The Banshees Of Inisherin

© Searchlight Pictures

Irland, vor exakt einem Jahrhundert: Inmitten des dortigen Bürgerkriegs (1922 – 1923) scheint die Zeit auf einer fiktiven Insel im Atlantik still zu stehen und Gewohnheiten und eine einfache Lebensführung stehen an der Tagesordnung. Dies ändert sich, als die lange Freundschaft zwischen dem herzensguten, aber einfach gestrickten Pádraic sowie dem Fiedler Colm von heute auf morgen abrupt zu enden scheint und für Aufruhr in der Gemeinde sorgt, die in Folge nicht nur psychische Schäden abverlangen soll, sondern alsbald auch den Verlust von Besitz und einzelnen Gliedmaßen.

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Mit acht Nominierungen im Rahmen der diesjährigen „Golden Globes“ verwies „The Banshees Of Inisherin“ seine Konkurrenz auf die Plätze, und schon nach kurzer Laufzeit kristallisiert sich heraus, warum McDonaghs erst vierter Regierarbeit ebendieser Vorsprung gelang. In der Spartenmischung, die viel mehr dem Dramengenre als einer Tragikomödie zuzuordnen ist, entspinnen sich mit immenser Geduld eine Vielzahl menschlicher Brandherde, die vom zwanghaften Verharren am Altbekannten über häuslichen Missbrauch, dem Hadern mit Einsamkeit und Selbstverwirklichungswillen bis hin zu grenzenloser Tierliebe reichen. Die Kameraarbeit entlang der schroffen Küstenregion ist grandios, bildet aber (analog zur gelungenen, musikalischen Gestaltung) letztlich nur unterstützendes Beiwerk für eine psychologisch dichte, universelle Gesellschaftsstudie, die mehr als einmal bezüglich der Dialoggestaltung in meisterhaft schwarzhumorige Dimensionen abgleitet. Nur selten bekommt man Schauspielensembles zu Gesicht, in denen die vier Hauptbeteiligten einander absolut ebenbürtig sind und eine unvergessliche Einheit bilden, was wohl auch darin liegt, dass der Regisseur diese in der Vergangenheit häufiger besetzte. Vor allem Colin Farrell überrascht mit einer ungewohnt starken Performance – vielleicht sogar seiner bis dato besten – voller innerer Zerrissenheit und Facettenreichtum, während Routinier Brendan Gleeson, der dem Mainstream wohl erst durch seine Rolle als Prof. Moody in „Harry Potter“ bekannt geworden sein dürfte, den Gegenpart mit eiserner Selbstbeherrschung mimt. Besonders ins Gedächtnis brennt sich allerdings der zum Drehzeitpunkt erst 29-jährige Barry Keoghan, der für mehrere Szenen sorgt, die sich wie ein Schlag in die Magengrube anfühlen. Und auch Kerry Condon weiß Akzente zu setzen – und das nicht nur, weil sie die einzige Frau der Riege ist, der mehr Screentime zuteilwird.

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Seit letztem Donnerstag darf „The Banshees Of Inisherin“ auch hierzulande einer Sichtung unterzogen werden, nachdem er seine Erstaufführung bereits letzten Herbst in Venedig erlebte – und sollte es definitiv auch. Vor allem Cineasten werden ihr Wohlgefallen an dem Werk finden, aber auch Zuschauer mit einem Faible für darstellerzentrierte, geduldabfordernde, spezielle und anspruchsvolle Filme, die so recht in keine Schablone passen möchten. Was es mit dem sperrigen Titel auf sich hat, klärt sich im Übrigen auch erst kurz vor Schluss.

IE / UK / USA 2022 – 114 Minuten
Regie: Martin McDonagh
Genre: Tragikomödie / Historienfilm
Darsteller: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan, Pat Shortt, Jon Kenny, Gary Lydon, Sheila Flitton
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