritiker ja für einen Kulturbanausen gehalten werden, wenn man bei diesem Blendversuch nicht mitzieht.Und der Score, der vergangenen Sonntag mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde, ist übrigens gar nicht vorhanden. Da gab es vielleicht zwei bis drei Streichtöne – aber eigentlich dachte ich in dem Moment, das Segel habe sich vielleicht nur anders ausgerichtet. Auch hier sollte ebenfalls keine Nominierung erfolgen…
Überhaupt sollte der Film eigentlich nirgends mehr Erwähnung finden und ganz schnell in Vergessenheit geraten.