Oscar Flashback (1): Alles über Eva vs. Sunset Boulevard (OT: All about Eve vs. Sunset Boulevard)

ALL ABOUT EVE + SUNSET BOULEVARD | Another Planet Entertainment
20th Century Fox / Paramount Pictures

Heute möchte ich eine neue Serie starten, welche die Filme  den Fokus nimmt, welche die Academy zum „Besten Film des Jahres“ gekürt hatte! Aber damit nicht genug, da es oft zu einem Showdown zwischen zweien Filmen gekommen war, soll der Film ebenfalls näher betrachtet werden, der (sehr wahrscheinlich) Silber bekam! Zu guter Letzt werde ich es mir nicht nehmen lassen, einen Vergleich zu ziehen und denjenigen Film zu benennen der meiner Meinung nach den Oscar für den „Besten Film“ mit nach Hause hätte nehmen sollen! Ich hoffe ihr werdet damit genauso viel Spaß beim Lesen haben, wie ich beim Erstellen! Gerne dürfte ihr auch Eure Meinung einmal kundtun! Ab dafür!

Starten möchte ich mit dem vielleicht hochkarätigsten Rennen der bisherigen 95 Jahre Oscarverleihung: Alles über Eva vs. Sunset Boulevard aus dem Jahr 1950! Zwei absolute Klassiker, die wohl in jedem anderen Jahr beide zum „Besten Film des Jahres“ gekürt worden wären, wären sie nicht gegeneinander angetreten!

All About Eve - Alle Informationen zum Film
20th Century Fox

Alles über Eva (OT: All about Eve)

Die erste Szene, die der Film zeigt, ist eine Preisverleihung. Es geht nicht um irgendeinen Preis, sondern um die wichtigste Trophäe für Künstler im Theatergeschäft. Der Festredner wird mit abschätzenden Worten bissig kommentiert. Der Preis für besondere Leistungen geht an Eve Harrington, eine junge Schauspielerin, die in ihrem bezaubernden Abendkleid alle Anwesenden für sich eingenommen hat. Oder doch nicht alle? In diesem Saal sitzen auch Menschen, die alles über Eve wissen – und es sind keine hübschen Dinge. Als diese Dame ihrem Preis in die Arme schließen will, friert das Bild ein. Diese Menschen, die Eve – so meint man – kaum gefährlich werden können, beginnen über all das zu berichten, was sie mit der jungen Frau, die gerade die Bühne betritt, erlebt haben und wie diese zu einem der am meisten gefeierten Stars geworden ist.

Es beginnt alles an einem verregneten Abend vor einem Theater. Karen (Celeste Holm) kennt Eve bereits, doch sie kennt nicht ihren Namen. Sie weiß, dass Eve jeden Abend im Theater ist – sie hat einen Stehplatz und für sie ist es unmöglich, eine Vorstellung zu versäumen, so hingerissen ist sie von Margo Channing (Bette Davis), der Hauptdarstellerin des Stücks. Karen interessiert sich für die Frau, die ganz alleine zu sein scheint und keine weitere Freude in ihrem Leben hat als jeden Abend ihr Idol Margo zu bewundern. Aus diesem Grund stellt sie ihrer Freundin Margo Eve vor.

Thelma Ritter
20th Century Fox

Es entwickelt sich nicht nur eine Freundschaft zwischen Eve und Karen, sondern auch zwischen Eve und Margo. Letztere lässt das junge Mädchen schließlich sogar bei sich zu Hause einziehen und diese verbringt ihre Tage fortan damit, Dienstmädchen für den großen Star zu spielen. Doch es kommt der Zeitpunkt, als die attraktive Eve merkt, dass sie höhere Ambitionen hat und sie merkt, dass mehr in ihr steckt als nur das Dienstmädchen. Sie hört den Ruf der großen Bühne. Doch während sie daran arbeitet, dieses Ziel zu erreichen, zeigt sie immer mehr hässliche Seiten ihrer Persönlichkeit und bald erkennen sie ihre engsten Freunde nicht mehr wieder. Mit dem Einfrieren des Bildes beginnt die Demontage Eve Harringtons.

Es wird deutlich: Am Starrummel hat sich bis heute nichts geändert. Gerade die weiblichen Schauspielerinnen müssen auf ihre Figur, auf ihre Kleidung, auf ihr ganzes Benehmen achten, denn für die Journalisten, die ihnen auf den Fersen sind, zählt nicht deren Intellekt oder Charakter, sondern lediglich das Äußere; sie werden und bleiben reduziert auf ihren Körper und ihre Stimme – sie bleiben bis zum Ende unfähig, daran etwas zu ändern. Dabei bieten sie Menschen wie Eve, einem armen, einsamen Mädchen, die einzige Fluchtmöglichkeit durch das Theater. Auf diese Weise werden die Stars, unnahbar auf der einen Seite, zu den einzigen Freunden eines Menschen, der sich selbst eingeschlossen hat in einer Welt, die längst nicht mehr real ist und lediglich aus den abendlichen Besuchen im Theater besteht. Es gibt einige Szenen, da sind sich die Stars darüber bewusst – allen voran Bette Davis als Margo erweist sich als zickig, spielt sich als große Diva auf, die sich ihrer Qualitäten durchaus bewusst ist – so scheint es zumindest, wenn genug Leute sie umgeben, doch in den stillen Momenten zeigt sich, wie einsam dieser große Star ist, der sich in traurigen Dialogen mit einem vertrauten Menschen selber demaskiert und bewusst macht, wie klein er letztendlich doch ist.

All About Eve 2007, directed by Joseph L Mankiewicz | Film review
20th Century Fox

Diese Momente der Wahrheit sind rar gesät, nur selten sind diese Personen ehrlich zu sich selbst, weil sie nichts anderes haben, als ihren Status, ein großes Star zu sein, der ihnen große Schlagzeilen bringt, aber immer mehr Freude am Leben zu nehmen vermag. Es ist nicht nur ein Fingerzeig darauf, wie Schauspieler die Filmwelt diktieren und alle zu Sklaven machen können, es ist vielmehr eine Charakterstudie – eine sehr intensive all der Menschen, die uns hier begegnen. Allen voran Eve Harrington, die zu Beginn ihrem großen Idol verschüchtert von ihrer Herkunft und ihrer Vergangenheit berichtet. Margo fühlt sich mitgerissen – man kommt nicht umhin, dieses Mädchen mit der traurigen Vergangenheit zu mögen. Als diese junge Frau schließlich selber zum Star wird, weigert sie sich beinahe, all das zu erzählen, von dem sie zu Beginn berichtet hat, denn sie ist nicht mehr das kleine schüchterne Mädchen. Diese Frau gehört zu einer Zeit, die endgültig der Vergangenheit angehört – ein Blick zurück ist schmerzhaft.

Es gibt nur wenige (amerikanische) Filme, die auf eine derart ehrliche Art und Weise demonstrieren, wie sich Menschen aufgrund ihres Umgangs verändern – mit all ihren Schattenseiten und den raren fröhlichen Momenten. Die Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit sind längst verschwommen, sie existieren nicht mehr. „Nichts bleibt im Theater“ und die Schauspieler sehen sich gefangen in ihrer Determination, in ihrer Scheinwelt, an der sie zum Teil selber Schuld sind. Es geht um Traumwelten, wie die des ehemaligen Filmstars Norma Desmond aus Billy Wilders Sunset Boulevard und George Sanders als manipulativer Journalist wirkt wie eine sympathische Version von Waldo Lydecker aus Otto Premingers Laura. Mit bravourösen Leistungen aller Haupt- und Nebendarstellern, einem exzellenten Drehbuch, das gespickt ist mit scharfzüngigen, gestochen scharfen Dialogen gehört All About Eve zu den wichtigsten Filmen über Stars oder all jene, die denken, sie wären eben solche. Eine Demonstration menschlichen Strebens und menschlichen Scheiterns, die man auch filmisch nicht besser hätte machen können.

Movie of the Week: “All About Eve” | The New Yorker
20th Century Fox

14 Oscar-Nominierungen erhielt All About Eve 1951 und hält den Rekord, was Nominierungen für die besten weiblichen Darsteller in einem Film betrifft. Zwei Nominierungen für die besten Hauptdarstellerinnen (Anne Baxter und Bette Davis) und zwei für die besten Nebendarstellerinnen (Thelma Ritter und Celeste Holm), doch wider Erwarten gingen alle vier Damen leer aus und der einzige Schauspieler, der eine Trophäe für eine Leistung in diesem Werk mit nach Hause nehmen konnte, war George Sanders, der den Journalisten Addison DeWitt spielte und der zu jener Zeit mit der legendären Diva Zsa Zsa Gabor verheiratet war. Dies war auch einer der Gründe, weshalb Gabor für eine Nebenrolle in diesem Film vorgesehen war. Die entsprechende Rolle wäre die der Ms. Casswell, des Schützlings von DeWitt gewesen. Letzten Endes erhielt jedoch niemand Geringeres als eine bildschöne Marilyn Monroe den Zuschlag; eine von vielen Umbesetzungen, die getätigt werden mussten, ehe man mit dem eigentlichen Dreh beginnen konnte.

Es sollte sich lohnen, All About Eve wurde mit Preisen überschüttet (u.a. 6 Oscars, inkl. „Bester Film“) und zählt noch heute zu den besten amerikanischen Filmen, die jemals geschrieben und inszeniert wurden. Dabei behaupten die meisten Kritiker, dieses Werk sei eine böse Abrechnung mit dem Glanz und Glamour des Film- und Theatergeschäfts, eine Anklage gegen selbstverliebte Diven. Doch es ist auch ein Film über alle von uns, über Menschen mit zwei Gesichtern, die lediglich für ihre Träume kämpfen. In diesem Fall gehen sie beinahe über Leichen. Ganz großes Kino, welches man gesehen haben muss!

USA 1950 – 138 Minuten
Regie: Joseph L. Mankiewicz
Genre: Drama
Darsteller: Bette Davis, Anne Baxter, George Sanders, Celeste Holm, Gary Merrill, Hugh Marlowe, Gregory Ratoff, Barbara Bates, Marilyn Monroe, Thelma Ritter, Walter Hampden, Randy Stuart, Craig Hill, Leland Harris, Barbara White, Eddie Fisher, William Pullen, Claude Pullen, uva.

Close-up on Sunset Boulevard
Paramount Pictures

Sunset Boulevard – Boulevard der Dämmerung (OT: Sunset Boulevard)

Billy Wilder hat viele Meisterwerke geschaffen. Legendäre Komödien wie Manche mögen’s heiß, spannende Thriller wie Zeugin der Anklage, dramatische Film Noirs wie Eine Frau ohne Gewissen oder eben Boulevard der Dämmerung, eine bitterböse, groteske Satire auf Hollywood, die Arroganz der Filmstars und die Falschheit der Menschen, die im Filmgeschäft arbeiten und sich Künstler zu nennen pflegen. Einer jener Künstler ist Joe Gillis, brillant gespielt von William Holden, der 3 Jahre später seinen Oscar für Billy Wilders Stalag 17 erhalten sollte und 26 Jahre später mit Sidney Lumets Meisterstück Network seine letzte großartige schauspielerische Leistung vorweisen sollte.

Gillis ist ein erfolgloser Drehbuchautor in Los Angeles, der Probleme mit dem Gerichtsvollzieher bekommt. Dieser wird Joes Auto einkassieren, wenn der Schriftsteller ihm nicht innerhalb kürzester Zeit 300 Dollars auf den Tisch legen kann. Gillis flieht vor seinen Gegnern und wie es das Schicksal will, hat er bald eine Reifenpanne. Sein Auto versteckt er auf einem scheinbar verlassenen Anwesen, einer alten, ehemals prunkvollen, nun aber heruntergekommenen Villa, die, wie sich herausstellt, dem alten Filmstar Norma Desmond (Gloria Swanson) gehört. Desmond, ein längst vergessener Stummfilmstar wohnt alleine in diesem Anwesen, lediglich ihr Diener Max (Erich von Stroheim) leistet ihr Gesellschaft.

Sunset Boulevard (1950) | OldMoviesaregreat
Paramount Pictures

Gillis wird schnell klar, dass Norma unter einer gestörten Wahrnehmung und Selbsteinschätzung leidet, denn sie hält sich nach wie vor für den größten Star auf der ganzen Welt. Nach anfänglichem Misstrauen zeigt sie dem erfolglosen Schriftsteller, der dringend Geld braucht, ihr Manuskript zu einem Film über Salome, der von niemand Geringerem als Regielegende Cecil B. DeMille in Szene gesetzt werden soll, mit dem sie zusammen zwölf Filme drehte. Widerwillig liest Gillis das grauenhaft dilettantische Manuskript, bietet Norma jedoch an, es gegen ein hohes Entgelt zu überarbeiten. Norma willigt ein, sorgt jedoch auch – sehr zum missfallen Joes – dafür, dass dieser in der Villa zusammen mit dem Filmstar wohnt. Was harmlos zu beginnen scheint, entwickelt sich zu einer dunklen Obsession einer alternden, psychisch kranken Frau, vor der es kein Entrinnen zu geben scheint …

Sunset Boulevard ist so ein unangenehm intensiver Film, das man als Zuschauer zu entrinnen versucht, je weiter die Obsession der Diva voranschreitet, doch man ist dazu außerstande, so fesselnd ist das Porträt der großen Dame. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist die glänzende Darstellung Gloria Swansons, selber ein ehemaliger Stummfilmstar, der 1950 seine beste Zeit längst hinter sich hatte. Ihr beunruhigend realistisches Porträt vermag den Zuschauer unmittelbar in den Bann zu ziehen und ist sicherlich fesselnder und Angst einflößender als die meisten Bösewichte in Horrorfilmen. Doch es ist nicht nur ein Charakterporträt dieser einsamen, alternden Dame, sondern gleichzeitig ein überraschend detailliertes Studium von Joe Gillis, der sich hier von dem lockenden Geld verführen lässt und damit letztlich sich selbst und alle anderen ins Unglück stürzt.

AFI #16: Sunset Blvd. | Days of Speed & Slow Time Mondays
Paramount Pictures

Regisseur Erich von Stroheim spielt Desmonds Diener, eine tragische Gestalt, die sich den letzten Rest Würde bewahrt hat, auch wenn er es ist, der Norma täglich anonym Fanpost zukommen lässt, damit diese noch weiter daran glauben kann, sie werde verehrt. Der ganze Film ist ein Kammerspiel, das Anwesen der Filmdiva wird zur Festung, aus der es kein Entrinnen gibt. Die Set-Dekoration trägt ihren großen Teil dazu bei, das ganze Haus wirkt sowohl von außen, als auch von innen wie ein verstaubtes Relikt aus besseren Zeiten und Norma Desmond ist nicht mehr als ein antiquiertes Möbelstück in diesem Universum. Die atemberaubende Kameraarbeit ist zusätzlich erwähnenswert, trägt wesentlich zur gespenstischen Atmosphäre bei, so etwa wenn Normas stolzes Gesicht in Dunkelheit vom grellen Projektorlicht angestrahlt wird. So entwickelt sich der Film zu einer morbiden, skurrilen Liebesgeschichte um Abhängigkeit, verlorene Träume und Selbstverwirklichung, um Geltungssucht und Prostitution. Es ist außerdem einer jener Filme, die ein erstklassiges literarisches Werk abgeben würde, würde man die Monologe des Hauptdarstellers für einen Roman abtippen, so ästhetisch und wohlgeformt ist die Sprache, bei der jedes einzelne Wort abgewogen zu sein scheint.

Sunset Boulevard ist eines der weigen Filme, die in allen 4 Darstellerkategorien für den Oscar vorgeschlagen worden: Holden, Swanson, Stroheim und die verführerische, naive Nancy Olsen als die Verlobte von Gillis’ bestem Freund wurden entsprechend nominiert – doch bei der überbordenen Konkurrenz in dem Jahr gingen alle Darsteller bei der Verleihung leer aus, was vor Allem bei der Darstellung von Gloria Swanson nur schwer verständlich ist. Drei Oscars konnte das Meisterwerk trotzdem einheimsen – einen für die grandiose Musik von Franz Waxman, der mit seinem Score eine der besten Filmmusiken überhaupt vorlegte. Wer einen wahrhaft Angst einflößenden Gespensterfilm sehen möchte, der wird in diesem Film Noir das beste Beispiel finden, denn alles und jeder irrt umher wie ein Gespenster, alle Gegenstände sind Schatten ihrer selbst aus längst vergessenen Zeiten. Jeder sollte Billy Wilders Sunset Boulevard gesehen haben, der zu Recht zu den großen Meisterwerken der Filmgeschichte gezählt wird. Wirklich ganz, ganz großes Kino was hier abgeliefert wurde!

USA 1950 – 110 Minuten
Regie: Billy Wilder
Genre: Drama / Film Noir
Darsteller: Gloria Swanson, William Holden, Erich von Stroheim, Nancy Olson,  Jack Webb, Fred Clark, Lloyd Gough, Larry J. Blake,Cecil B.DeMille,  Franklyn Farnum, Hedda Hopper, Charles Dayton, Buster Keaton, H.B. Warner, Ray Evans, uva.

Wie in der Einleitung erwähnt ein ganz großes Battle, zweier absoluter Klassiker und beide meiner lediglich 7 Filme, die ich bislang eine perfekte 10/10 gegeben habe! Wenn das mal nicht ein Einstand für diese neue Reihe ist! Demnach hätte es auch beide verdient gehabt mit dem Oscar für den „Besten Film“ ausgezeichnet zu werden. Bei so einem dichten Feld hätte ich auch dem Film den „Besten Film“ gegeben, der die meisten Oscarnominierungen auch von mir bekommen hätte – sprich Alles über Eva, allerdings hätte ich Gloria Swanson und Billy Wilder (mit einem weiteren Regieoscar) gewürdigt, so beide auf 5 Oscars in ihrer Gesamtheit gekommen wären. Kann mich nur noch an ein ähnlich krass enges Oscarrennen erinnern, aber dazu ein anderes Mal mehr! 😉

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