Maryland in den 1840ern: Araminta „Minty“ Ross (Oscarnominiert: Cynthia Erivo) ist eine von vielen Sklaven, die auf der Farm der Familie Brodess gehalten werden. Während ihr Mann und ihr Vater bereits frei sind, sind ihre eigenen Aussichten, sowie die ihrer Mutter und Schwestern trübe, auch weil ihr Besitzer sich nicht an zuvor getroffene Vereinbarungen hält. Als der Farmbesitzer stirbt, und Minty verkauft werden soll, nutzt sie die Gelegenheit zur Flucht und schafft es tatsächlich sich bis nach Philadelphia durchzuschlagen. Dort macht sie die Bekanntschaft des Freiheitskämpfers William Still (Leslie Odom Jr.) und der Hausbesitzerin Marie Buchanon (hervorragend: Janelle Monáe), die sie dazu ermutigen, einen neuen Namen anzunehmen und sich ein eigenes Leben aufzubauen. Harriet Tubman, wie sich Minty nun nennt, reicht das nicht: Sie will ihre Familie befreien und wird so zu einer bekannten Flüchtlingshelferin. Doch damit beschwört sie den Zorn der Sklavenhalter herauf, allen voran den von Gideon Brodess (Joe Alwyn), der seinen Besitz nicht ohne Weiteres aufgeben will…
Jetzt da landesweit die Kinos langsam wieder öffnen, wird dringend nach Stoff gesucht, um das Publikum wieder anzulocken. Da Neues aus Hollywood erst einmal keine Option sein wird, bedeutet das in erster Linie heimische Produktionen und solche, die anderswo längst gelaufen sind und nun mit Verspätung ihren Weg zu uns finden. Im Fall von Harriet – Der Weg in die Freiheit könnte sich diese Zwangsverschiebung vielleicht sogar auszahlen. Nicht nur, dass die Konkurrenz derzeit noch nicht so zahlreich ist, man leichter auf sich aufmerksam machen kann. Durch die weltweite Black Lives Matter-Bewegung und eine überfällige Auseinandersetzung mit historischem wie derzeitigem Rassismus wäre es nur mehr als gerecht, dass in diesem Zuge auch Harriet Tubman wieder ins Bewusstsein gerufen wird.
Als Kontrovers gilt die Besetzung von Cynthia Erivo. Sie passt weder optisch. noch hat sie einen Bekanntheitsgrad wie Viola Davis, die ebenfalls für die Rolle im Gespräch war. Erivo, die eher im Theater- und Musicalfach Zuhause ist, fiel im letzten Jahr in kleinen Nebenrollen wie in Widows – Tödliche Witwen und Bad Times at the El Royale auf, auf eine Fangemeine, die wegen ihr ins Kino gehen würde, kann sie jedoch noch nicht zurückgreifen, gib als Titelfigur aber durchaus ein eindrucksvolles Empfehlungsschreiben für weitere Engagements ab und erhielt sowohl für ihr Schauspiel eine Oscarnominierung, sowie als Songschreiberin für den Titelsong „Stand up“. Cynthias Harriet wandelt sich im Laufe der zwei Stunden von einer schüchternen, verzweifelten Sklavin zu einer mutigen Anführerin, die ihr Leben wieder und wieder für das der anderen aufs Spiel setzt.
Etwas enttäuschend sind die eigentlichen Befreiungsaktionen. Schon die anfängliche Flucht nach Philadelphia galt als nahezu unmögliches Unterfangen, doch wenn die Flucht ohne größere Schwierigkeiten und in nur wenigen Minuten geschieht, dann schwächt es nicht nur die Leistung und immense Gefahr ab, in der sich Harriet Tubman befand., sondern auch die emotionale Komponente des Mitleidens und Hoffens des Zuschauers, die dem Werk Nachhaltigkeit verschafft hätte. Gleiches gilt für die späteren Befreiungsaktionen, so dass es nie die emotionale Wucht eines 12 Years a Slave erreicht.
Insgesamt ist Harriet leider nicht so mitreißend und außergewöhnlich, wie es die Titelfigur verdient hätte. Die ganzen Errungenschaften und Leistungen innerhalb eines einzigen Films zu würdigen, war von vornherein schwierig. Regisseurin und Co-Autorin Kasi Lemmons begnügt sich aber mit zu wenig und arbeitet einzelne Stationen des Biopic-Handbuchs ab, ohne dabei wirkliche Impulse zu setzen – weder inszenatorisch noch bei der Figurenzeichnung. Auch wenn Cynthia Erivo sich hier empfiehlt ist es Janelle Monáe, die so beeindruckend und herzzerreißend spielt, dass sie auch noch nach dem Film im Gedächtnis bleibt.
Summa Summarum bleibt ein Film, der keine neuen Akzente zu setzen vermag und so wirkt, als hätte man diesen bereits mehrfach gesehen. Aufgrund der Leistung von Erivo und Monáe ist das in der Summe solide, zumal auch die Ausstattung und der oscarnominierte Song „Stand up“ gelungen sind. Bei einem so wichtigen Thema und einer so starken und wichtigen Persönlichkeit wäre beim filmischen Denkmal jedoch noch einiges an Luft nach oben gewesen. Harriet ist wahres, trauriges Stück amerikanische Geschichte, welches leider immer noch nicht aus erzählt ist.