Serienklassiker: Hannibal

Hannibal - Season 1
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Will Graham (Hugh Dancy) unterrichtet eigentlich an der FBI Academy bei Baltimore, wenn er nicht gerade von Agent Jack Crawford (Laurence Fishburne) zu Außeneinsätzen mitgeschleppt wird. Denn Will hat eine einzigartige Gabe: Er hat ein so ausgeprägtes Empathievermögen, dass er sich in jeden anderen Menschen hineinversetzen kann und so dem FBI hilft, Serienmörder zu schnappen. Ein Blick auf den Tatort und er weiß nicht nur, wie der Mord geschah, sondern auch warum und damit von wem.

Kehrseite der Medaille ist, dass dieses ständige Hineinversetzen in die Psyche von meist gestörten Killern nicht ohne Einfluss bleibt. Will, selbst nicht der stabilste Mensch, leidet zunehmend an Wahnvorstellungen, geistigen Aussetzern und Identitätsstörungen. Ist der Profiler selbst davor durchzudrehen und eine Gefahr für andere zu werden? Um das zu verhindern, stellt ihm Jack den Psychiater Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) an die Seite, der ein Auge auf den begabten Sonderling werfen soll. Was jedoch weder Will noch Jack ahnen: Der so seriös wirkende Hannibal ist selbst ein Serienmörder und manipuliert sein Umfeld nach Belieben…

Hannibal - 1. Staffel Szene 1
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Wem gerade die skurrilen Figuren und die tragikomischen Geschichten von Fullers anderen Serien gefallen hat, dürfte damals bei der Ankündigung von Hannibal etwas enttäuscht gewesen sein. Während das FBI-schnappt-Verbrecher-Thema von anderen gut bedient wird, wenn nicht gar längst übersättigt ist, gefielen Dead Like Me und Pushing Daisies gerade durch ihre ungewöhnlichen Plots. Fullers Faible fürs Sonderbare schimmert aber auch hier deutlich durch. Viele Fälle, die Will und Jack lösen müssen, sind dermaßen bizarr, verstörend und brutal, dass man sich als Zuschauer fragt, wie überhaupt noch Menschen in Baltimore leben können.

Darstellerisch und inszenatorisch ist alles auf sehr ansprechendhohem Niveau, jedoch durch den Zwang, innerhalb von 40 Minuten eine Geschichte abarbeiten zu müssen, bleibt für die einzelnen Fälle nur wenig Platz, was sehr bedauerlich ist. Diese werden somit jedes Mal im Handumdrehen, fast schon willkürlich gelöst und dann gleich wieder beiseite gelegt. Überhaupt hatten Fuller und sein Team geradezu unheimlich viele Einfälle, die immer wieder eingebaut werden, dann aber viel zu schnell fallengelassen werden. Man könnte meinen, Fuller – gebrannt durch seine vorzeitig abgesetzten anderen Serien – wollte so viel wie möglich unterbringen, bevor ihn hier wieder dasselbe Schicksal ereilt. Und das ist wahnsinnig schade, denn über vieles hätte man gerne mehr erfahren. Eine Episodenlänge von 60 Minuten hätte hier wahre Wunder bewirken können, dennoch ist das dargebotene äußerst sehenswert.

Best TV of the 2010s: Bryan Fuller's Hannibal Seduces with Aesthetics — Cult Critique
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Denn deutlich ausgereifter ist die übergeordnete Geschichte: Der langsame Verfall von Will. Der ist nicht nur von Hugh Dancy wahnsinnig gut gespielt, sondern wird in surrealen Szenen effektiv in Szene gesetzt. Unterstützt werden diese Halluzinationen durch den stimmungsvollen Einsatz von Licht und Schatten, aber auch einer verfremdeten Musik, die streckenweise an Silent Hill erinnert. Ähnlich wie dort wird die Spannung vor allem durch die Atmosphäre erzeugt, weniger durch Action. Wer zudem Fullers frühere Kreationen mochte, wird sich hier über diverse bekannte Gesichter und Anspielungen freuen können.

Fazit: Nach seinen früheren skurril-komischen Serien zeigt Bryan Fuller hier seine bizarr-verstörende Seite. Hannibal leidet etwas unter dem 40-minütigen Episodenformat, dafür stimmt die Spannung und die übergeordnete Geschichte um einen zunehmend wahnsinnigen Profiler fesselt durch dessen Darsteller und der stimmungsvollen Inszenierung.

Folgen-/Wertungsübersicht:

  1. Töchter (8,0/10)
  2. Pilze (8,5/10)
  3. Hirschgeweih (8,0/10)
  4. Verlorene Jungs (8,0/10)
  5. Oeuf (8,0/10)
  6. Hoffnung (8,5/10)
  7. Alles Fleisch (8,5/10)
  8. Dunkler Klang (9,0/10)
  9. Vermächtnis (8,0/10)
  10. Gesichter (8,5/10)
  11. Fieber (8,5/10)
  12. Köder (9,0)
  13. Minnesota (9,5)*

Gesamt: 8,5/10

USA – 13×40 Minuten
Creator: Bryan Fuller
Genre: Horror / Thriller
Darsteller: Hugh Dancy, Mads Mikkelson, Caroline Dhavernas, Laurence Fishbourne, Scott Thompson, Aaron Abrams, Gillian Anderson, Hettiene Park, Kacey Rohl, Lara Jean Choroszecki, Raúl Esperza, Vladimir Jon Cubrt, uva.

Hannibal – Staffel 2
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– Staffel 2 –

Schlimmer hätte es für Will Graham (Hugh Dancy) wohl kaum laufen können: Abigail Hobbs ist tot, ihr Killer Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) ist auf freiem Fuß und alle Welt denkt dank der falschen Spuren, dass Will hinter den bestialischen Morden steckt. Nicht einmal seine einstigen Mitstreiter Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) und Special Agent Jack Crawford (Laurence Fishburne) glauben noch an seine Unschuld. Und so muss Will dem zivilisierten Kannibalen allein das Handwerk legen – was nicht so einfach ist, wenn man in einer Hochsicherheitszelle eingesperrt ist und jeder dich für verrückt hält…

Um die Spannung auch gleich auf hohem Niveau fortzuführen, beginnt die zweite Staffel der Thrillerserie, in denen wohl das gestörteste Zweiergespann der letzten Dekade im Fokus standen, mit einer ungewohnt actionreichen Szene, welche ein Ereignis vorwegnimmt, welches erst deutlich später passieren wird. Ein Kunstgriff, welches von Anfang an die Erwartungshaltung für die kommenden Episoden aufrecht zu erhalten vermag.

Hannibal – Staffel 2 Szene 1
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Hatte die erste Staffel teilweise das Problem, zu viele Ideen auf einmal unterbringen zu wollen, nimmt man sich dieses Mal deutlich mehr Zeit. Das ist durchaus löblich, auch wenn die bizarre Fälle und deren Lösungsfindung einen gewissen Reiz ausmachten, bevorzuge ich die Kürzung des repeatativen Aspekts der Serie, um Fokus auf die Charaktere und deren Entwicklungen zu legen.

Stattdessen konzentriert sich Hannibal nun auf die Frage: Werden die Leute Lecter auf die Schliche kommen und ihn unschädlich machen? Wie die Antwort auf die Frage ausfallen wird, werden auch weniger fantasiebegabte Zuschauer rasch wissen. Gerade zu Beginn bleiben die großen Überraschungen daher aus, jedoch erweist sich die Kürze der Serie im Nachhinein als Vorteil, da man sich nie sicher sein kann, wann eine der Hauptfiguren vielleicht doch herausgeschrieben wird. Zudem sind noch immer die Schauspielleistungen beeindruckend und auch die elegante Inszenierung, sowie die unheimlich-verzerrte Musik suchen nach wie vor ihresgleichen. Erfreulich vor allem, dass nun Gillian Anderson deutlich mehr Screentime bekommt.

Hannibal – Staffel 2 Szene 2
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Erfreulich auch, dass im weiteren Verlauf der dreizehn neuen Episoden die Geschichte deutlich an Fahrt aufnimmt, beispielsweise durch die Einführung mehrerer Figuren – darunter den sadistischen Fleischwerksbesitzer Mason Verger (Michael Pitt) und den sozial gestörten Tierliebhaber Peter Bernardone (Jeremy Davies) – aber auch diverse unerwartete Wendungen. Und spätestens wenn sich zum furiosen Finale hin die Ereignisse vollkommen überschlagen, ist die ein oder andere kleine Länge am Beginn der Staffel wieder vergessen.

Fazit: Staffel Zwei um den zivilisierten Psychopathen Hannibal Lecter führt die bekannten Stärken der Ersten fort, reduziert jedoch den Anteil der bizarren Fälle. Das führt dazu, dass die zweite Staffel die Erste meiner Meinung nach sogar noch übertrifft, vor allem das furiose Finale, gehört mit zu den besten Staffelfinalen der letzten 10 Jahre – unbedingt bingen!

Folgen-/Wertungsübersicht:

  1. Farbtöne (8,5/10)
  2. Maisstaub (9,0/10)
  3. Kein Ende (8,5/10)
  4. Honig (9,0/10)
  5. Pupillen (9,5/10)
  6. Suite für Cembalo (9,5/10)
  7. Theater (9,0/10)
  8. Pferde (9,0/10)
  9. Raubtier Mensch (8,5/10)
  10. Höhere Gewalt (9,0/10)
  11. Wangenrot (9,0/10)
  12. Hundefutter (9,5/10)
  13. Vergebung (10/10)*

Gesamt: 9,1/10

USA – 13×40 Minuten
Creator: Bryan Fuller
Genre: Horror / Thriller
Darsteller: Hugh Dancy, Mads Mikkelson, Caroline Dhavernas, Laurence Fishbourne, Scott Thompson, Aaron Abrams, Gillian Anderson, Kacey Rohl, Lara Jean Choroszecki, Raúl Esperza, Vladimir Jon Cubrt, uva.

Hannibal Staffel 3
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– Staffel 3 –

Nachdem er seine Verfolger niedergestochen, aufgeschlitzt und aus dem Fenster geworfen hat, ist der Serienkiller Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) zusammen mit seiner Psychiaterin Bedelia Du Maurier (Gillian Anderson) auf der Flucht. Doch auch in seiner neuen Heimat Florenz kann es der charismatische Ästhet nicht lassen, sein Umfeld zu ermorden und verspeisen. Während er so die Aufmerksamkeit der lokalen Polizei auf sich zieht, sind ihm seine einstigen Mistreiter längst auf der Spur: Will Graham (Hugh Dancy), Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) und Special Agent Jack Crawford (Laurence Fishburne) haben unabhängig voneinander die Witterung aufgenommen und begeben sich auf eine Suche nach dem Monster – jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen.

So gemein wie die zweite Staffel von Hannibal hat wohl selten eine Serie einen Zwischenstopp eingelegt: Nicht nur dass einem im furiosen Finale vor lauter Twists ganz schwindlig wurde, es ließ darüber hinaus auch offen, wer von den Protagonisten überhaupt noch übrig ist, wer in dem Massaker sein Leben lassen musste. Ein bisschen lässt einen Serienschöpfer Bryan Fuller dann auch in der neuen Staffel zappeln. Erst nach und nach wird klar, was seinerzeit beim blutigen Aufeinandertreffen wirklich passiert ist.

Hannibal – Season 3, Episode 4: “Aperitivo” – Father Son Holy Gore
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Oder vielleicht doch nicht? Was ist real, was eine Einbildung? Das war von Anfang an, schon in Staffel 1, oft nicht sofort ersichtlich, immer wieder verlor sich Hannibal in bizarren Traumsequenzen. Staffel 3 macht genau da weiter, verstärkt diesen Aspekt sogar noch: Im Serieneinerlei ist die Geschichte um den vornehmen Kannibalen aufgrund ihrer bedingungslosen Bekennung zum Kunstvollen einmalig. Zeitlupen, Großaufnahmen, seltsame Symbole, Metamorphosen, dazu eine Musik, die mal elegisch, dann wieder brutal ist, hier gibt es so viel zu sehen und zu bestaunen, dass Hannibal mehr einem Drogentrip gleicht, weniger einer traditionellen Geschichte.

Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Handlung stark zusammengestaucht wurde. Schon Staffel 2 verabschiedete sich zunehmend von den faszinierend-verstörenden Fällen des Serienauftakts, interessierte sich mehr für das Verhältnis zwischen den Figuren. In Staffel 3 wurden die Krimiaspekte dann völlig ad acta gelegt. Erst zum Schluss, wenn Richard Armitage als mordender Psychopath „Roter Drache“ auftaucht, darf die Serie zu ihren Anfängen zurückfinden, noch einmal die Daumenschrauben anziehen und den Terror auf die Zuschauer loslassen, mit dem es hier einst losging.

'Hannibal' Introduces 'The Great Red Dragon'
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Ansonsten ist Hannibal eher ruhig, streckenweise auch ein wenig behäbig inszeniert. Vor allem das Zwischenspiel von Mads Mikkelsen und Gillian Anderson, die hier eine deutlich größere Rolle als zuvor einnehmen darf, weiß zu faszinieren. Es hat seinen Reiz, wie hier verschiedene Parteien ihre Kreise um Hannibal ziehen – neben Will, Alana und Jack sind da auch noch der auf Rache sinnende Erbe Mason Verger (Joe Anderson), Chiyohs frühere Bedienste Chiyoh (Tao Okamoto) und der italienische Polizist Rinaldo Pazzi (Fortunato Cerlino), in der zweiten Hälfte mischt Dr. Frederick Chilton (Raúl Esparza) noch kräftig mit. Immer wieder begegnen sich die Leute, mal als Freunde, mal als Feinde. Die Karten werden ständig neu gemischt.

Wie so oft bei Serien von Brian Fuller, wurde auch bei Hannibal nach 3 Staffeln die Reisleine gezogen, zu schwach waren die Einschaltquoten im Verhältnis zu den Produktionskosten, was sehr bedauerlich ist. Gleiches Schicksal erfuhr auch Mindhunter, dessen Qualität auch über jeden Zweifel erhaben ist. Dafür werden wir aber nochmal mit einem fulminanten Staffel/Serienfinale belohnt, welches so nicht geplant war, aber hervorragend als Serienende funktioniert und mit einer fulminanten Schlussszene den Zuschauer sprachlos zu Ende setzt.

Hannibal NBC - Out Of The Cold [Final Battle Scene]
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Fazit: Die dritte und leider auch letzte Staffel von Hannibal übernimmt die sehr kunstvolle, (alp-)traumartige Inszenierung und steigert diese noch weiter. Im Gegenzug wurden Handlung und Geschichte weiter ausgedünnt, was die Serie zwar faszinierend, aber für das Mainstreamauge wohl nicht mehr Massentauglich genug war. Lohnt sich aber dennoch, vor allem wegen dem fulminanten Schlussaccord, der als Serienende überraschend gut funktioniert.

Folgen-/Wertungsübersicht:

  1. Florenz (8,5/10)
  2. Primavera (9,0/10)
  3. Naliama (8,5/10)
  4. Narben (8,0/10)
  5. Im Magen der Bestie (9,0/10)
  6. Leichtes Gepäck (8,5/10)
  7. Eisen und Feuer (9,0/10)
  8. Spiegelscherben (8,5/10)
  9. Roter Drache (8,0/10)
  10. Hinter dem Schleier (8,5/10)
  11. Das verlorene Licht (8,5/10)
  12. Kind eines Albtraums (9,0/10)
  13. Mondnacht (9,5/10)*

Gesamt: 8,6/10

USA – 13×40 Minuten
Creator: Bryan Fuller
Genre: Horror / Thriller
Darsteller: Hugh Dancy, Mads Mikkelson, Caroline Dhavernas, Laurence Fishbourne, Scott Thompson, Aaron Abrams, Gillian Anderson, Kacey Rohl, Lara Jean Choroszecki, Raúl Esperza, Vladimir Jon Cubrt, uva.

Serienfazit: Wem Mindhunter und Dexter gefielen, der wird auch an Hannibal seine wahre Freude haben. Schade, dass gerade als Hannibel mit Staffel 2 & 3 sein Potential am Ausschöpfen war die Reißleine gezogen wurde. Dennoch funktioniert das vorgezogene Serienende hervorragend. Besonders die Schlussszene lässt einen Sprachlos zurück! Getragen wird die Serie von den herausragenden Darstellern, die allesamt Nominierungen und Preise verdient gehabt hätten. Was war da bitte los? auch auf technischer Seite gibt es nichts zu meckern, eher im Gegenteil. Eine läppische Emmynominierung ist da echt frech und der hervorragenden Serie nicht würdig. Kann ich sehr empfehlen, vor allem weil die Serie viel Tiefer in die Buchvorlagen von Thomas Harris dringt und nicht auf der Erfolgswelle von „Schweigen der Lämmer“, „Hannibal“ und „Roter Drache“ mit schwimmen will, sondern etwas total eigenständiges ist! Well done! 😉

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