Original vs. Remake: Rebecca

Ben Wheatley says his Rebecca adaptation is not a remake of Hitchcock's film
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Alfred Hitchcock gehört ohne Zweifel zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Regisseuren der Filmgeschichte. Umso erstaunlicher ist, dass es vergleichsweise wenige ernsthafte Versuche gab, mit Neuverfilmungen oder anderweitigen Produktionen an dessen zahlreichen Erfolge anschließen zu wollen. Es gab im Fernsehen ein paar Titel, dazu noch umstrittene Fortsetzungen zu Psycho und Die Vögel. Nicht zu vergessen das 1:1-Remake von Psycho von Gus van Sant (Milk), das 1998 zu einem Desaster wurde. Ansonsten war der Respekt wohl zu groß vor dem Meister. Verständlich: Wer will sich schon direkt mit Hitchcock vergleichen lassen müssen? Ein Vergleich, bei dem viele scheitern dürften, noch bevor sie mit dem Dreh begonnen haben. Dennoch hat es Ben Wheatley dieses Jahr gewagt und sich für Netflix an einem Remake des Hitchcock-Klassikers Rebecca versucht, welches vor 80 Jahren (!) als „Bester Film“ ausgezeichnet wurde und auch beim Publikum noch immer Groß in der Gunst steht. Kein leichtes Unterfangen! Ob es ihm dennoch gelungen ist erfahrt ihr hier und kann auch gerne im Kommentarfeld mitdiskutiert werden!

Rebecca (1940)

Rebecca 1940
©Euro Video

Die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Gesellschafterin (Joan Fontaine) kann ihr Glück kaum fassen, als sie dem gutaussehenden Witwer Maxim de Winter (Laurence Olivier) begegnet. Mehr noch, er macht ihr schnell einen Heiratsantrag, um sie aus ihrem undankbaren Dienst zu befreien. Doch dieses Glück währt nicht lange, denn das umwerfende Anwesen, in dem sie nun leben soll, steht noch immer unter dem Bann von Rebecca, der ersten Frau de Winters, die vor einem Jahr auf tragische Weise ums Leben kam. Vor allem Haushälterin Mrs. Danvers (Judith Anderson) tut alles dafür, dass sich der wenig selbstbewusste Neuankömmling erst gar nicht wie zu Hause fühlt. Und sie ist nicht die einzige: Maxim verhält sich zunehmend eigenartig und abweisend…

Rebecca war sicherlich in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein für Alfred Hitchcock. Nicht nur, dass es sich hierbei um den ersten in den USA gedrehten Film des legendären Regisseurs handelte. Das sowohl beim Publikum wie auch Kritikern erfolgreiche Werk erhielt sogar einen Oscar als „Bester Film des Jahres“ – die einzige Arbeit Hitchcocks, der diese Ehre zuteil wurde.

Rebecca wird gemächlich erzählt und enthüllt seine Geheimnisse erst nach fast 1,5 Stunden. Aber auch wenn der Anfang sich bei mehrmaligen Anschauen etwas zieht, ist der Schlussakt gewaltig und nimmt deutlich an Tempo zu. Aber bis dahin zieht das überdimensionierte Anwesen mit seinen ominösen Schatten der Vergangenheit und der Überpräsenz von Judith Anderson als Haushälterin Mrs. Danvers in den Bann, welche die neue Mrs. De Winter wahrlich zu manipulieren versteht.

Rebecca (1940): Hitchcock's First American Thriller at 80 | Golden Globes
©Euro Video

Hitchcock soll Fontaine während des Drehs sogar mental in die Depression getrieben haben. Durch ihre Augen sehen wir die Welt, spüren die Kälte, ahnen die Abgründe, die um sie herum in der Dunkelheit warten – weshalb sie dann auch keinen einzigen Schritt zu gehen wagt. Manderley ist gleichermaßen Gefängnis wie Labyrinth. Dies macht sie vielleicht nicht unbedingt zu einer spannenden Figur, denn lange Zeit bleibt ihre Unterordnung und das mangelnde Selbstbewusstsein das einzige, was sie definiert, aber es ist doch spannend mit ihr die vielen kleinen Schritte zu gehen, sich zu fragen, was in dem Gemäuer vor sich geht. Wie kann es sein, dass eine tote Frau derart das Leben der anderen dominiert? Was sind die wahren Gefühle von Maxim, bei dem so offensichtlich ist, dass er nicht alles erzählt hat? Daraus entsteht eine Atmosphäre des Misstrauens und der Angst, einer absoluten Entfremdung von dem Rest der Welt. Aber es entsteht auch eine absolute Abhängigkeit, die fast noch erschreckender ist als das, was damals wirklich geschehen ist mit dieser Frau, nach der alles benannt ist und über die doch nicht geredet werden darf.

Der Film überzeugt gerade durch seine Stimmung der Entfremdung und der Angst, verbunden mit einer Abhängigkeit, die durch eine herausragende Kameraarbeit und Produktionsdesign, sowie übergroßen Darstellungen von Joan Fontaine und Judith Anderson aufwarten. Rebecca ging mit 11 Nominierungen als großer Favorit in die Oscarverleihung und erhielt neben dem „Besten Film“ noch den Oscar für die „Beste Kameraarbeit“. Auch wenn Alfred Hitchcock mit Rebecca der große Durchbruch in Amerika gelang und 4 weitere Male für die „Beste Regie“ nominiert wurde, sollte er ihn leider nie erhalten, auch wenn er bis heute zu den einflussreichsten Regisseuren zählt. Rebecca ist vielleicht nicht Hitchcocks beste Regiearbeit, aber eines der unterschätzten und ein Must-See, wenn man sein filmisches Schaffen fassen möchte.

USA 1940 – 130 Minuten
Regie: Alfred Hitchcock      Genre: Drama / Mystery Darsteller: Laurence Olivier, Joan Fontaine, Judith Anderson, George Sanders, Nigel Bruce, Gladys Cooper, Florence Bates, Reginald Deny, Melville Cooper, C. Aubrey Smith, uva.

Rebecca (2020)

Rebecca 2020 Netflix Armie Hammer Lily James

Es hat mehrere Adaptionen von Daphne du Mauriers Roman gegeben, der Ende der 30ern ein echter Bestseller war. Gerade im Fernsehen waren schon früh andere Versionen zu sehen. Hinzu kamen Theater- und Radiofassungen, sogar eine Opernaufführung. Dennoch: Die meisten werden mit dem Titel Hitchcocks Verfilmung aus dem Jahr 1940 in Verbindung bringen. Wheatleys Fassung hingegen ist nicht sonderlich davon geprägt, etwas neu oder anders machen zu wollen. Das ist durchaus überraschend, da Wheatley eigentlich für sehr eigenwillige Filme bekannt ist. Ob nun die Serienmörder-Groteske Sightseers, der bizarre Schwarzweiß-Horror A Field in England oder die Hochhaus-Dystopie High-Rise: Der Engländer genießt mit seinen seltsamen Einblicken in die menschlichen Abgründe durchaus einen gewissen Ruf. Damit wäre er wie gemacht gewesen dafür, der bekannten Vorlage einen eigenen Stempel aufzudrücken und eine echte Alternative anzubieten. Eines der nennenswerten inhaltliche Unterschiede ist jedoch der, dass er im Gegensatz zu Hitchcock bei der Fassung von du Maurier blieb, wenn es um das spät enthüllte Schicksal von Rebecca geht.

Ansonsten scheint das Anliegen bei Rebecca in erster Linie das gewesen zu sein, andere Bilder zu finden. Die sind auf ihre Weise auch tatsächlich großartig. Anders als bei Hitchcocks Schwarzweiß-Fassung, die viel mit Schatten arbeitete – echten wie im übertragenen Sinne –, da ist die Neuauflage knallbunt. Vor allem die ersten Szenen, wenn wir uns noch an der Riviera aufhalten, wetteifern darum, wer auf einer Postkarte festgehalten werden darf. Nach dem Wechsel zu Manderly wird es aber schon deutlich düsterer, doch selbst dann ist das mehr Hochglanz als Abgrund. Tatsächlich ist der Film mehr Seifenoper-Kostümdrama als Thriller. Der Fokus liegt auf den attraktiven Menschen, die in schönen Kleidern und Anzügen durch vornehme Kulissen schlendern. Der Rest scheint eher Nebensache, was schade ist, denn spannend ist Rebecca deshalb kaum, selbst für ein Publikum, das die Geschichte noch nicht kennt.

Auch auf der emotionalen Ebene geschieht kaum etwa: Die Chemie zwischen James (Cinderella) und Hammer (The Social Network, Call Me by Your Name) bleibt eine Behauptung, der 1940 noch überzeugend dargestellte Horror einer Frau, die sich in einem für sie fremden Umfeld verirrt, kommt hier zu wenig rüber. Stark ist dafür der Auftritt von Kristin Scott Thomas als Mrs. Danvers, die ihrer Figur nicht nur die nötige Kälte verleiht, sondern auch eine Tragik. Damit ist sie zwar ein Fremdkörper in einem Film, der eher schicke Oberfläche ist und nur wenig Substanz hat. Zusammen mit den schönen Bildern ist sie aber zumindest Grund genug, weshalb man sich den Film anschauen kann, selbst wenn man diesen bald schon wieder vergessen haben wird.

USA 2020 – 125 Minuten
Regie: Ben Wheatley
Genre: Liebesdrama
Darsteller: Josh O’Connor, Alec Secăreanu, Gemma Jones, Ian Hart

Fazit:

Der auf sehr eigenwillige, oft düstere Filme spezialisierte Regisseur Ben Wheatley dreht eine Neuauflage von „Rebecca“? Das hörte sich interessant an, doch er scheitert daran der bekannten Geschichte einen eigenen Stempel aufzudrücken. Hier fehlt es an Spannung, an Emotionen, aber vor allem an Tiefe. Nur die sehr schönen Bilder und eine überzeugend auftretende Kristin Scott Thomas verhindern ein Desaster im Kaliber von Gus vant Sants Psycho-Remake von 1998. Diejenigen die das Original nicht kennen, werden die kritischen Worte und die Wertung vielleicht etwas zu harsch finden, aber wer die Wahl hat greift bitte zum Original, auch wenn die Neuverfilmung durch einen charmanten Anfang mit einer starken Ann Dowd als Mrs. van Hopper punkten kann. Aber ab dem Teil der auf Manderley spielt, gewinnt die Hitchcock-Verfilmung in jegliche Hinsicht, vor allem in Bezug auf Atmosphäre und doppelbödigen Bildkreationen, die Oberhand. Das größte Ärgernis stellt aber das Ende dar, welches eines DER Highlights in der Verfilmung von 1940 war und sich mit Schaudern ins Gedächtnis brennt. Entsprechend gespannt war ich wie diese wohl umgesetzt wurde, doch man verzichtete auf diese großartige Symbolik nur um in einem schwachen Dialog zwischen den zwei rivalisierenden Frauen von Manderley zu enden. Schockierend unbefriedigend. Von allen Stellen, die man hätte kreativ verändern hätte können, war dies eine derjenigen, die man nicht stärker gestalten konnte und hätte so belassen sollen. Das hat selbst die Musical-Adaption in Stuttgart, die ich vor allem wegen Jan Ammann und Pia Douwes als Mrs. Danvers nur empfehlen kann, auf der Bühne beeindruckender umgesetzt.

Wer Spaß an der Serie hat, dem seien auch meine folgende Rezensionen empfohlen:

 

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