Maestro

Maestro» von Bradley Cooper: Der Film über Leonard Bernstein ist packend –  doch etwas enttäuschend | Tages-Anzeiger
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Der junge aufstrebender Komponist Leonard Bernstein (Bradley Cooper) lernt die chilenische Theaterschauspielerin Felicia Montealegre (Carey Mulligan) kennen und lieben. Schon bald heiraten sie. Was zunächst wie eine perfekte Ehe aussieht, strapaziert Felicia nach und nach immer mehr. Denn was sie schnell feststellen muss, ihr Mann hat Affären mit jungen Männern und verliert sich mitunter komplett in seiner Arbeit…

Es ist immer so eine Sache mit Biopics. Viele von ihnen fühlen sich so an, als würde man einfach nur Lebensstationen abarbeiten, ohne dabei auf etwas Größeres abzuzielen. Das ist die Person, das ist ihr dann und dann passiert. Es ist schlicht konzeptionell ein schwieriges Unterfangen, ein echtes Leben thematisch und inhaltlich sinnvoll, nuanciert, ohne eine reine Huldigung zu sein und dennoch ergreifend in zwei Stunden abzubilden.

Bradley Cooper & Matt Bomer Kiss in Sharp Brogues To Film 'Maestro' –  Footwear News
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Mit Maestro hat sich nun Bradley Cooper genau dieser Herausforderung gestellt. Ein Film über Leonard Bernstein, Komponist von unter anderem West Side Story und zudem einer der gefeiertsten US-amerikanischen Dirigenten aller Zeiten. Der Titel Maestro wirkt zunächst wieder einmal nach klassischer Huldigung. Doch Cooper, der nicht nur Regisseur, sondern auch Hauptdarsteller und Co-Autor des Films ist, weiß zumindest in Ansätzen zu überraschen. Maestro beschäftigt sich nur wenig mit der meisterlichen Arbeit Bernsteins. Stattdessen legt er den Fokus auf die dessen Beziehung mit seiner Frau, der chilenischen Theaterschauspielerin Felicia Montealegre, und die destruktive Natur seines Genies. Ein schwieriges Konzept. Wer will das leidende Genie sehen, das ach so genial, vielleicht zu genial für sich selbst ist?

Ein wichtiger Aspekt sind immer wieder seine Affären mit jungen Männern, die an Felicia, sowie auch an ihm selbst nagen. Wir sehen Bernstein als einen Mann, der alles Talent der Welt besitzt, sich aber in einem Strudel des Selbstzweifels und des Selbsthasses befindet. Der nicht immer sein kann, wer er gern wäre. Einen klaren Zusammenbruch voller Exzesse bekommen wir allerdings nie zu sehen. Affären, Drogen und Depression finden immer nur am Rand statt. Tatsächlich kommt Maestro, was die psychologische Analyse seiner Figur angeht, nicht weit über ein „es ist kompliziert“ hinaus. Zu zahm und zu gefällig ist der Film dafür. Maestro ist kein Leidensstück, keine Dekonstruktion Leonard Bernsteins, des reichen und gefeierten Genies, dem es dennoch furchtbar gehen würde und dessen Leid sich wie eine Seuche auf sein Umfeld übertragen würde.

Bradley Cooper é “maestro” no 'biopic' sobre Leonard Bernstein - RTP Cinemax
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Wie angemessen das wäre, können vermutlich nur die Leute beurteilen, die dabei waren, aus rein filmischer Sicht sorgt das aber dafür, dass Maestro etwas zwischen den Stühlen steht. Und leider, gerade in der zweiten Hälfte, fällt er deshalb auch in das klassische Biopic-Muster des Wiedergebens, ohne dabei etwas wirklich Interessantes zu sagen. Denn auch seine Arbeit steht zu wenig im Fokus, um darüber überzeugen zu können. Zwar ist diese wirklich gut eingebunden und an vielerlei Stellen zu hören, wer aber einen Film wie TÀR erwartet, in dem es auch um die Bedeutung von dirigierender und komponierender Tätigkeit geht, dürfte enttäuscht werden.

Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass Maestro vor allem Coopers Spielwiese ist, schauspielerisch und auch auf dem Regie-Stuhl. Denn bei aller Kritik, die man am Drehbuch anbringen kann, muss man festhalten, dass Maestro gut inszeniert und mit noch besserem Schauspiel gesegnet ist. Sowohl Cooper als Bernstein selbst, aber vor allem Carey Mulligan als Felicia bieten in den lauten wie in den leisen Momenten starkes dar. Getragen wird das Spiel vor allem durch Mulligans Mimik und Coopers Gestik, wobei dessen Make-up ebenfalls hervorzuheben ist.

Bradley Cooper and Carey Mulligan on the Set of MAESTRO - Tom + Lorenzo
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Sowohl inszenatorisch als auch spielerisch merkt man dem Film seine Award-Ambitionen an, vielleicht sogar etwas zu sehr. Man bekommt fast den Eindruck, thematisch würde sich zurückgehalten, um mehr diffuses, aber toll gespieltes und inszeniertes zwischenmenschliches Drama zu bekommen. Vielleicht wird der Film hier sogar etwas mehr zur Selbstinszenierung Coopers als zur Inszenierung Bernsteins. Das Resultat davon ist, für Leute, die sich vor allem für Schauspiel und Inszenierung begeistern können, definitiv gelungen. Allerdings ist es auch genauso selbstgefällig.

Fazit: Maestro verspricht einen anderen Ansatz als das typische Biopic, indem er sich auf die Beziehung zwischen seiner Hauptfigur und dessen Frau konzentrieren will. Und dieser Ansatz gelingt, gerade in der ersten Hälfte, auch wirklich gut. Das Problem ist nur, dass der Film thematisch dadurch Federn lassen muss und auch von seiner tollen Inszenierung und dem fantastischen Schauspiel nur bedingt gerettet werden kann.

USA 2023 – 129 Minuten
Regie: Bradley Cooper
Genre: Drama / Biografie
Darsteller: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Matt Bomer, Vincenzo Amato, Greg Hildreth, Michael Urie, Brian Klugman, Nick Blaemire, Mallory Portnoy, Alexandra Santini, Jarrod LaBine, Sarah Silverman, Kate Eastman, William Hill, Válery Lessard, Renée Stork, Tim Rogan, uva.
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