Spotlight

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Bedauerlicherweise kann man sich wiederholt des Eindruckes nicht erwehren, dass inmitten von medial begleiteten Prozessen und enthüllenden Berichterstattungen über die verschiedensten Arten von Missbrauch, den jeweiligen Motiven und Beweggründen der mutmaßlichen Täter deutlich mehr Bedeutung beigemessen wird als der Tragweite der seelischen Verletzungen der Opfer. An ebendiesen explosiven, sozialkritischen Aspekt knüpft Tom McCarthy mit seiner fünften Regieführung „Spotlight“ an, welche sich tatsachenbasiert mit der Aufdeckung einer ganzen Reihe an (jahrelang und mit aller Vehemenz verschleierten) Skandalen vor römisch-katholischem Hintergrund auseinandersetzt. Das in sechs verschiedenen Kategorien für die Oscartrophäe ins Rennen gehende Werk stellt trotz seiner behutsamen, chronologisch aufarbeitenden Herangehensweise letztlich aber weitaus mehr dar als lediglich einen weiteren, x-beliebigen Beitrag aus dem Bereich des „Dokutainments“.

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Mit der Beleuchtung der von Seiten der Bostoner Journalisten an die Öffentlichkeit gebrachten Ungeheuerlichkeiten kurz nach dem Millennium – eine halbe Dekade bevor das Internet die meisten Formen des investigativen Journalismus verdrängen sollte – gelingt McCarthy nicht nur ein großartig dialogisierter Tatsachenbericht, sondern auch ein reflektiertes Porträt, das trotz seines überwiegend nüchternen Settings inmitten von Büros und Konferenzräumen fesselt und seine Spannung peu à peu in beinahe thrillerähnliche Ebenen aufbaut. Insbesondere Belange wie die Ambivalenz des journalistischen Berufs, Schweigemotive oder aber die Korrelation zwischen Einflussreichtum und Vertuschung befördern die Nachdenklichkeit auf Seiten des Publikums und sorgen für eine Handlungsführung ohne jedwede Stagnation. Die dennoch besonnen aufgebaute Inszenierung zeichnet sich ferner durch einen schlichten Erzählduktus, ein hohes Maß an Geduldigkeit und ein gesteigertes Interesse für das Innenleben der Beteiligten sowie auf technischer Seite durch eine oberservierende, sich elegant durch die Räume schlängelnden Kameraeinstellungen, Howard Shores angenehm reduzierte Klänge und gelungene Schnitte, die bewusst als gewinnbringende Stilmittel verstanden worden sind, aus. Das im Vorfeld vielerorts diskutierte Problem der Kategorisierung der Schauspieler kann ich im Nachhinein absolut nachvollziehen, denn die Festlegung eines Hauptdarstellers gestaltet sich anhand von „Spotlight“ in der Tat mehr als schwierig. Stattdessen stößt man – im Kontrast zu „The Big Short“ – auf ein nebenrollendominiertes Ensemble, das auf Augenhöhe agiert und durchgängig superb besetzt worden ist. Mark Ruffalo, neben einem souverän auftretenden Michael Keaton die treibende Kraft der Riege, rechtfertigt seine inzwischen dritte Oscarnominierung innerhalb von nur sechs Jahren insbesondere mit drei überragenden Sequenzen und Authentizität. Des Weiteren liefern auch Liev Schreiber, John Slattery, Kanadierin Rachel McAdams und ganz besonders Stanley Tucci ebenfalls überaus nuancierte, grandiose Performances und holen dabei das Maximum aus ihren Charakteren und ihrer begrenzten Screentime heraus, was in selber Dimension auf die weitaus weniger namhaften Akteure in den herausfordernden Rollen der Missbrauchsopfer zutrifft…

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Wenngleich es mir – rein subjektiv gesprochen – sporadisch am gewissen Etwas fehlte, um eine noch höhere Durchschlagskraft zu entfalten, bildet das überaus passend betitelte, dezidiert auf Involvement ausgelegte Drama „Spotlight“ einen gewissermaßen dringend notwendigen Film, der einen bedrückenden Nachgeschmack hinterlässt und obendrein als stärkster Ensemblefilm der Saison angesehen werden darf. Ein Sieg in der Königskategorie der Academy erscheint vom derzeitigen Standpunkt zwar verhältnismäßig unwahrscheinlich, erscheint dessen ungeachtet jedoch völlig legitim für die substantielle Produktion, die ab Donnerstag landesweit in ausgewählten, hiesigen Lichtspielhäusern bewundert werden kann.

USA 2015 - 128 Minuten Regie: Tom McCarthy Genre: Drama / Biographie Darsteller: Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Liev Schreiber, John Slattery, Stanley Tucci, Brian d'Arcy James, Gene Amoroso, Jamey Sheridan, Billy Crudup, Maureen Keiller, Richard Jenkins, Len Cariou
USA 2015 – 128 Minuten
Regie: Tom McCarthy
Genre: Drama / Biographie
Darsteller: Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Liev Schreiber, John Slattery, Stanley Tucci, Brian d’Arcy James, Gene Amoroso, Jamey Sheridan, Billy Crudup, Maureen Keiller, Richard Jenkins, Len Cariou
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