Bombshell – Das Ende des Schweigens (OT: Bombshell)

© Lionsgate

In der aktuellen, ihren Zenit erreichenden Filmsaison gelang es siebzehn Filmen, mehr als eine Oscarnominierung zu generieren. Der gesellschaftlich brisanteste unter ihnen dürfte sicherlich „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ sein, dessen Sprengkraftpotential bereits der Titel suggeriert. Zwei Jahre nach Entzündung der „Me-Too“-Debatte wagte sich der bis dato überwiegend auf Komödien spezialisierte Regisseur Jay Roach an die filmische Verarbeitung realer Ereignisse, indem er sich den Missbrauchsbeschuldigungen an Roger Alies widmete, welcher mehr als 20 Jahre die Geschäfte des konservativen US-Sender die „Fox News“ leitete. Vor allem in Übersee sorgte er mit dem Politdrama für ein geteiltes Zuschauerecho, was angesichts des Sujets keineswegs verwundert. In Gestalt von „Bombshell“ ist ein Werk entstanden, das unabhängig vom Geschlecht des jeweils Observierenden enorm polarisieren dürfte, dennoch aber ein wichtiges Fundament dafür legt, sich auf Kinoebene stärker mit Mechanismen des Machtmissbrauchs auseinanderzusetzen. Das Resultat jedenfalls ist nicht nur absolut diskussionswürdig, sondern auch in hohem Maße fesselnd.

© Lionsgate

Roach verliert keine Zeit, versetzt den Zuschauer unmittelbar ins Geschehen und bleibt dicht auf den Fersen von drei Journalistinnen des Channels, von denen lediglich die Dritte fiktiven Naturells ist. Das anfängliche A-part-Sprechen wird zum durchdachten Stilmittel und verleiht dem Werk, dessen Arbeitstitel „Fair & Balanced“ lautete, von Anbeginn investigative Qualitäten. Es kristallisiert sich schnell heraus, dass es den Machern weniger um bloße Anprangerung geht als um die Aufarbeitung der Frage, wie es hinter den Kulissen eines einflussreichen Konzerns zu einem derartigen Skandal kommen konnte. Dass die Produktion, die sich trotzdem detailreich und offensiv mit dem ersten Wahlkampf von Donald Trump auseinandersetzt, gerade jetzt erscheint, während in Deutschland über die Einführung von Frauenquoten diskutiert wird, ist zweifelsohne kein Zufall, dennoch erscheint insbesondere die porträtierte Übersexualisierung und die exemplarisch dargebotene, vernagelte Weltansicht so mancher Führungspersonen erschreckend authentisch. Der erzählerische Duktus ist dabei von einem sachlich-dokumentarischen Charakter gekennzeichnet, wozu auch der weitestgehende Verzicht auf Filmmusik beiträgt. An ebendieser dialogreichen Nüchternheit dürften sich vermutlich die Geschmäcker scheiden sowie an dem Eindruck, dass das maskuline Geschlecht phasenweise wie das ultimative Böse anmutet. Andererseits sorgt gerade die Stilistik dafür, dass der hochbrisanten Thematik nicht nur Entertaining-Faktor verliehen wird, sondern sich plausible Erklärungsansätze finden, warum viele Opfer aus Angst vor beruflichen Konsequenzen und Ausgrenzung jahrelang Stillschweigen bewahren. Eine von ihnen gibt sogar exemplarisch zu, „es zu hassen, die Story zu sein.“ Zudem zeichnet sich „Bombshell“ durch knackige Schnitte und die vielleicht akribischste, realste Maskenarbeit des Jahres aus, während der Song „One Little Soldier“ das stark in Szene gesetzte Finale perfekt abrundet.

© Lionsgate

In Bezug auf den Hauptcast, bestehend aus Charlize Theron, John Lithgow, Margot Robbie und Nicole Kidman wäre jeder der Genannten einer Oscarnennung würdig gewesen. Das dynamische Ensemble gesteht vor allem Charlize viel Raum zur Entfaltung zu, die wiederum mit Präsenz und Wandelbarkeit brilliert. Während Kidman die stärkste Performance seit Langem liefert, besteht John Lithgow als in Bedrängnis gebrachter Gegenpol und agiert glaubhaft widerlich, obwohl er aufgrund des Fatsuits und diverser Prothesen im Gesichtsbereich massiv eingeschränkt war. Anders als im Falle von „Once Upon A Time … In Hollywood“ ist Margot Robbie hier nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern darf zeigen, was wirklich in ihr steckt, denn sie überflügelt insgesamt alle anderen Beteiligten und liefert die denkwürdigsten Szenen, in denen ihre Gefühlswelt greifbar wird.

© Lionsgate

„Bombshell“ geht ein unbestreitbares Wagnis ein, worin neben den fantastischen Performances, der größte Vorzug begründet liegt. Wenngleich ein gewisses Potential unausgespielt bleibt, funktioniert das Gebotene insbesondere als kompromissloses, eigenwilliges Kammerspiel, das der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Ob die Faktentreue vollumfassend beherzigt wurde, bildet schlussendlich auch nicht den springenden Punkt, nichtsdestotrotz beschleicht einen wiederholt das flaue Gefühl, dass sich das Skizzierte genau so zugetragen haben könnte. Auffällig ist allerdings, dass negative Töne überwiegend von Personen stammen, die keinen Hehl aus ihrer Antipathie zu den Demokraten machen. Die Fraktion der „alternativen Fakten“ lässt diesbezüglich grüßen…

CA / USA 2019 – 110 Minuten
Regie: Jay Roach
Genre: Drama / Politsatire
Darsteller: Charlize Theron, Nicole Kidman, John Lithgow, Margot Robbie, Malcolm McDowell, Robin Weigert, Allison Janney, Kate McKinnon, Mark Duplass, Alice Eve, Ben Lawson
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Artikel, Filme, Kino, Kontroverse Filme, Oscar, Reviews, Was läuft im Kino und getaggt als , , , , , , , , . Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.