Im Jahr 2010 schockte der (vermutliche) Selbstmord der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig einen ganzen Berufsstand. Heisig war für den Problembezirk Neukölln zuständig und galt zeitlebens als engagierte und leidenschaftliche Justizbeamtin. Erst kurz vor ihrem Tod hatte sie ihr Sachbuch „Das Ende der Geduld“ beendet, welches kurz darauf bundesweit für Furore sorgte.
Regisseur Christian Wagner inszenierte diesen TV-Film lose auf den Erfahrungen Heisigs.
Corinna Kleist (Martina Gedeck) ist Jugendrichterin aus Passion. Ihr Credo ist es in den jugendlichen Straftätern nicht primär die kriminelle Energie zu sehen, sondern zu versuchen sie durch gezielte Maßnahmen wieder auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
Als sich jedoch kurz nach einem Prozeß einer Wiederholungstäterin diese noch im Gerichtsgebäude aus einem Fenster in den Tod stürzt, erleidet Corinna einen Burnout und muss für knapp 2 Jahre pausieren. Nach ihrer Rückkehr wird sie in den Bezirk Neukölln versetzt, wo sie es nun mit teils sogar strafunmündigen Kindern und Jugendlichen, hauptsächlich aus Migrantenfamilien, zu tun bekommt, wie dem 13-jährigen Rafiq (Mohamed Issa). Doch statt wie ihre amtsmüden Kollegen zu resignieren, wählt sie den offensiven Weg.
Sie hat die Vision durch gezielte Zusammenarbeit mit Polizei und Jugendämtern die jugendlichen Straftäter durch schnelle und zielgerichtete Verfahren und Urteile vor einer Karriere als Schwerkriminelle zu schützen. Doch dafür wird sie von ihren Kollegen, sowie dem Polizisten Hück (Sascha Alexander Gersak) nur müde belächelt. Einzig dessen türkische Partnerin Devrim (Sesede Terziyan) hat Respekt vor Corinnas Einsatz. Aber die Dienstwege sind überbürokratisch, was Corinnas Arbeit sehr erschwert und sie erneut an den Rand der Verzweiflung bringt.
Eines Tages erfährt sie jedoch von einem neuen System in den Niederlanden, das sie nun versucht für die deutsche Gerichtsbarkeit umzusetzen. …
Martina Gedeck gehört für mich fraglos zu den besten Schauspielerinnen unseres Landes und agiert auch hier erneut mit großer Intensität und Spielfreude.
Wagner stellt in „Das Ende der Geduld“ das deutsche Justizsystem sehr nüchtern und realistisch, jenseits jeglicher Gerichtsfilmromantik, dar. Nebenbei zeigt er auch noch das teilweise Versagen der großstädtischen Integrationsbemühungen auf, welches wohl mit dazubeiträgt, dass es solche Ghettoisierungen überhaupt gibt, die eine mögliche kriminelle Laufbahn vieler Migrantenkinder, wenn nicht verursacht, doch zumindest fördert.
Kirsten Heisigs früher und rätselhafter Tod hat eine ganze Nation berührt, ihr „Neuköllner Modell“ lebt aber fort und hat schon einige Erfolge zu verbuchen. Vielleicht rückt dieser Film ihr Schicksal erneut etwas ins Rampenlicht. Ihre Geschichte hätte es auf jeden Fall verdient.
„Das Ende der Geduld“ wird am 19. November 2014 in der Reihe „Film-Mittwoch“ um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen sein.
D – 2014 – 1 Std. 29 Min.
Regie: Christian Wagner
mit Martina Gedeck, Jörg Hartmann, Sascha Alexander Gersak, Sesede Terziyan, Hassan Issa & Mohamed Issa
Genre: Drama